Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

Beylage XIV.
Anwendung allein ist also jene Klage als eine von der
allgemeinen Regel der Condictionen abweichende anzusehen,
und die Abweichung ist nur darin zu setzen, daß in diesem
Fall das außerdem geltende alternative Verhältniß der
Condiction zur Vindication (Num. V. f. g.) zum Vortheil
des Klägers aufgegeben wird.

XVI.

Die Condiction, in der hier erklärten abweichenden
Natur, ist dann auch angewendet worden auf den an sich
verschiedenen, aber verwandten, Fall, wenn dem Eigen-
thümer der Besitz eines Grundstücks mit Gewalt entzogen
wird; auch hier soll er ausnahmsweise die eigene Sache
condiciren, also zwischen der Condiction und Vindication
wählen dürfen. Anfangs war diese Ausdehnung bestritten,

wenn wirklich die Sache unzweifel-
haft vorhanden ist, von besonderem
Werth seyn könnte, gerade auch
eine Condiction, vorzugsweise vor
der Vindication, zu erhalten: denn
die eine dieser Klagen giebt ihm
in einem solchen Fall nicht mehr
als die andere. -- Es ist also
wohl zu bemerken, daß die ganze
Schwierigkeit und die dadurch nö-
thig befundene Anomalie lediglich
durch die hergebrachten Klagfor-
mulare herbeygeführt wurde. Da-
her ist es eigentlich sehr unpassend,
daß in Justinians Institutionen
die Sache noch so, wie bey Gajus,
vorgetragen wird, da man doch zu
seiner Zeit die alten formulae
schon längst bey Seite gelegt hatte,
also auch nicht mehr mit dare
oportere
intendirte. Auch schon
zu des Gajus Zeit wäre bey dem
Gebrauch der Formel dare facere
oportere
gar keine Schwierigkeit
gewesen, da diese auch das bloße
restituere in sich schloß; wahr-
scheinlich wollte man aber dem
Bestohlenen auch die eigenthüm-
lichen Vortheile der Formel dare
oportere
nicht entgehen lassen,
von welchen noch unten die Rede
seyn wird. Die Ungewißheit frey-
lich, mit ihren prozessualischen Ge-
fahren, blieb immer übrig.

Beylage XIV.
Anwendung allein iſt alſo jene Klage als eine von der
allgemeinen Regel der Condictionen abweichende anzuſehen,
und die Abweichung iſt nur darin zu ſetzen, daß in dieſem
Fall das außerdem geltende alternative Verhältniß der
Condiction zur Vindication (Num. V. f. g.) zum Vortheil
des Klägers aufgegeben wird.

XVI.

Die Condiction, in der hier erklärten abweichenden
Natur, iſt dann auch angewendet worden auf den an ſich
verſchiedenen, aber verwandten, Fall, wenn dem Eigen-
thümer der Beſitz eines Grundſtücks mit Gewalt entzogen
wird; auch hier ſoll er ausnahmsweiſe die eigene Sache
condiciren, alſo zwiſchen der Condiction und Vindication
wählen dürfen. Anfangs war dieſe Ausdehnung beſtritten,

wenn wirklich die Sache unzweifel-
haft vorhanden iſt, von beſonderem
Werth ſeyn könnte, gerade auch
eine Condiction, vorzugsweiſe vor
der Vindication, zu erhalten: denn
die eine dieſer Klagen giebt ihm
in einem ſolchen Fall nicht mehr
als die andere. — Es iſt alſo
wohl zu bemerken, daß die ganze
Schwierigkeit und die dadurch nö-
thig befundene Anomalie lediglich
durch die hergebrachten Klagfor-
mulare herbeygeführt wurde. Da-
her iſt es eigentlich ſehr unpaſſend,
daß in Juſtinians Inſtitutionen
die Sache noch ſo, wie bey Gajus,
vorgetragen wird, da man doch zu
ſeiner Zeit die alten formulae
ſchon längſt bey Seite gelegt hatte,
alſo auch nicht mehr mit dare
oportere
intendirte. Auch ſchon
zu des Gajus Zeit wäre bey dem
Gebrauch der Formel dare facere
oportere
gar keine Schwierigkeit
geweſen, da dieſe auch das bloße
restituere in ſich ſchloß; wahr-
ſcheinlich wollte man aber dem
Beſtohlenen auch die eigenthüm-
lichen Vortheile der Formel dare
oportere
nicht entgehen laſſen,
von welchen noch unten die Rede
ſeyn wird. Die Ungewißheit frey-
lich, mit ihren prozeſſualiſchen Ge-
fahren, blieb immer übrig.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0568" n="554"/><fw place="top" type="header">Beylage <hi rendition="#aq">XIV.</hi></fw><lb/>
Anwendung allein i&#x017F;t al&#x017F;o jene Klage als eine von der<lb/>
allgemeinen Regel der Condictionen abweichende anzu&#x017F;ehen,<lb/>
und die Abweichung i&#x017F;t nur darin zu &#x017F;etzen, daß in die&#x017F;em<lb/>
Fall das außerdem geltende <hi rendition="#g">alternative</hi> Verhältniß der<lb/>
Condiction zur Vindication (Num. <hi rendition="#aq">V. f. g.</hi>) zum Vortheil<lb/>
des Klägers aufgegeben wird.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">XVI.</hi> </hi> </head><lb/>
            <p>Die Condiction, in der hier erklärten abweichenden<lb/>
Natur, i&#x017F;t dann auch angewendet worden auf den an &#x017F;ich<lb/>
ver&#x017F;chiedenen, aber verwandten, Fall, wenn dem Eigen-<lb/>
thümer der Be&#x017F;itz eines Grund&#x017F;tücks mit Gewalt entzogen<lb/>
wird; auch hier &#x017F;oll er ausnahmswei&#x017F;e die eigene Sache<lb/>
condiciren, al&#x017F;o zwi&#x017F;chen der Condiction und Vindication<lb/>
wählen dürfen. Anfangs war die&#x017F;e Ausdehnung be&#x017F;tritten,<lb/><note xml:id="seg2pn_82_2" prev="#seg2pn_82_1" place="foot" n="(d)">wenn wirklich die Sache unzweifel-<lb/>
haft vorhanden i&#x017F;t, von be&#x017F;onderem<lb/>
Werth &#x017F;eyn könnte, gerade auch<lb/>
eine Condiction, vorzugswei&#x017F;e vor<lb/>
der Vindication, zu erhalten: denn<lb/>
die eine die&#x017F;er Klagen giebt ihm<lb/>
in einem &#x017F;olchen Fall nicht mehr<lb/>
als die andere. &#x2014; Es i&#x017F;t al&#x017F;o<lb/>
wohl zu bemerken, daß die ganze<lb/>
Schwierigkeit und die dadurch nö-<lb/>
thig befundene Anomalie lediglich<lb/>
durch die hergebrachten Klagfor-<lb/>
mulare herbeygeführt wurde. Da-<lb/>
her i&#x017F;t es eigentlich &#x017F;ehr unpa&#x017F;&#x017F;end,<lb/>
daß in Ju&#x017F;tinians In&#x017F;titutionen<lb/>
die Sache noch &#x017F;o, wie bey Gajus,<lb/>
vorgetragen wird, da man doch zu<lb/>
&#x017F;einer Zeit die alten <hi rendition="#aq">formulae</hi><lb/>
&#x017F;chon läng&#x017F;t bey Seite gelegt hatte,<lb/>
al&#x017F;o auch nicht mehr mit <hi rendition="#aq">dare<lb/>
oportere</hi> intendirte. Auch &#x017F;chon<lb/>
zu des Gajus Zeit wäre bey dem<lb/>
Gebrauch der Formel <hi rendition="#aq">dare facere<lb/>
oportere</hi> gar keine Schwierigkeit<lb/>
gewe&#x017F;en, da die&#x017F;e auch das bloße<lb/><hi rendition="#aq">restituere</hi> in &#x017F;ich &#x017F;chloß; wahr-<lb/>
&#x017F;cheinlich wollte man aber dem<lb/>
Be&#x017F;tohlenen auch die eigenthüm-<lb/>
lichen Vortheile der Formel <hi rendition="#aq">dare<lb/>
oportere</hi> nicht entgehen la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
von welchen noch unten die Rede<lb/>
&#x017F;eyn wird. Die Ungewißheit frey-<lb/>
lich, mit ihren proze&#x017F;&#x017F;uali&#x017F;chen Ge-<lb/>
fahren, blieb immer übrig.</note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[554/0568] Beylage XIV. Anwendung allein iſt alſo jene Klage als eine von der allgemeinen Regel der Condictionen abweichende anzuſehen, und die Abweichung iſt nur darin zu ſetzen, daß in dieſem Fall das außerdem geltende alternative Verhältniß der Condiction zur Vindication (Num. V. f. g.) zum Vortheil des Klägers aufgegeben wird. XVI. Die Condiction, in der hier erklärten abweichenden Natur, iſt dann auch angewendet worden auf den an ſich verſchiedenen, aber verwandten, Fall, wenn dem Eigen- thümer der Beſitz eines Grundſtücks mit Gewalt entzogen wird; auch hier ſoll er ausnahmsweiſe die eigene Sache condiciren, alſo zwiſchen der Condiction und Vindication wählen dürfen. Anfangs war dieſe Ausdehnung beſtritten, (d) (d) wenn wirklich die Sache unzweifel- haft vorhanden iſt, von beſonderem Werth ſeyn könnte, gerade auch eine Condiction, vorzugsweiſe vor der Vindication, zu erhalten: denn die eine dieſer Klagen giebt ihm in einem ſolchen Fall nicht mehr als die andere. — Es iſt alſo wohl zu bemerken, daß die ganze Schwierigkeit und die dadurch nö- thig befundene Anomalie lediglich durch die hergebrachten Klagfor- mulare herbeygeführt wurde. Da- her iſt es eigentlich ſehr unpaſſend, daß in Juſtinians Inſtitutionen die Sache noch ſo, wie bey Gajus, vorgetragen wird, da man doch zu ſeiner Zeit die alten formulae ſchon längſt bey Seite gelegt hatte, alſo auch nicht mehr mit dare oportere intendirte. Auch ſchon zu des Gajus Zeit wäre bey dem Gebrauch der Formel dare facere oportere gar keine Schwierigkeit geweſen, da dieſe auch das bloße restituere in ſich ſchloß; wahr- ſcheinlich wollte man aber dem Beſtohlenen auch die eigenthüm- lichen Vortheile der Formel dare oportere nicht entgehen laſſen, von welchen noch unten die Rede ſeyn wird. Die Ungewißheit frey- lich, mit ihren prozeſſualiſchen Ge- fahren, blieb immer übrig.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/568
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 554. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/568>, abgerufen am 23.12.2024.