Dieser wichtige Grundsatz aber ist nicht nur für wahr zu halten nach der Aufgabe des Richteramtes und nach der Natur der Rechtskraft, sondern er ist auch schon im Römischen Recht bestimmt anerkannt und zur vollen An- wendung gebracht worden.
§. 292. Genauere Bestimmungen des Inhalts. Rechtskraft der Gründe. (Fortsetzung.)
Bisher ist die Frage beantwortet worden, was durch den Ausspruch des richterlichen Gedankens rechtskräftig werde, und es bleibt nun noch die zweite Frage zu beant- worten übrig: Aus welchen Quellen der wahrhafte Inhalt des rich- terlichen Gedankens (also der Umfang der rechtskräf- tigen Gegenstände) zu erkennen ist. (S. 352.)
Wenn wir die, seit langer Zeit sehr weit verbreitete Art, die Urtheile schriftlich abzufassen, voraussetzen, nach welcher dem Urtheil selbst eine ausführliche Rechtfertigung hinzugefügt wird, so liegt der Gedanke sehr nahe, nur der Inhalt des Urtheils werde rechtskräftig, der Inhalt der Urtheilsgründe sey blos zur Ueberzeugung der Parteien oder anderer Leser bestimmt, und werde nicht rechtskräftig. So ist es auch in der That zu verstehen, wenn seit langer Zeit viele Schriftsteller über die Frage gestritten haben, ob Gründe rechtskräftig werden?
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Dieſer wichtige Grundſatz aber iſt nicht nur für wahr zu halten nach der Aufgabe des Richteramtes und nach der Natur der Rechtskraft, ſondern er iſt auch ſchon im Römiſchen Recht beſtimmt anerkannt und zur vollen An- wendung gebracht worden.
§. 292. Genauere Beſtimmungen des Inhalts. Rechtskraft der Gründe. (Fortſetzung.)
Bisher iſt die Frage beantwortet worden, was durch den Ausſpruch des richterlichen Gedankens rechtskräftig werde, und es bleibt nun noch die zweite Frage zu beant- worten übrig: Aus welchen Quellen der wahrhafte Inhalt des rich- terlichen Gedankens (alſo der Umfang der rechtskräf- tigen Gegenſtände) zu erkennen iſt. (S. 352.)
Wenn wir die, ſeit langer Zeit ſehr weit verbreitete Art, die Urtheile ſchriftlich abzufaſſen, vorausſetzen, nach welcher dem Urtheil ſelbſt eine ausführliche Rechtfertigung hinzugefügt wird, ſo liegt der Gedanke ſehr nahe, nur der Inhalt des Urtheils werde rechtskräftig, der Inhalt der Urtheilsgründe ſey blos zur Ueberzeugung der Parteien oder anderer Leſer beſtimmt, und werde nicht rechtskräftig. So iſt es auch in der That zu verſtehen, wenn ſeit langer Zeit viele Schriftſteller über die Frage geſtritten haben, ob Gründe rechtskräftig werden?
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Dieſer wichtige Grundſatz aber iſt nicht nur für wahr
zu halten nach der Aufgabe des Richteramtes und nach
der Natur der Rechtskraft, ſondern er iſt auch ſchon im
Römiſchen Recht beſtimmt anerkannt und zur vollen An-
wendung gebracht worden.
§. 292.
Genauere Beſtimmungen des Inhalts. Rechtskraft der
Gründe. (Fortſetzung.)
Bisher iſt die Frage beantwortet worden, was durch
den Ausſpruch des richterlichen Gedankens rechtskräftig
werde, und es bleibt nun noch die zweite Frage zu beant-
worten übrig:
Aus welchen Quellen der wahrhafte Inhalt des rich-
terlichen Gedankens (alſo der Umfang der rechtskräf-
tigen Gegenſtände) zu erkennen iſt. (S. 352.)
Wenn wir die, ſeit langer Zeit ſehr weit verbreitete
Art, die Urtheile ſchriftlich abzufaſſen, vorausſetzen, nach
welcher dem Urtheil ſelbſt eine ausführliche Rechtfertigung
hinzugefügt wird, ſo liegt der Gedanke ſehr nahe, nur der
Inhalt des Urtheils werde rechtskräftig, der Inhalt der
Urtheilsgründe ſey blos zur Ueberzeugung der Parteien
oder anderer Leſer beſtimmt, und werde nicht rechtskräftig.
So iſt es auch in der That zu verſtehen, wenn ſeit langer
Zeit viele Schriftſteller über die Frage geſtritten haben, ob
Gründe rechtskräftig werden?
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/388>, abgerufen am 24.11.2024.
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