Betrachten wir den zulezt dargestellten Gegensatz von einem allgemeineren Standpunkt, dem der Römischen Rechts- geschichte überhaupt, so erscheint uns das ordinarium ju- dicium gleichsam als die historische Mitte des Ganzen. In der ältesten Zeit bestand der ganze Prozeß aus den Legis actiones, in welchen, so viel wir wissen, keine In- struction an einen Judex (formula) vorkam. Darauf folgte der Prozeß der ordinaria judicia, welcher ganz auf den formulae beruhte. Endlich, nachdem diese Prozeßform ver- schwunden war, besorgte in dem extraordinarium judicium die Obrigkeit, ohne Judex, das ganze gerichtliche Verfah- ren, so daß nun weder das Bedürfniß, noch die Möglich- keit einer formula vorhanden war. -- Jedoch dürfen wir diese drey Formen des Prozesses nicht so denken, als ob sie der Zeit nach streng geschieden gewesen wären. Neben dem ordo judiciorum dauerte als Ausnahme die Legis actio sacramenti in den Centumviralprozessen fort; eben so fiengen in demselben Zeitraum als Ausnahmen die ex- traordinaria judicia an, so daß die drey Hauptformen des Prozesses gleichzeitig neben einander angewendet wurden. Endlich, nachdem die ordinaria judicia als Regel ver- schwunden waren, kam doch noch als Ausnahme ein Ju- dex in geringfügigen Sachen vor; es ist aber nicht daran zu denken, daß in diesem exceptionellen Verfahren die Um- ständlichkeit der formulae wäre angewendet worden.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Betrachten wir den zulezt dargeſtellten Gegenſatz von einem allgemeineren Standpunkt, dem der Römiſchen Rechts- geſchichte überhaupt, ſo erſcheint uns das ordinarium ju- dicium gleichſam als die hiſtoriſche Mitte des Ganzen. In der älteſten Zeit beſtand der ganze Prozeß aus den Legis actiones, in welchen, ſo viel wir wiſſen, keine In- ſtruction an einen Judex (formula) vorkam. Darauf folgte der Prozeß der ordinaria judicia, welcher ganz auf den formulae beruhte. Endlich, nachdem dieſe Prozeßform ver- ſchwunden war, beſorgte in dem extraordinarium judicium die Obrigkeit, ohne Judex, das ganze gerichtliche Verfah- ren, ſo daß nun weder das Bedürfniß, noch die Möglich- keit einer formula vorhanden war. — Jedoch dürfen wir dieſe drey Formen des Prozeſſes nicht ſo denken, als ob ſie der Zeit nach ſtreng geſchieden geweſen wären. Neben dem ordo judiciorum dauerte als Ausnahme die Legis actio sacramenti in den Centumviralprozeſſen fort; eben ſo fiengen in demſelben Zeitraum als Ausnahmen die ex- traordinaria judicia an, ſo daß die drey Hauptformen des Prozeſſes gleichzeitig neben einander angewendet wurden. Endlich, nachdem die ordinaria judicia als Regel ver- ſchwunden waren, kam doch noch als Ausnahme ein Ju- dex in geringfügigen Sachen vor; es iſt aber nicht daran zu denken, daß in dieſem exceptionellen Verfahren die Um- ſtändlichkeit der formulae wäre angewendet worden.
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Betrachten wir den zulezt dargeſtellten Gegenſatz von
einem allgemeineren Standpunkt, dem der Römiſchen Rechts-
geſchichte überhaupt, ſo erſcheint uns das ordinarium ju-
dicium gleichſam als die hiſtoriſche Mitte des Ganzen.
In der älteſten Zeit beſtand der ganze Prozeß aus den
Legis actiones, in welchen, ſo viel wir wiſſen, keine In-
ſtruction an einen Judex (formula) vorkam. Darauf folgte
der Prozeß der ordinaria judicia, welcher ganz auf den
formulae beruhte. Endlich, nachdem dieſe Prozeßform ver-
ſchwunden war, beſorgte in dem extraordinarium judicium
die Obrigkeit, ohne Judex, das ganze gerichtliche Verfah-
ren, ſo daß nun weder das Bedürfniß, noch die Möglich-
keit einer formula vorhanden war. — Jedoch dürfen wir
dieſe drey Formen des Prozeſſes nicht ſo denken, als ob
ſie der Zeit nach ſtreng geſchieden geweſen wären. Neben
dem ordo judiciorum dauerte als Ausnahme die Legis
actio sacramenti in den Centumviralprozeſſen fort; eben
ſo fiengen in demſelben Zeitraum als Ausnahmen die ex-
traordinaria judicia an, ſo daß die drey Hauptformen des
Prozeſſes gleichzeitig neben einander angewendet wurden.
Endlich, nachdem die ordinaria judicia als Regel ver-
ſchwunden waren, kam doch noch als Ausnahme ein Ju-
dex in geringfügigen Sachen vor; es iſt aber nicht daran
zu denken, daß in dieſem exceptionellen Verfahren die Um-
ſtändlichkeit der formulae wäre angewendet worden.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/80>, abgerufen am 22.12.2024.
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