Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Condictionen. XLVII.

In Beziehung auf diese Frage muß ich meine Unwis-
senheit bekennen. Es ist nicht gerade unmöglich, daß es
sich so zugetragen hat, wie Jene meynen, an Zeugnissen
darüber fehlt es uns gänzlich, und nicht einmal für wahr-
scheinlich kann ich jenen Hergang halten, da das Bedürf-
niß von Verträgen der oben beschriebenen Art ein sehr
natürliches und allgemeines ist, die ausschließende Befrie-
digung desselben durch Strafstipulationen aber (so zweck-
mäßig sie in einzelnen Fällen seyn mögen) für so unbe-
hülflich gehalten werden muß, daß ohne Zweifel eine be-
quemere Auskunft sich bald Bahn gebrochen haben müßte.
-- Die entgegengesetzte Möglichkeit würde demnach so zu
denken seyn, daß das ganze System der Condictionen, wie
wir es kennen, mit einemmal entstanden seyn mag. Auch
damit ist die Annahme wohl vereinbar, daß einige Zeit
nöthig war, ehe die Begriffe, Formeln, Kunstausdrücke,
zu ihrer völligen, planmäßigen Ausbildung gelangten,
worin sie sich dann für immer fixirten. Allein eine solche
nicht ganz augenblickliche formelle Entwicklung würde noch
immer sehr verschieden seyn von derjenigen successiven Ver-
änderung der Rechtsregeln selbst, die von jenen Schrift-
stellern als Thatsache angenommen wird; verschieden be-
sonders auch darin, daß eine Veränderung wie diese viel-
leicht erst durch lange Zeiträume hervorgebracht wird, an-
statt daß jene Entwicklung in kurzer Zeit vollbracht wer-
den kann.

Denjenigen insbesondere, Welche etwa geneigt seyn

Die Condictionen. XLVII.

In Beziehung auf dieſe Frage muß ich meine Unwiſ-
ſenheit bekennen. Es iſt nicht gerade unmöglich, daß es
ſich ſo zugetragen hat, wie Jene meynen, an Zeugniſſen
darüber fehlt es uns gänzlich, und nicht einmal für wahr-
ſcheinlich kann ich jenen Hergang halten, da das Bedürf-
niß von Verträgen der oben beſchriebenen Art ein ſehr
natürliches und allgemeines iſt, die ausſchließende Befrie-
digung deſſelben durch Strafſtipulationen aber (ſo zweck-
mäßig ſie in einzelnen Fällen ſeyn mögen) für ſo unbe-
hülflich gehalten werden muß, daß ohne Zweifel eine be-
quemere Auskunft ſich bald Bahn gebrochen haben müßte.
— Die entgegengeſetzte Möglichkeit würde demnach ſo zu
denken ſeyn, daß das ganze Syſtem der Condictionen, wie
wir es kennen, mit einemmal entſtanden ſeyn mag. Auch
damit iſt die Annahme wohl vereinbar, daß einige Zeit
nöthig war, ehe die Begriffe, Formeln, Kunſtausdrücke,
zu ihrer völligen, planmäßigen Ausbildung gelangten,
worin ſie ſich dann für immer fixirten. Allein eine ſolche
nicht ganz augenblickliche formelle Entwicklung würde noch
immer ſehr verſchieden ſeyn von derjenigen ſucceſſiven Ver-
änderung der Rechtsregeln ſelbſt, die von jenen Schrift-
ſtellern als Thatſache angenommen wird; verſchieden be-
ſonders auch darin, daß eine Veränderung wie dieſe viel-
leicht erſt durch lange Zeiträume hervorgebracht wird, an-
ſtatt daß jene Entwicklung in kurzer Zeit vollbracht wer-
den kann.

Denjenigen insbeſondere, Welche etwa geneigt ſeyn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0653" n="639"/>
            <fw place="top" type="header">Die Condictionen. <hi rendition="#aq">XLVII.</hi></fw><lb/>
            <p>In Beziehung auf die&#x017F;e Frage muß ich meine Unwi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;enheit bekennen. Es i&#x017F;t nicht gerade unmöglich, daß es<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;o zugetragen hat, wie Jene meynen, an Zeugni&#x017F;&#x017F;en<lb/>
darüber fehlt es uns gänzlich, und nicht einmal für wahr-<lb/>
&#x017F;cheinlich kann ich jenen Hergang halten, da das Bedürf-<lb/>
niß von Verträgen der oben be&#x017F;chriebenen Art ein &#x017F;ehr<lb/>
natürliches und allgemeines i&#x017F;t, die aus&#x017F;chließende Befrie-<lb/>
digung de&#x017F;&#x017F;elben durch Straf&#x017F;tipulationen aber (&#x017F;o zweck-<lb/>
mäßig &#x017F;ie in einzelnen Fällen &#x017F;eyn mögen) für &#x017F;o unbe-<lb/>
hülflich gehalten werden muß, daß ohne Zweifel eine be-<lb/>
quemere Auskunft &#x017F;ich bald Bahn gebrochen haben müßte.<lb/>
&#x2014; Die entgegenge&#x017F;etzte Möglichkeit würde demnach &#x017F;o zu<lb/>
denken &#x017F;eyn, daß das ganze Sy&#x017F;tem der Condictionen, wie<lb/>
wir es kennen, mit einemmal ent&#x017F;tanden &#x017F;eyn mag. Auch<lb/>
damit i&#x017F;t die Annahme wohl vereinbar, daß einige Zeit<lb/>
nöthig war, ehe die Begriffe, Formeln, Kun&#x017F;tausdrücke,<lb/>
zu ihrer völligen, planmäßigen Ausbildung gelangten,<lb/>
worin &#x017F;ie &#x017F;ich dann für immer fixirten. Allein eine &#x017F;olche<lb/>
nicht ganz augenblickliche formelle Entwicklung würde noch<lb/>
immer &#x017F;ehr ver&#x017F;chieden &#x017F;eyn von derjenigen &#x017F;ucce&#x017F;&#x017F;iven Ver-<lb/>
änderung der Rechtsregeln &#x017F;elb&#x017F;t, die von jenen Schrift-<lb/>
&#x017F;tellern als That&#x017F;ache angenommen wird; ver&#x017F;chieden be-<lb/>
&#x017F;onders auch darin, daß eine Veränderung wie die&#x017F;e viel-<lb/>
leicht er&#x017F;t durch lange Zeiträume hervorgebracht wird, an-<lb/>
&#x017F;tatt daß jene Entwicklung in kurzer Zeit vollbracht wer-<lb/>
den kann.</p><lb/>
            <p>Denjenigen insbe&#x017F;ondere, Welche etwa geneigt &#x017F;eyn<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[639/0653] Die Condictionen. XLVII. In Beziehung auf dieſe Frage muß ich meine Unwiſ- ſenheit bekennen. Es iſt nicht gerade unmöglich, daß es ſich ſo zugetragen hat, wie Jene meynen, an Zeugniſſen darüber fehlt es uns gänzlich, und nicht einmal für wahr- ſcheinlich kann ich jenen Hergang halten, da das Bedürf- niß von Verträgen der oben beſchriebenen Art ein ſehr natürliches und allgemeines iſt, die ausſchließende Befrie- digung deſſelben durch Strafſtipulationen aber (ſo zweck- mäßig ſie in einzelnen Fällen ſeyn mögen) für ſo unbe- hülflich gehalten werden muß, daß ohne Zweifel eine be- quemere Auskunft ſich bald Bahn gebrochen haben müßte. — Die entgegengeſetzte Möglichkeit würde demnach ſo zu denken ſeyn, daß das ganze Syſtem der Condictionen, wie wir es kennen, mit einemmal entſtanden ſeyn mag. Auch damit iſt die Annahme wohl vereinbar, daß einige Zeit nöthig war, ehe die Begriffe, Formeln, Kunſtausdrücke, zu ihrer völligen, planmäßigen Ausbildung gelangten, worin ſie ſich dann für immer fixirten. Allein eine ſolche nicht ganz augenblickliche formelle Entwicklung würde noch immer ſehr verſchieden ſeyn von derjenigen ſucceſſiven Ver- änderung der Rechtsregeln ſelbſt, die von jenen Schrift- ſtellern als Thatſache angenommen wird; verſchieden be- ſonders auch darin, daß eine Veränderung wie dieſe viel- leicht erſt durch lange Zeiträume hervorgebracht wird, an- ſtatt daß jene Entwicklung in kurzer Zeit vollbracht wer- den kann. Denjenigen insbeſondere, Welche etwa geneigt ſeyn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/653
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 639. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/653>, abgerufen am 22.12.2024.