Die hier aufgestellten Sätze über den wahren Inhalt eines verurtheilenden Erkenntnisses sind aus der allgemei- nen Betrachtung des Wesens eines solchen Urtheils abge- leitet, und haben daher keine geschichtliche Natur. Aus dem eigenthümlichen Entwicklungsgang des Römischen Rechts aber können Zweifel hergenommen werden, ob es sich so in der That zu allen Zeiten und bei allen Arten der Klagen verhalten habe.
Zu einem solchen Zweifel veranlaßt uns die sehr eigen- thümliche, während der ganzen Zeit des Formularprozesses geltende Regel, nach welcher alle Condemnationen nur auf Zahlung einer Geldsumme gerichtet werden konnten (b). Hiernach scheint es, daß die Verurtheilung auch bei den Klagen in rem, gerade so, wie bei den persönlichen Klagen, nur eine Leistung des Beklagten ausgesprochen, nicht ein Recht des Klägers anerkannt hätte.
Bevor die Lösung dieses Zweifels versucht wird, sind zuerst die Gränzen anzugeben, innerhalb welcher allein der- selbe geltend gemacht werden kann.
Im ältesten Recht, d. h. vor der Einführung der for- mulae, galt jene Eigenthümlichkeil nicht, und eben so hat sie völlig aufgehört und ist Alles in das natürliche Verhält- niß zurückgekehrt seit der Abschaffung des Formularprozesses, indem nunmehr wieder, so wie in der ältesten Zeit, auf die Herausgabe des streitigen Gegenstandes selbst, nicht auf
(b)Gajus IV. § 48.
§. 287. Inhalt. Verurtheilung.
Die hier aufgeſtellten Sätze über den wahren Inhalt eines verurtheilenden Erkenntniſſes ſind aus der allgemei- nen Betrachtung des Weſens eines ſolchen Urtheils abge- leitet, und haben daher keine geſchichtliche Natur. Aus dem eigenthümlichen Entwicklungsgang des Römiſchen Rechts aber können Zweifel hergenommen werden, ob es ſich ſo in der That zu allen Zeiten und bei allen Arten der Klagen verhalten habe.
Zu einem ſolchen Zweifel veranlaßt uns die ſehr eigen- thümliche, während der ganzen Zeit des Formularprozeſſes geltende Regel, nach welcher alle Condemnationen nur auf Zahlung einer Geldſumme gerichtet werden konnten (b). Hiernach ſcheint es, daß die Verurtheilung auch bei den Klagen in rem, gerade ſo, wie bei den perſönlichen Klagen, nur eine Leiſtung des Beklagten ausgeſprochen, nicht ein Recht des Klägers anerkannt hätte.
Bevor die Löſung dieſes Zweifels verſucht wird, ſind zuerſt die Gränzen anzugeben, innerhalb welcher allein der- ſelbe geltend gemacht werden kann.
Im älteſten Recht, d. h. vor der Einführung der for- mulae, galt jene Eigenthümlichkeil nicht, und eben ſo hat ſie völlig aufgehört und iſt Alles in das natürliche Verhält- niß zurückgekehrt ſeit der Abſchaffung des Formularprozeſſes, indem nunmehr wieder, ſo wie in der älteſten Zeit, auf die Herausgabe des ſtreitigen Gegenſtandes ſelbſt, nicht auf
(b)Gajus IV. § 48.
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§. 287. Inhalt. Verurtheilung.
Die hier aufgeſtellten Sätze über den wahren Inhalt
eines verurtheilenden Erkenntniſſes ſind aus der allgemei-
nen Betrachtung des Weſens eines ſolchen Urtheils abge-
leitet, und haben daher keine geſchichtliche Natur. Aus
dem eigenthümlichen Entwicklungsgang des Römiſchen
Rechts aber können Zweifel hergenommen werden, ob es
ſich ſo in der That zu allen Zeiten und bei allen Arten
der Klagen verhalten habe.
Zu einem ſolchen Zweifel veranlaßt uns die ſehr eigen-
thümliche, während der ganzen Zeit des Formularprozeſſes
geltende Regel, nach welcher alle Condemnationen nur auf
Zahlung einer Geldſumme gerichtet werden konnten (b).
Hiernach ſcheint es, daß die Verurtheilung auch bei den
Klagen in rem, gerade ſo, wie bei den perſönlichen Klagen,
nur eine Leiſtung des Beklagten ausgeſprochen, nicht ein
Recht des Klägers anerkannt hätte.
Bevor die Löſung dieſes Zweifels verſucht wird, ſind
zuerſt die Gränzen anzugeben, innerhalb welcher allein der-
ſelbe geltend gemacht werden kann.
Im älteſten Recht, d. h. vor der Einführung der for-
mulae, galt jene Eigenthümlichkeil nicht, und eben ſo hat
ſie völlig aufgehört und iſt Alles in das natürliche Verhält-
niß zurückgekehrt ſeit der Abſchaffung des Formularprozeſſes,
indem nunmehr wieder, ſo wie in der älteſten Zeit, auf die
Herausgabe des ſtreitigen Gegenſtandes ſelbſt, nicht auf
(b) Gajus IV. § 48.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/333>, abgerufen am 25.11.2024.
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