actionis). Auch eine solche Verschiedenheit ist nicht allgemein ein Hinderniß für die Anwendung der Einrede.
Über diese Frage enthält das Römische Recht so klare und bestimmte Regeln, daß darüber wenig Streit und Zweifel entstanden ist; nur eine Ausnahme jener Regeln hat zu großen Streitigkeiten Anlaß gegeben.
Es wird in der Regel unterschieden zwischen persön- lichen Klagen und Klagen in rem. Bei jenen ist der Er- werbsgrund der Obligation Dasjenige, wodurch diese eine individuelle Natur erhält. Bei Eigenthum und Erbrecht dagegen kommt es nur auf die Natur des Rechts und dessen Gegenstand an, und es bleibt ein und dasselbe Recht, ohne Unterschied, aus welchem Grunde es entstanden seyn möge. Wenn daher die auf ein Haus gerichtete Klage aus einem Kaufvertrag abgewiesen, dann aber eine Klage auf dasselbe Haus aus einem Vermächtniß angestellt wird, so steht die Einrede der Rechtskraft nicht entgegen, weil beiden Klagen völlig verschiedene Obligationen, also auch verschiedene Rechtsfragen, zum Grunde liegen. Wenn dagegen die Eigenthumsklage auf ein Haus aus dem Er- werb durch Tradition abgeleitet und nun abgewiesen wird, so kann sie auch nicht dadurch erneuert werden, daß der Kläger etwa versucht, das Eigenthum nunmehr auf Er- sitzung zu gründen. Denn die Rechtsfrage ist in beiden Klagen das Daseyn des Eigenthums, und die möglichen Erwerbsgründe sind nur die Mittel, wodurch der Kläger versucht, den Richter von diesem Daseyn zu überzeugen;
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
actionis). Auch eine ſolche Verſchiedenheit iſt nicht allgemein ein Hinderniß für die Anwendung der Einrede.
Über dieſe Frage enthält das Römiſche Recht ſo klare und beſtimmte Regeln, daß darüber wenig Streit und Zweifel entſtanden iſt; nur eine Ausnahme jener Regeln hat zu großen Streitigkeiten Anlaß gegeben.
Es wird in der Regel unterſchieden zwiſchen perſön- lichen Klagen und Klagen in rem. Bei jenen iſt der Er- werbsgrund der Obligation Dasjenige, wodurch dieſe eine individuelle Natur erhält. Bei Eigenthum und Erbrecht dagegen kommt es nur auf die Natur des Rechts und deſſen Gegenſtand an, und es bleibt ein und daſſelbe Recht, ohne Unterſchied, aus welchem Grunde es entſtanden ſeyn möge. Wenn daher die auf ein Haus gerichtete Klage aus einem Kaufvertrag abgewieſen, dann aber eine Klage auf daſſelbe Haus aus einem Vermächtniß angeſtellt wird, ſo ſteht die Einrede der Rechtskraft nicht entgegen, weil beiden Klagen völlig verſchiedene Obligationen, alſo auch verſchiedene Rechtsfragen, zum Grunde liegen. Wenn dagegen die Eigenthumsklage auf ein Haus aus dem Er- werb durch Tradition abgeleitet und nun abgewieſen wird, ſo kann ſie auch nicht dadurch erneuert werden, daß der Kläger etwa verſucht, das Eigenthum nunmehr auf Er- ſitzung zu gründen. Denn die Rechtsfrage iſt in beiden Klagen das Daſeyn des Eigenthums, und die möglichen Erwerbsgründe ſind nur die Mittel, wodurch der Kläger verſucht, den Richter von dieſem Daſeyn zu überzeugen;
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
actionis). Auch eine ſolche Verſchiedenheit iſt nicht allgemein
ein Hinderniß für die Anwendung der Einrede.
Über dieſe Frage enthält das Römiſche Recht ſo klare
und beſtimmte Regeln, daß darüber wenig Streit und
Zweifel entſtanden iſt; nur eine Ausnahme jener Regeln
hat zu großen Streitigkeiten Anlaß gegeben.
Es wird in der Regel unterſchieden zwiſchen perſön-
lichen Klagen und Klagen in rem. Bei jenen iſt der Er-
werbsgrund der Obligation Dasjenige, wodurch dieſe eine
individuelle Natur erhält. Bei Eigenthum und Erbrecht
dagegen kommt es nur auf die Natur des Rechts und
deſſen Gegenſtand an, und es bleibt ein und daſſelbe
Recht, ohne Unterſchied, aus welchem Grunde es entſtanden
ſeyn möge. Wenn daher die auf ein Haus gerichtete
Klage aus einem Kaufvertrag abgewieſen, dann aber eine
Klage auf daſſelbe Haus aus einem Vermächtniß angeſtellt
wird, ſo ſteht die Einrede der Rechtskraft nicht entgegen,
weil beiden Klagen völlig verſchiedene Obligationen, alſo
auch verſchiedene Rechtsfragen, zum Grunde liegen. Wenn
dagegen die Eigenthumsklage auf ein Haus aus dem Er-
werb durch Tradition abgeleitet und nun abgewieſen wird, ſo
kann ſie auch nicht dadurch erneuert werden, daß der
Kläger etwa verſucht, das Eigenthum nunmehr auf Er-
ſitzung zu gründen. Denn die Rechtsfrage iſt in beiden
Klagen das Daſeyn des Eigenthums, und die möglichen
Erwerbsgründe ſind nur die Mittel, wodurch der Kläger
verſucht, den Richter von dieſem Daſeyn zu überzeugen;
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/472>, abgerufen am 22.11.2024.
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