Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 287. Inhalt. Verurtheilung.

Die hier aufgestellten Sätze über den wahren Inhalt
eines verurtheilenden Erkenntnisses sind aus der allgemei-
nen Betrachtung des Wesens eines solchen Urtheils abge-
leitet, und haben daher keine geschichtliche Natur. Aus
dem eigenthümlichen Entwicklungsgang des Römischen
Rechts aber können Zweifel hergenommen werden, ob es
sich so in der That zu allen Zeiten und bei allen Arten
der Klagen verhalten habe.

Zu einem solchen Zweifel veranlaßt uns die sehr eigen-
thümliche, während der ganzen Zeit des Formularprozesses
geltende Regel, nach welcher alle Condemnationen nur auf
Zahlung einer Geldsumme gerichtet werden konnten (b).
Hiernach scheint es, daß die Verurtheilung auch bei den
Klagen in rem, gerade so, wie bei den persönlichen Klagen,
nur eine Leistung des Beklagten ausgesprochen, nicht ein
Recht des Klägers anerkannt hätte.

Bevor die Lösung dieses Zweifels versucht wird, sind
zuerst die Gränzen anzugeben, innerhalb welcher allein der-
selbe geltend gemacht werden kann.

Im ältesten Recht, d. h. vor der Einführung der for-
mulae,
galt jene Eigenthümlichkeil nicht, und eben so hat
sie völlig aufgehört und ist Alles in das natürliche Verhält-
niß zurückgekehrt seit der Abschaffung des Formularprozesses,
indem nunmehr wieder, so wie in der ältesten Zeit, auf die
Herausgabe des streitigen Gegenstandes selbst, nicht auf

(b) Gajus IV. § 48.
§. 287. Inhalt. Verurtheilung.

Die hier aufgeſtellten Sätze über den wahren Inhalt
eines verurtheilenden Erkenntniſſes ſind aus der allgemei-
nen Betrachtung des Weſens eines ſolchen Urtheils abge-
leitet, und haben daher keine geſchichtliche Natur. Aus
dem eigenthümlichen Entwicklungsgang des Römiſchen
Rechts aber können Zweifel hergenommen werden, ob es
ſich ſo in der That zu allen Zeiten und bei allen Arten
der Klagen verhalten habe.

Zu einem ſolchen Zweifel veranlaßt uns die ſehr eigen-
thümliche, während der ganzen Zeit des Formularprozeſſes
geltende Regel, nach welcher alle Condemnationen nur auf
Zahlung einer Geldſumme gerichtet werden konnten (b).
Hiernach ſcheint es, daß die Verurtheilung auch bei den
Klagen in rem, gerade ſo, wie bei den perſönlichen Klagen,
nur eine Leiſtung des Beklagten ausgeſprochen, nicht ein
Recht des Klägers anerkannt hätte.

Bevor die Löſung dieſes Zweifels verſucht wird, ſind
zuerſt die Gränzen anzugeben, innerhalb welcher allein der-
ſelbe geltend gemacht werden kann.

Im älteſten Recht, d. h. vor der Einführung der for-
mulae,
galt jene Eigenthümlichkeil nicht, und eben ſo hat
ſie völlig aufgehört und iſt Alles in das natürliche Verhält-
niß zurückgekehrt ſeit der Abſchaffung des Formularprozeſſes,
indem nunmehr wieder, ſo wie in der älteſten Zeit, auf die
Herausgabe des ſtreitigen Gegenſtandes ſelbſt, nicht auf

(b) Gajus IV. § 48.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0333" n="315"/>
            <fw place="top" type="header">§. 287. Inhalt. Verurtheilung.</fw><lb/>
            <p>Die hier aufge&#x017F;tellten Sätze über den wahren Inhalt<lb/>
eines verurtheilenden Erkenntni&#x017F;&#x017F;es &#x017F;ind aus der allgemei-<lb/>
nen Betrachtung des We&#x017F;ens eines &#x017F;olchen Urtheils abge-<lb/>
leitet, und haben daher keine ge&#x017F;chichtliche Natur. Aus<lb/>
dem eigenthümlichen Entwicklungsgang des Römi&#x017F;chen<lb/>
Rechts aber können Zweifel hergenommen werden, ob es<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;o in der That zu allen Zeiten und bei allen Arten<lb/>
der Klagen verhalten habe.</p><lb/>
            <p>Zu einem &#x017F;olchen Zweifel veranlaßt uns die &#x017F;ehr eigen-<lb/>
thümliche, während der ganzen Zeit des Formularproze&#x017F;&#x017F;es<lb/>
geltende Regel, nach welcher alle Condemnationen nur auf<lb/>
Zahlung einer Geld&#x017F;umme gerichtet werden konnten <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Gajus</hi> IV.</hi> § 48.</note>.<lb/>
Hiernach &#x017F;cheint es, daß die Verurtheilung auch bei den<lb/>
Klagen <hi rendition="#aq">in rem,</hi> gerade &#x017F;o, wie bei den per&#x017F;önlichen Klagen,<lb/>
nur eine Lei&#x017F;tung des Beklagten ausge&#x017F;prochen, nicht ein<lb/>
Recht des Klägers anerkannt hätte.</p><lb/>
            <p>Bevor die Lö&#x017F;ung die&#x017F;es Zweifels ver&#x017F;ucht wird, &#x017F;ind<lb/>
zuer&#x017F;t die Gränzen anzugeben, innerhalb welcher allein der-<lb/>
&#x017F;elbe geltend gemacht werden kann.</p><lb/>
            <p>Im älte&#x017F;ten Recht, d. h. vor der Einführung der <hi rendition="#aq">for-<lb/>
mulae,</hi> galt jene Eigenthümlichkeil nicht, und eben &#x017F;o hat<lb/>
&#x017F;ie völlig aufgehört und i&#x017F;t Alles in das natürliche Verhält-<lb/>
niß zurückgekehrt &#x017F;eit der Ab&#x017F;chaffung des Formularproze&#x017F;&#x017F;es,<lb/>
indem nunmehr wieder, &#x017F;o wie in der älte&#x017F;ten Zeit, auf die<lb/>
Herausgabe des &#x017F;treitigen Gegen&#x017F;tandes &#x017F;elb&#x017F;t, nicht auf<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[315/0333] §. 287. Inhalt. Verurtheilung. Die hier aufgeſtellten Sätze über den wahren Inhalt eines verurtheilenden Erkenntniſſes ſind aus der allgemei- nen Betrachtung des Weſens eines ſolchen Urtheils abge- leitet, und haben daher keine geſchichtliche Natur. Aus dem eigenthümlichen Entwicklungsgang des Römiſchen Rechts aber können Zweifel hergenommen werden, ob es ſich ſo in der That zu allen Zeiten und bei allen Arten der Klagen verhalten habe. Zu einem ſolchen Zweifel veranlaßt uns die ſehr eigen- thümliche, während der ganzen Zeit des Formularprozeſſes geltende Regel, nach welcher alle Condemnationen nur auf Zahlung einer Geldſumme gerichtet werden konnten (b). Hiernach ſcheint es, daß die Verurtheilung auch bei den Klagen in rem, gerade ſo, wie bei den perſönlichen Klagen, nur eine Leiſtung des Beklagten ausgeſprochen, nicht ein Recht des Klägers anerkannt hätte. Bevor die Löſung dieſes Zweifels verſucht wird, ſind zuerſt die Gränzen anzugeben, innerhalb welcher allein der- ſelbe geltend gemacht werden kann. Im älteſten Recht, d. h. vor der Einführung der for- mulae, galt jene Eigenthümlichkeil nicht, und eben ſo hat ſie völlig aufgehört und iſt Alles in das natürliche Verhält- niß zurückgekehrt ſeit der Abſchaffung des Formularprozeſſes, indem nunmehr wieder, ſo wie in der älteſten Zeit, auf die Herausgabe des ſtreitigen Gegenſtandes ſelbſt, nicht auf (b) Gajus IV. § 48.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/333
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/333>, abgerufen am 25.11.2024.