Der entscheidendste Fall aber, welcher beweist, daß die Römischen Juristen die Gründe der Entscheidung mit in das Gebiet der Rechtskraft gezogen haben, ist diejenige Art der Eigenthumsklage, welche per sponsionem geführt wurde (h).
Drittens endlich finden sich mehrere Stellen des Römi- schen Rechts, worin die Anwendung der Rechtskraft auf einen künftigen Rechtsstreit geradezu und wörtlich von dem Umstande abhängig gemacht wird, aus welchem Grunde ein früherer Ausspruch erlassen worden ist, worin wir also auf die Erforschung und Berücksichtigung dieses Grundes unmittelbar angewiesen werden (i).
Die bisher angestellte Untersuchung hat zu dem Ergeb- niß geführt, daß die Rechtskraft nicht blos der Entschei- dung selbst (Verurtheilung oder Freisprechung), sondern auch den objectiven Gründen derselben, zugeschrieben werden muß, d. h. daß diese Gründe als integrirende Theile des Urtheils anzusehen sind, der Umfang der Rechts- kraft also stets durch den Inhalt des Urtheils in Ver- bindung mit jenen Gründen bestimmt werden muß.
(h) Vgl. unten § 292 f.
(i) Dahin gehören folgende Stellen: L. 17 de exc. r. j. (44. 2) "Si rem meam a te petiero, tu autem ideo fueris absolutus, quod probaveris sine dolo malo te desisse possidere ... non nocebit mihi exceptio rei judicatae." -- L. 18 pr. eod. "Si ... absolutus fuerit ad- versarius, quia non possidebat ... rei judicatae exceptio lo- cum non habebit." -- Eben so L. 9 pr. eod.
VI. 24
§. 291. Rechtskraft der Gründe.
Der entſcheidendſte Fall aber, welcher beweiſt, daß die Römiſchen Juriſten die Gründe der Entſcheidung mit in das Gebiet der Rechtskraft gezogen haben, iſt diejenige Art der Eigenthumsklage, welche per sponsionem geführt wurde (h).
Drittens endlich finden ſich mehrere Stellen des Römi- ſchen Rechts, worin die Anwendung der Rechtskraft auf einen künftigen Rechtsſtreit geradezu und wörtlich von dem Umſtande abhängig gemacht wird, aus welchem Grunde ein früherer Ausſpruch erlaſſen worden iſt, worin wir alſo auf die Erforſchung und Berückſichtigung dieſes Grundes unmittelbar angewieſen werden (i).
Die bisher angeſtellte Unterſuchung hat zu dem Ergeb- niß geführt, daß die Rechtskraft nicht blos der Entſchei- dung ſelbſt (Verurtheilung oder Freiſprechung), ſondern auch den objectiven Gründen derſelben, zugeſchrieben werden muß, d. h. daß dieſe Gründe als integrirende Theile des Urtheils anzuſehen ſind, der Umfang der Rechts- kraft alſo ſtets durch den Inhalt des Urtheils in Ver- bindung mit jenen Gründen beſtimmt werden muß.
(h) Vgl. unten § 292 f.
(i) Dahin gehören folgende Stellen: L. 17 de exc. r. j. (44. 2) „Si rem meam a te petiero, tu autem ideo fueris absolutus, quod probaveris sine dolo malo te desisse possidere … non nocebit mihi exceptio rei judicatae.“ — L. 18 pr. eod. „Si … absolutus fuerit ad- versarius, quia non possidebat … rei judicatae exceptio lo- cum non habebit.“ — Eben ſo L. 9 pr. eod.
VI. 24
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0387"n="369"/><fwplace="top"type="header">§. 291. Rechtskraft der Gründe.</fw><lb/><p>Der entſcheidendſte Fall aber, welcher beweiſt, daß die<lb/>
Römiſchen Juriſten die Gründe der Entſcheidung mit in<lb/>
das Gebiet der Rechtskraft gezogen haben, iſt diejenige<lb/>
Art der Eigenthumsklage, welche <hirendition="#aq">per sponsionem</hi> geführt<lb/>
wurde <noteplace="foot"n="(h)">Vgl. unten § 292 <hirendition="#aq">f.</hi></note>.</p><lb/><p>Drittens endlich finden ſich mehrere Stellen des Römi-<lb/>ſchen Rechts, worin die Anwendung der Rechtskraft auf<lb/>
einen künftigen Rechtsſtreit geradezu und wörtlich von dem<lb/>
Umſtande abhängig gemacht wird, <hirendition="#g">aus welchem Grunde</hi><lb/>
ein früherer Ausſpruch erlaſſen worden iſt, worin wir<lb/>
alſo auf die Erforſchung und Berückſichtigung dieſes Grundes<lb/>
unmittelbar angewieſen werden <noteplace="foot"n="(i)">Dahin gehören folgende<lb/>
Stellen: <hirendition="#aq"><hirendition="#i">L.</hi> 17 <hirendition="#i">de exc. r. j.</hi><lb/>
(44. 2) „Si rem meam a te<lb/>
petiero, tu autem <hirendition="#i">ideo</hi> fueris<lb/>
absolutus, <hirendition="#i">quod</hi> probaveris sine<lb/>
dolo malo te desisse possidere<lb/>… non nocebit mihi exceptio<lb/>
rei judicatae.“—<hirendition="#i">L.</hi> 18 <hirendition="#i">pr.<lb/>
eod.</hi>„Si … absolutus fuerit ad-<lb/>
versarius, <hirendition="#i">quia</hi> non possidebat<lb/>… rei judicatae exceptio lo-<lb/>
cum non habebit.“</hi>— Eben ſo<lb/><hirendition="#aq"><hirendition="#i">L.</hi> 9 <hirendition="#i">pr. eod.</hi></hi></note>.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Die bisher angeſtellte Unterſuchung hat zu dem Ergeb-<lb/>
niß geführt, daß die Rechtskraft nicht blos der Entſchei-<lb/>
dung ſelbſt (Verurtheilung oder Freiſprechung), ſondern<lb/>
auch den objectiven Gründen derſelben, zugeſchrieben<lb/>
werden muß, d. h. daß dieſe Gründe als integrirende<lb/>
Theile des Urtheils anzuſehen ſind, der Umfang der Rechts-<lb/>
kraft alſo ſtets durch den Inhalt des Urtheils <hirendition="#g">in Ver-<lb/>
bindung mit jenen Gründen</hi> beſtimmt werden muß.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq">VI.</hi> 24</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[369/0387]
§. 291. Rechtskraft der Gründe.
Der entſcheidendſte Fall aber, welcher beweiſt, daß die
Römiſchen Juriſten die Gründe der Entſcheidung mit in
das Gebiet der Rechtskraft gezogen haben, iſt diejenige
Art der Eigenthumsklage, welche per sponsionem geführt
wurde (h).
Drittens endlich finden ſich mehrere Stellen des Römi-
ſchen Rechts, worin die Anwendung der Rechtskraft auf
einen künftigen Rechtsſtreit geradezu und wörtlich von dem
Umſtande abhängig gemacht wird, aus welchem Grunde
ein früherer Ausſpruch erlaſſen worden iſt, worin wir
alſo auf die Erforſchung und Berückſichtigung dieſes Grundes
unmittelbar angewieſen werden (i).
Die bisher angeſtellte Unterſuchung hat zu dem Ergeb-
niß geführt, daß die Rechtskraft nicht blos der Entſchei-
dung ſelbſt (Verurtheilung oder Freiſprechung), ſondern
auch den objectiven Gründen derſelben, zugeſchrieben
werden muß, d. h. daß dieſe Gründe als integrirende
Theile des Urtheils anzuſehen ſind, der Umfang der Rechts-
kraft alſo ſtets durch den Inhalt des Urtheils in Ver-
bindung mit jenen Gründen beſtimmt werden muß.
(h) Vgl. unten § 292 f.
(i) Dahin gehören folgende
Stellen: L. 17 de exc. r. j.
(44. 2) „Si rem meam a te
petiero, tu autem ideo fueris
absolutus, quod probaveris sine
dolo malo te desisse possidere
… non nocebit mihi exceptio
rei judicatae.“ — L. 18 pr.
eod. „Si … absolutus fuerit ad-
versarius, quia non possidebat
… rei judicatae exceptio lo-
cum non habebit.“ — Eben ſo
L. 9 pr. eod.
VI. 24
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/387>, abgerufen am 25.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.