In Beziehung auf diese Frage muß ich meine Unwis- senheit bekennen. Es ist nicht gerade unmöglich, daß es sich so zugetragen hat, wie Jene meynen, an Zeugnissen darüber fehlt es uns gänzlich, und nicht einmal für wahr- scheinlich kann ich jenen Hergang halten, da das Bedürf- niß von Verträgen der oben beschriebenen Art ein sehr natürliches und allgemeines ist, die ausschließende Befrie- digung desselben durch Strafstipulationen aber (so zweck- mäßig sie in einzelnen Fällen seyn mögen) für so unbe- hülflich gehalten werden muß, daß ohne Zweifel eine be- quemere Auskunft sich bald Bahn gebrochen haben müßte. -- Die entgegengesetzte Möglichkeit würde demnach so zu denken seyn, daß das ganze System der Condictionen, wie wir es kennen, mit einemmal entstanden seyn mag. Auch damit ist die Annahme wohl vereinbar, daß einige Zeit nöthig war, ehe die Begriffe, Formeln, Kunstausdrücke, zu ihrer völligen, planmäßigen Ausbildung gelangten, worin sie sich dann für immer fixirten. Allein eine solche nicht ganz augenblickliche formelle Entwicklung würde noch immer sehr verschieden seyn von derjenigen successiven Ver- änderung der Rechtsregeln selbst, die von jenen Schrift- stellern als Thatsache angenommen wird; verschieden be- sonders auch darin, daß eine Veränderung wie diese viel- leicht erst durch lange Zeiträume hervorgebracht wird, an- statt daß jene Entwicklung in kurzer Zeit vollbracht wer- den kann.
Denjenigen insbesondere, Welche etwa geneigt seyn
Die Condictionen. XLVII.
In Beziehung auf dieſe Frage muß ich meine Unwiſ- ſenheit bekennen. Es iſt nicht gerade unmöglich, daß es ſich ſo zugetragen hat, wie Jene meynen, an Zeugniſſen darüber fehlt es uns gänzlich, und nicht einmal für wahr- ſcheinlich kann ich jenen Hergang halten, da das Bedürf- niß von Verträgen der oben beſchriebenen Art ein ſehr natürliches und allgemeines iſt, die ausſchließende Befrie- digung deſſelben durch Strafſtipulationen aber (ſo zweck- mäßig ſie in einzelnen Fällen ſeyn mögen) für ſo unbe- hülflich gehalten werden muß, daß ohne Zweifel eine be- quemere Auskunft ſich bald Bahn gebrochen haben müßte. — Die entgegengeſetzte Möglichkeit würde demnach ſo zu denken ſeyn, daß das ganze Syſtem der Condictionen, wie wir es kennen, mit einemmal entſtanden ſeyn mag. Auch damit iſt die Annahme wohl vereinbar, daß einige Zeit nöthig war, ehe die Begriffe, Formeln, Kunſtausdrücke, zu ihrer völligen, planmäßigen Ausbildung gelangten, worin ſie ſich dann für immer fixirten. Allein eine ſolche nicht ganz augenblickliche formelle Entwicklung würde noch immer ſehr verſchieden ſeyn von derjenigen ſucceſſiven Ver- änderung der Rechtsregeln ſelbſt, die von jenen Schrift- ſtellern als Thatſache angenommen wird; verſchieden be- ſonders auch darin, daß eine Veränderung wie dieſe viel- leicht erſt durch lange Zeiträume hervorgebracht wird, an- ſtatt daß jene Entwicklung in kurzer Zeit vollbracht wer- den kann.
Denjenigen insbeſondere, Welche etwa geneigt ſeyn
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Die Condictionen. XLVII.
In Beziehung auf dieſe Frage muß ich meine Unwiſ-
ſenheit bekennen. Es iſt nicht gerade unmöglich, daß es
ſich ſo zugetragen hat, wie Jene meynen, an Zeugniſſen
darüber fehlt es uns gänzlich, und nicht einmal für wahr-
ſcheinlich kann ich jenen Hergang halten, da das Bedürf-
niß von Verträgen der oben beſchriebenen Art ein ſehr
natürliches und allgemeines iſt, die ausſchließende Befrie-
digung deſſelben durch Strafſtipulationen aber (ſo zweck-
mäßig ſie in einzelnen Fällen ſeyn mögen) für ſo unbe-
hülflich gehalten werden muß, daß ohne Zweifel eine be-
quemere Auskunft ſich bald Bahn gebrochen haben müßte.
— Die entgegengeſetzte Möglichkeit würde demnach ſo zu
denken ſeyn, daß das ganze Syſtem der Condictionen, wie
wir es kennen, mit einemmal entſtanden ſeyn mag. Auch
damit iſt die Annahme wohl vereinbar, daß einige Zeit
nöthig war, ehe die Begriffe, Formeln, Kunſtausdrücke,
zu ihrer völligen, planmäßigen Ausbildung gelangten,
worin ſie ſich dann für immer fixirten. Allein eine ſolche
nicht ganz augenblickliche formelle Entwicklung würde noch
immer ſehr verſchieden ſeyn von derjenigen ſucceſſiven Ver-
änderung der Rechtsregeln ſelbſt, die von jenen Schrift-
ſtellern als Thatſache angenommen wird; verſchieden be-
ſonders auch darin, daß eine Veränderung wie dieſe viel-
leicht erſt durch lange Zeiträume hervorgebracht wird, an-
ſtatt daß jene Entwicklung in kurzer Zeit vollbracht wer-
den kann.
Denjenigen insbeſondere, Welche etwa geneigt ſeyn
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 639. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/653>, abgerufen am 22.12.2024.
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