Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
que judicati finem sufficere, probabili ratione placuit;
ne aliter modus litium multiplicatus summam atque
inexplicabilem faciat difficultatem, maxime si diversa
pronuntiarentur. Parere ergo exceptionem
(e) rei
judicatae frequens est.


falsch wäre, da man oft zwischen
vielen Klagen die Wahl hat.
Singulas actiones sufficere heißt
vielmehr: man soll nicht mehrmals
aus demselben Rechtsgrund klagen.
Es ist der Ausdruck für die Kla-
genconsumtion, also derselbe Ge-
danke, wie in dem alten Rechts-
spruch, welchen Quinctilian. inst.
or. VII.
6 anführt, indem er dessen
zweideutige Fassung bemerklich
macht: "quod scriptum est:
bis de eadem re ne sit actio."
(e) Dieses ist die Florentinische
Leseart; die Vulgata hat excep-
tioni.
Man sollte kaum glauben,
wie mancherlei Erklärungen diese
wenigen Schlußworte der Stelle
zulassen. Nach der Vulgata kön-
nen sie nur so verstanden werden:
es geschieht häufig, daß man der
exc. rei judicatae gehorchen
(Folge leisten) muß. So versteht
die Stelle Cujacius recit. in
Paulum ad ed. lib.
70; dabei
fehlt es aber an der Andeutung
eines gehorchenden Subjects. --
Nach der Florentina kann man
auf zweierlei Weise erklären. Zu-
erst wenn man liest: parere, und
nun so deutet: es geschieht häufig,
daß eine exc. r. j. erzeugt wird.
So versteht die Stelle Brissonius
v. parere N.
3; dabei aber fehlt
wieder die Andeutung des erzeu-
genden Subjects, so daß dieser
Gedanke nur durch: nasci excep-
tionem,
oder durch: sententiam
parere exceptionem
fehlerfrei
und ohne Härte ausgedrückt werden
könnte. -- Zweitens indem man
liest parere, in dem Sinn von
apparere, also mit diesem Ge-
danken: es geschieht oft, daß die
exc. r. j. erscheint, gebraucht
wird. Diese letzte Erklärung ist
wenigstens frei von den Einwen-
dungen, welchen die beiden ersten
unterliegen. -- Eine sehr beschei-
dene, alle Schwierigkeiten lösende,
Emendation wäre diese: parere
ergo exceptionem rem judica-
tam
frequens est.
(Vergl. als
Parallelstelle L. 7 § 4 de pactis
"Nuda pactio
obligationem non
parit, sed parit exceptionem,"

und L. 7 pr. eod.). Die Ent-
stehung des gegenwärtigen Textes
würde sich dann theils aus der
Überschrift des Titels, theils aus
der etwas versteckten Construction
des Satzes, leicht und befriedigend
erklären.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
que judicati finem sufficere, probabili ratione placuit;
ne aliter modus litium multiplicatus summam atque
inexplicabilem faciat difficultatem, maxime si diversa
pronuntiarentur. Parere ergo exceptionem
(e) rei
judicatae frequens est.


falſch wäre, da man oft zwiſchen
vielen Klagen die Wahl hat.
Singulas actiones sufficere heißt
vielmehr: man ſoll nicht mehrmals
aus demſelben Rechtsgrund klagen.
Es iſt der Ausdruck für die Kla-
genconſumtion, alſo derſelbe Ge-
danke, wie in dem alten Rechts-
ſpruch, welchen Quinctilian. inst.
or. VII.
6 anführt, indem er deſſen
zweideutige Faſſung bemerklich
macht: „quod scriptum est:
bis de eadem re ne sit actio.“
(e) Dieſes iſt die Florentiniſche
Leſeart; die Vulgata hat excep-
tioni.
Man ſollte kaum glauben,
wie mancherlei Erklärungen dieſe
wenigen Schlußworte der Stelle
zulaſſen. Nach der Vulgata kön-
nen ſie nur ſo verſtanden werden:
es geſchieht häufig, daß man der
exc. rei judicatae gehorchen
(Folge leiſten) muß. So verſteht
die Stelle Cujacius recit. in
Paulum ad ed. lib.
70; dabei
fehlt es aber an der Andeutung
eines gehorchenden Subjects. —
Nach der Florentina kann man
auf zweierlei Weiſe erklären. Zu-
erſt wenn man lieſt: parĕre, und
nun ſo deutet: es geſchieht häufig,
daß eine exc. r. j. erzeugt wird.
So verſteht die Stelle Brissonius
v. parĕre N.
3; dabei aber fehlt
wieder die Andeutung des erzeu-
genden Subjects, ſo daß dieſer
Gedanke nur durch: nasci excep-
tionem,
oder durch: sententiam
parere exceptionem
fehlerfrei
und ohne Härte ausgedrückt werden
könnte. — Zweitens indem man
lieſt parēre, in dem Sinn von
apparere, alſo mit dieſem Ge-
danken: es geſchieht oft, daß die
exc. r. j. erſcheint, gebraucht
wird. Dieſe letzte Erklärung iſt
wenigſtens frei von den Einwen-
dungen, welchen die beiden erſten
unterliegen. — Eine ſehr beſchei-
dene, alle Schwierigkeiten löſende,
Emendation wäre dieſe: parĕre
ergo exceptionem rem judica-
tam
frequens est.
(Vergl. als
Parallelſtelle L. 7 § 4 de pactis
„Nuda pactio
obligationem non
parit, sed parit exceptionem,“

und L. 7 pr. eod.). Die Ent-
ſtehung des gegenwärtigen Textes
würde ſich dann theils aus der
Überſchrift des Titels, theils aus
der etwas verſteckten Conſtruction
des Satzes, leicht und befriedigend
erklären.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <list>
              <item> <hi rendition="#et">
                  <pb facs="#f0280" n="262"/>
                  <fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/> <hi rendition="#aq">que judicati finem sufficere, probabili ratione placuit;<lb/>
ne aliter modus litium multiplicatus summam atque<lb/>
inexplicabilem faciat difficultatem, maxime si diversa<lb/>
pronuntiarentur. Parere ergo exceptionem</hi> <note place="foot" n="(e)">Die&#x017F;es i&#x017F;t die Florentini&#x017F;che<lb/>
Le&#x017F;eart; die Vulgata hat <hi rendition="#aq">excep-<lb/>
tioni.</hi> Man &#x017F;ollte kaum glauben,<lb/>
wie mancherlei Erklärungen die&#x017F;e<lb/>
wenigen Schlußworte der Stelle<lb/>
zula&#x017F;&#x017F;en. Nach der Vulgata kön-<lb/>
nen &#x017F;ie nur &#x017F;o ver&#x017F;tanden werden:<lb/>
es ge&#x017F;chieht häufig, daß man der<lb/><hi rendition="#aq">exc. rei judicatae</hi> <hi rendition="#g">gehorchen</hi><lb/>
(Folge lei&#x017F;ten) muß. So ver&#x017F;teht<lb/>
die Stelle <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Cujacius</hi> recit. in<lb/>
Paulum ad ed. lib.</hi> 70; dabei<lb/>
fehlt es aber an der Andeutung<lb/>
eines gehorchenden Subjects. &#x2014;<lb/>
Nach der Florentina kann man<lb/>
auf zweierlei Wei&#x017F;e erklären. Zu-<lb/>
er&#x017F;t wenn man lie&#x017F;t: <hi rendition="#aq">par&#x0115;re,</hi> und<lb/>
nun &#x017F;o deutet: es ge&#x017F;chieht häufig,<lb/>
daß eine <hi rendition="#aq">exc. r. j.</hi> <hi rendition="#g">erzeugt wird</hi>.<lb/>
So ver&#x017F;teht die Stelle <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Brissonius</hi><lb/>
v. par&#x0115;re N.</hi> 3; dabei aber fehlt<lb/>
wieder die Andeutung des erzeu-<lb/>
genden Subjects, &#x017F;o daß die&#x017F;er<lb/>
Gedanke nur durch: <hi rendition="#aq">nasci excep-<lb/>
tionem,</hi> oder durch: <hi rendition="#aq">sententiam<lb/>
parere exceptionem</hi> fehlerfrei<lb/>
und ohne Härte ausgedrückt werden<lb/>
könnte. &#x2014; Zweitens indem man<lb/>
lie&#x017F;t <hi rendition="#aq">par&#x0113;re,</hi> in dem Sinn von<lb/><hi rendition="#aq">apparere,</hi> al&#x017F;o mit die&#x017F;em Ge-<lb/>
danken: es ge&#x017F;chieht oft, daß die<lb/><hi rendition="#aq">exc. r. j.</hi> <hi rendition="#g">er&#x017F;cheint</hi>, gebraucht<lb/>
wird. Die&#x017F;e letzte Erklärung i&#x017F;t<lb/>
wenig&#x017F;tens frei von den Einwen-<lb/>
dungen, welchen die beiden er&#x017F;ten<lb/>
unterliegen. &#x2014; Eine &#x017F;ehr be&#x017F;chei-<lb/>
dene, alle Schwierigkeiten lö&#x017F;ende,<lb/>
Emendation wäre die&#x017F;e: <hi rendition="#aq">par&#x0115;re<lb/>
ergo exceptionem <hi rendition="#i">rem judica-<lb/>
tam</hi> frequens est.</hi> (Vergl. als<lb/>
Parallel&#x017F;telle <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 7 § 4 <hi rendition="#i">de pactis<lb/>
&#x201E;Nuda pactio</hi> obligationem non<lb/>
parit, sed <hi rendition="#i">parit exceptionem,&#x201C;</hi></hi><lb/>
und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 7 <hi rendition="#i">pr. eod.).</hi></hi> Die Ent-<lb/>
&#x017F;tehung des gegenwärtigen Textes<lb/>
würde &#x017F;ich dann theils aus der<lb/>
Über&#x017F;chrift des Titels, theils aus<lb/>
der etwas ver&#x017F;teckten Con&#x017F;truction<lb/>
des Satzes, leicht und befriedigend<lb/>
erklären.</note> <hi rendition="#aq">rei<lb/>
judicatae frequens est.</hi> </hi> </item>
            </list><lb/>
            <p>
              <note xml:id="seg2pn_36_2" prev="#seg2pn_36_1" place="foot" n="(d)">fal&#x017F;ch wäre, da man oft zwi&#x017F;chen<lb/>
vielen Klagen die Wahl hat.<lb/><hi rendition="#aq">Singulas actiones sufficere</hi> heißt<lb/>
vielmehr: man &#x017F;oll nicht mehrmals<lb/>
aus dem&#x017F;elben Rechtsgrund klagen.<lb/>
Es i&#x017F;t der Ausdruck für die Kla-<lb/>
gencon&#x017F;umtion, al&#x017F;o der&#x017F;elbe Ge-<lb/>
danke, wie in dem alten Rechts-<lb/>
&#x017F;pruch, welchen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Quinctilian</hi>. inst.<lb/>
or. VII.</hi> 6 anführt, indem er de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
zweideutige Fa&#x017F;&#x017F;ung bemerklich<lb/>
macht: <hi rendition="#aq">&#x201E;quod scriptum est:<lb/><hi rendition="#i">bis de eadem re ne sit actio.&#x201C;</hi></hi></note>
            </p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[262/0280] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. que judicati finem sufficere, probabili ratione placuit; ne aliter modus litium multiplicatus summam atque inexplicabilem faciat difficultatem, maxime si diversa pronuntiarentur. Parere ergo exceptionem (e) rei judicatae frequens est. (d) (e) Dieſes iſt die Florentiniſche Leſeart; die Vulgata hat excep- tioni. Man ſollte kaum glauben, wie mancherlei Erklärungen dieſe wenigen Schlußworte der Stelle zulaſſen. Nach der Vulgata kön- nen ſie nur ſo verſtanden werden: es geſchieht häufig, daß man der exc. rei judicatae gehorchen (Folge leiſten) muß. So verſteht die Stelle Cujacius recit. in Paulum ad ed. lib. 70; dabei fehlt es aber an der Andeutung eines gehorchenden Subjects. — Nach der Florentina kann man auf zweierlei Weiſe erklären. Zu- erſt wenn man lieſt: parĕre, und nun ſo deutet: es geſchieht häufig, daß eine exc. r. j. erzeugt wird. So verſteht die Stelle Brissonius v. parĕre N. 3; dabei aber fehlt wieder die Andeutung des erzeu- genden Subjects, ſo daß dieſer Gedanke nur durch: nasci excep- tionem, oder durch: sententiam parere exceptionem fehlerfrei und ohne Härte ausgedrückt werden könnte. — Zweitens indem man lieſt parēre, in dem Sinn von apparere, alſo mit dieſem Ge- danken: es geſchieht oft, daß die exc. r. j. erſcheint, gebraucht wird. Dieſe letzte Erklärung iſt wenigſtens frei von den Einwen- dungen, welchen die beiden erſten unterliegen. — Eine ſehr beſchei- dene, alle Schwierigkeiten löſende, Emendation wäre dieſe: parĕre ergo exceptionem rem judica- tam frequens est. (Vergl. als Parallelſtelle L. 7 § 4 de pactis „Nuda pactio obligationem non parit, sed parit exceptionem,“ und L. 7 pr. eod.). Die Ent- ſtehung des gegenwärtigen Textes würde ſich dann theils aus der Überſchrift des Titels, theils aus der etwas verſteckten Conſtruction des Satzes, leicht und befriedigend erklären. (d) falſch wäre, da man oft zwiſchen vielen Klagen die Wahl hat. Singulas actiones sufficere heißt vielmehr: man ſoll nicht mehrmals aus demſelben Rechtsgrund klagen. Es iſt der Ausdruck für die Kla- genconſumtion, alſo derſelbe Ge- danke, wie in dem alten Rechts- ſpruch, welchen Quinctilian. inst. or. VII. 6 anführt, indem er deſſen zweideutige Faſſung bemerklich macht: „quod scriptum est: bis de eadem re ne sit actio.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/280
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/280>, abgerufen am 22.11.2024.