Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

Beylage XIV.
Sprachgebrauch wird wohl am Wenigsten bezweifelt wer-
den, und daher sind von mir auch schon bisher, ehe noch
der Sprachgebrauch besonders untersucht war, die von
einer incerti condictio redende Stellen unbedenklich auf
Condictionen der dritten Klasse bezogen worden (a).

Hieraus folgt also, daß die incerti condictio einen
Theil der triticaria in sich schließt, ein anderer Theil der-
selben aber, nämlich die Condiction der zweyten Klasse,
gar keinen besonderen Namen führt. Ohne Zweifel aber
liegt hierin der Hauptgrund, welcher bisher die Anerken-
nung der richtigen Terminologie verhindert hat. Denn es
hat einen täuschenden Schein logischer Nothwendigkeit, daß
alle Condictionen entweder certi oder incerti seyn müßten;
nach der hier vorgetragenen Lehre liegt zwischen beiden
eine Klasse in der Mitte, welcher weder der eine, noch
der andere Name zukommt (b). Der Grund dieser auf-
fallenden Erscheinung aber liegt darin, daß die Natur
dieser Mittelklasse in der That zweydeutig, und aus beiden
Eigenschaften gemischt ist, da sie nämlich eine incerta

(a) So z. B. Num. XXXIV. e.
-- Nicht gleichbedeutend mit der
incerti condictio ist die incerta
formula
bey Gajus IV. § 54.
131, denn darunter sind auch die
b. f. actiones mit begriffen.
(b) Ein scheinbarer Einwurf
liegt in L. 12 de nov. (46. 2)
"tenetur condictione vel incerti,
si non pecunia soluta esset, vel
certi si soluta esset."
Allein hier
gründet sich das wirklich Ausschlie-
ßende dieses Gegensatzes auf die
Umstände des besonderen Rechts-
falles. Denn es mußte entweder
auf liberatio geklagt werden,
welches als facere durch die in-
certi condictio
gefordert wurde,
oder auf Baarzahlung. Eine Con-
diction der zweyten Klasse konnte
hier in keinem Fall vorkommen.

Beylage XIV.
Sprachgebrauch wird wohl am Wenigſten bezweifelt wer-
den, und daher ſind von mir auch ſchon bisher, ehe noch
der Sprachgebrauch beſonders unterſucht war, die von
einer incerti condictio redende Stellen unbedenklich auf
Condictionen der dritten Klaſſe bezogen worden (a).

Hieraus folgt alſo, daß die incerti condictio einen
Theil der triticaria in ſich ſchließt, ein anderer Theil der-
ſelben aber, nämlich die Condiction der zweyten Klaſſe,
gar keinen beſonderen Namen führt. Ohne Zweifel aber
liegt hierin der Hauptgrund, welcher bisher die Anerken-
nung der richtigen Terminologie verhindert hat. Denn es
hat einen täuſchenden Schein logiſcher Nothwendigkeit, daß
alle Condictionen entweder certi oder incerti ſeyn müßten;
nach der hier vorgetragenen Lehre liegt zwiſchen beiden
eine Klaſſe in der Mitte, welcher weder der eine, noch
der andere Name zukommt (b). Der Grund dieſer auf-
fallenden Erſcheinung aber liegt darin, daß die Natur
dieſer Mittelklaſſe in der That zweydeutig, und aus beiden
Eigenſchaften gemiſcht iſt, da ſie nämlich eine incerta

(a) So z. B. Num. XXXIV. e.
— Nicht gleichbedeutend mit der
incerti condictio iſt die incerta
formula
bey Gajus IV. § 54.
131, denn darunter ſind auch die
b. f. actiones mit begriffen.
(b) Ein ſcheinbarer Einwurf
liegt in L. 12 de nov. (46. 2)
„tenetur condictione vel incerti,
si non pecunia soluta esset, vel
certi si soluta esset.”
Allein hier
gründet ſich das wirklich Ausſchlie-
ßende dieſes Gegenſatzes auf die
Umſtände des beſonderen Rechts-
falles. Denn es mußte entweder
auf liberatio geklagt werden,
welches als facere durch die in-
certi condictio
gefordert wurde,
oder auf Baarzahlung. Eine Con-
diction der zweyten Klaſſe konnte
hier in keinem Fall vorkommen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0642" n="628"/><fw place="top" type="header">Beylage <hi rendition="#aq">XIV.</hi></fw><lb/>
Sprachgebrauch wird wohl am Wenig&#x017F;ten bezweifelt wer-<lb/>
den, und daher &#x017F;ind von mir auch &#x017F;chon bisher, ehe noch<lb/>
der Sprachgebrauch be&#x017F;onders unter&#x017F;ucht war, die von<lb/>
einer <hi rendition="#aq">incerti condictio</hi> redende Stellen unbedenklich auf<lb/>
Condictionen der dritten Kla&#x017F;&#x017F;e bezogen worden <note place="foot" n="(a)">So z. B. Num. <hi rendition="#aq">XXXIV. e.</hi><lb/>
&#x2014; Nicht gleichbedeutend mit der<lb/><hi rendition="#aq">incerti <hi rendition="#i">condictio</hi></hi> i&#x017F;t die <hi rendition="#aq">incerta<lb/><hi rendition="#i">formula</hi></hi> bey <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Gajus</hi> IV.</hi> § 54.<lb/>
131, denn darunter &#x017F;ind auch die<lb/><hi rendition="#aq">b. f. actiones</hi> mit begriffen.</note>.</p><lb/>
            <p>Hieraus folgt al&#x017F;o, daß die <hi rendition="#aq">incerti condictio</hi> einen<lb/>
Theil der <hi rendition="#aq">triticaria</hi> in &#x017F;ich &#x017F;chließt, ein anderer Theil der-<lb/>
&#x017F;elben aber, nämlich die Condiction der zweyten Kla&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
gar keinen be&#x017F;onderen Namen führt. Ohne Zweifel aber<lb/>
liegt hierin der Hauptgrund, welcher bisher die Anerken-<lb/>
nung der richtigen Terminologie verhindert hat. Denn es<lb/>
hat einen täu&#x017F;chenden Schein logi&#x017F;cher Nothwendigkeit, daß<lb/>
alle Condictionen entweder <hi rendition="#aq">certi</hi> oder <hi rendition="#aq">incerti</hi> &#x017F;eyn müßten;<lb/>
nach der hier vorgetragenen Lehre liegt zwi&#x017F;chen beiden<lb/>
eine Kla&#x017F;&#x017F;e in der Mitte, welcher weder der eine, noch<lb/>
der andere Name zukommt <note place="foot" n="(b)">Ein &#x017F;cheinbarer Einwurf<lb/>
liegt in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 12 <hi rendition="#i">de nov.</hi> (46. 2)<lb/>
&#x201E;tenetur condictione vel incerti,<lb/>
si non pecunia soluta esset, vel<lb/>
certi si soluta esset.&#x201D;</hi> Allein hier<lb/>
gründet &#x017F;ich das wirklich Aus&#x017F;chlie-<lb/>
ßende die&#x017F;es Gegen&#x017F;atzes auf die<lb/>
Um&#x017F;tände des be&#x017F;onderen Rechts-<lb/>
falles. Denn es mußte entweder<lb/>
auf <hi rendition="#aq">liberatio</hi> geklagt werden,<lb/>
welches als <hi rendition="#aq">facere</hi> durch die <hi rendition="#aq">in-<lb/>
certi condictio</hi> gefordert wurde,<lb/>
oder auf Baarzahlung. Eine Con-<lb/>
diction der zweyten Kla&#x017F;&#x017F;e konnte<lb/>
hier in keinem Fall vorkommen.</note>. Der Grund die&#x017F;er auf-<lb/>
fallenden Er&#x017F;cheinung aber liegt darin, daß die Natur<lb/>
die&#x017F;er Mittelkla&#x017F;&#x017F;e in der That zweydeutig, und aus beiden<lb/>
Eigen&#x017F;chaften gemi&#x017F;cht i&#x017F;t, da &#x017F;ie nämlich eine <hi rendition="#aq">incerta</hi><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[628/0642] Beylage XIV. Sprachgebrauch wird wohl am Wenigſten bezweifelt wer- den, und daher ſind von mir auch ſchon bisher, ehe noch der Sprachgebrauch beſonders unterſucht war, die von einer incerti condictio redende Stellen unbedenklich auf Condictionen der dritten Klaſſe bezogen worden (a). Hieraus folgt alſo, daß die incerti condictio einen Theil der triticaria in ſich ſchließt, ein anderer Theil der- ſelben aber, nämlich die Condiction der zweyten Klaſſe, gar keinen beſonderen Namen führt. Ohne Zweifel aber liegt hierin der Hauptgrund, welcher bisher die Anerken- nung der richtigen Terminologie verhindert hat. Denn es hat einen täuſchenden Schein logiſcher Nothwendigkeit, daß alle Condictionen entweder certi oder incerti ſeyn müßten; nach der hier vorgetragenen Lehre liegt zwiſchen beiden eine Klaſſe in der Mitte, welcher weder der eine, noch der andere Name zukommt (b). Der Grund dieſer auf- fallenden Erſcheinung aber liegt darin, daß die Natur dieſer Mittelklaſſe in der That zweydeutig, und aus beiden Eigenſchaften gemiſcht iſt, da ſie nämlich eine incerta (a) So z. B. Num. XXXIV. e. — Nicht gleichbedeutend mit der incerti condictio iſt die incerta formula bey Gajus IV. § 54. 131, denn darunter ſind auch die b. f. actiones mit begriffen. (b) Ein ſcheinbarer Einwurf liegt in L. 12 de nov. (46. 2) „tenetur condictione vel incerti, si non pecunia soluta esset, vel certi si soluta esset.” Allein hier gründet ſich das wirklich Ausſchlie- ßende dieſes Gegenſatzes auf die Umſtände des beſonderen Rechts- falles. Denn es mußte entweder auf liberatio geklagt werden, welches als facere durch die in- certi condictio gefordert wurde, oder auf Baarzahlung. Eine Con- diction der zweyten Klaſſe konnte hier in keinem Fall vorkommen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/642
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 628. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/642>, abgerufen am 18.06.2024.