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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
dem jus gentium an (c): eine Behauptung, die selbst vor
der Entdeckung des Gajus völlig unerlaubt war.

Andere haben gesagt, die verschiedene Schätzungszeit
richte sich gar nicht nach dem Unterschied der strengen und
freien Klagen, sondern nach dem Gegenstand der Obli-
gation; bei Quantitäten soll nach der Zeit der L. C. ge-
schätzt werden, bei individuellen Sachen nach der Zeit des
Urtheils (d). Dabei wird die Hauptstelle des Ulpian,
welche die allgemeinste Regel in klarem, unzweideutigem
Ausspruch enthält (§ 275. b) durch willkührliche Behand-
lung in den Hintergrund gedrängt, besonders aber wird
die Stelle des Gajus (§ 275. m) ohne die ihr gebührende
Beachtung gelassen, welche zuerst von der Condiction auf
Quantitäten sagt, daß nach der Zeit der L. C. geschätzt
werden müsse, und dann die entscheidenden Worte hinzu-
fügt: quod et de ceteris rebus juris est (e).


(c) Cocceji jus controv. XIII.
3 qu.
2 mit der Anmerkung von
Emminghaus. Hier kamen die
wunderlichsten und bodenlosesten
Ansichten über die Classification
der Klagen vor.
(d) Diese schwer zu begreifende
Meinung findet sich bei Donellus,
der sich an mehreren seiner Schrif-
ten sehr weitläufig mit dieser
Stelle beschäftigt hat. Donelli
comm. in var. tit. Dig. Ant-
verp. 1582. f,
und zwar Lib. 12
T. 1 L. 22 N.
5. 19. 21 -- 26,
und Lib. 13 T. 3 L. 3 N. 12.
13. 25. Von der ersten dieser zwei
Stellen wird sogleich erwähnt
werden, welche Merkwürdigkeit sie
außerdem darbietet.
(e) Es wird überhaupt bei den
Erklärungsversuchen zu dieser Stelle
recht anschaulich, wie im R. R.
aller Erfolg der Quellenforschung
davon abhängt, die vorzugsweise
entscheidenden Stellen heraus zu
finden, an die Spitze zu stellen,
und festzuhalten, dabei aber mit
völliger Unbefangenheit zu ver-
fahren, anstatt daß die Meisten,
in schwierigen Fällen wie der vor-
liegende, vorgefaßte Theorieen fer-
tig mitbringen, und diesen die
Quellenzeugnisse gut oder schlecht
anzupassen suchen.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
dem jus gentium an (c): eine Behauptung, die ſelbſt vor
der Entdeckung des Gajus völlig unerlaubt war.

Andere haben geſagt, die verſchiedene Schätzungszeit
richte ſich gar nicht nach dem Unterſchied der ſtrengen und
freien Klagen, ſondern nach dem Gegenſtand der Obli-
gation; bei Quantitäten ſoll nach der Zeit der L. C. ge-
ſchätzt werden, bei individuellen Sachen nach der Zeit des
Urtheils (d). Dabei wird die Hauptſtelle des Ulpian,
welche die allgemeinſte Regel in klarem, unzweideutigem
Ausſpruch enthält (§ 275. b) durch willkührliche Behand-
lung in den Hintergrund gedrängt, beſonders aber wird
die Stelle des Gajus (§ 275. m) ohne die ihr gebührende
Beachtung gelaſſen, welche zuerſt von der Condiction auf
Quantitäten ſagt, daß nach der Zeit der L. C. geſchätzt
werden müſſe, und dann die entſcheidenden Worte hinzu-
fügt: quod et de ceteris rebus juris est (e).


(c) Cocceji jus controv. XIII.
3 qu.
2 mit der Anmerkung von
Emminghaus. Hier kamen die
wunderlichſten und bodenloſeſten
Anſichten über die Claſſification
der Klagen vor.
(d) Dieſe ſchwer zu begreifende
Meinung findet ſich bei Donellus,
der ſich an mehreren ſeiner Schrif-
ten ſehr weitläufig mit dieſer
Stelle beſchäftigt hat. Donelli
comm. in var. tit. Dig. Ant-
verp. 1582. f,
und zwar Lib. 12
T. 1 L. 22 N.
5. 19. 21 — 26,
und Lib. 13 T. 3 L. 3 N. 12.
13. 25. Von der erſten dieſer zwei
Stellen wird ſogleich erwähnt
werden, welche Merkwürdigkeit ſie
außerdem darbietet.
(e) Es wird überhaupt bei den
Erklärungsverſuchen zu dieſer Stelle
recht anſchaulich, wie im R. R.
aller Erfolg der Quellenforſchung
davon abhängt, die vorzugsweiſe
entſcheidenden Stellen heraus zu
finden, an die Spitze zu ſtellen,
und feſtzuhalten, dabei aber mit
völliger Unbefangenheit zu ver-
fahren, anſtatt daß die Meiſten,
in ſchwierigen Fällen wie der vor-
liegende, vorgefaßte Theorieen fer-
tig mitbringen, und dieſen die
Quellenzeugniſſe gut oder ſchlecht
anzupaſſen ſuchen.
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[218/0236] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. dem jus gentium an (c): eine Behauptung, die ſelbſt vor der Entdeckung des Gajus völlig unerlaubt war. Andere haben geſagt, die verſchiedene Schätzungszeit richte ſich gar nicht nach dem Unterſchied der ſtrengen und freien Klagen, ſondern nach dem Gegenſtand der Obli- gation; bei Quantitäten ſoll nach der Zeit der L. C. ge- ſchätzt werden, bei individuellen Sachen nach der Zeit des Urtheils (d). Dabei wird die Hauptſtelle des Ulpian, welche die allgemeinſte Regel in klarem, unzweideutigem Ausſpruch enthält (§ 275. b) durch willkührliche Behand- lung in den Hintergrund gedrängt, beſonders aber wird die Stelle des Gajus (§ 275. m) ohne die ihr gebührende Beachtung gelaſſen, welche zuerſt von der Condiction auf Quantitäten ſagt, daß nach der Zeit der L. C. geſchätzt werden müſſe, und dann die entſcheidenden Worte hinzu- fügt: quod et de ceteris rebus juris est (e). (c) Cocceji jus controv. XIII. 3 qu. 2 mit der Anmerkung von Emminghaus. Hier kamen die wunderlichſten und bodenloſeſten Anſichten über die Claſſification der Klagen vor. (d) Dieſe ſchwer zu begreifende Meinung findet ſich bei Donellus, der ſich an mehreren ſeiner Schrif- ten ſehr weitläufig mit dieſer Stelle beſchäftigt hat. Donelli comm. in var. tit. Dig. Ant- verp. 1582. f, und zwar Lib. 12 T. 1 L. 22 N. 5. 19. 21 — 26, und Lib. 13 T. 3 L. 3 N. 12. 13. 25. Von der erſten dieſer zwei Stellen wird ſogleich erwähnt werden, welche Merkwürdigkeit ſie außerdem darbietet. (e) Es wird überhaupt bei den Erklärungsverſuchen zu dieſer Stelle recht anſchaulich, wie im R. R. aller Erfolg der Quellenforſchung davon abhängt, die vorzugsweiſe entſcheidenden Stellen heraus zu finden, an die Spitze zu ſtellen, und feſtzuhalten, dabei aber mit völliger Unbefangenheit zu ver- fahren, anſtatt daß die Meiſten, in ſchwierigen Fällen wie der vor- liegende, vorgefaßte Theorieen fer- tig mitbringen, und dieſen die Quellenzeugniſſe gut oder ſchlecht anzupaſſen ſuchen.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/236>, abgerufen am 24.11.2024.