dieser ist auch in der That eine völlig genügende Grund- lage für den Instanzenzug zu finden.
Zuvörderst ist es unzweifelhaft, daß der Kaiser in seinen verfassungsmäßigen Amtsrechten die Mittel besaß, um aus allen Theilen des Reichs in Civilprozessen Appellationen anzunehmen, und durch Einspruch auf den Erfolg des Rechtsstreits einzuwirken. In Rom und Italien diente dazu die tribunicia potestas, die schon im J. 706 an Cäsar, im J. 724 an August, lebenslänglich verliehen wurde (cc). In der kaiserlichen Hälfte der Provinzen war der Unter- statthalter ohnehin von den Anweisungen des Kaisers, der ihn angestellt hatte, ganz abhängig. In den Senatsprovinzen aber hatte der Kaiser das Recht der intercessio gegen alle gerichtlichen Handlungen des Proconsuls, mit welchem er vermöge seiner allgemeinen proconsularis potestas gleichen Rang hatte.
Obgleich nun oben gezeigt worden ist, daß die alte appellatio und intercessio, nach ihrer an sich nur verneinen- den und hindernden Natur, von einer eigentlichen Instanz wesentlich verschieden war, und mehr die Natur einer bloßen Cassation hatte, so liegt doch in der Natur der Cassation, sobald sie regelmäßig und oft wiederkehrend aus- geübt wird, eine natürliche Annäherung an die Instanz. Gerade die regelmäßige und häufige Ausübung war während der Republik unmöglich, weil die Gewalt der
(cc)Dio Cassius XLII. 20, LI. 19.
VI. 32
Appellatio und Provocatio.
dieſer iſt auch in der That eine völlig genügende Grund- lage für den Inſtanzenzug zu finden.
Zuvörderſt iſt es unzweifelhaft, daß der Kaiſer in ſeinen verfaſſungsmäßigen Amtsrechten die Mittel beſaß, um aus allen Theilen des Reichs in Civilprozeſſen Appellationen anzunehmen, und durch Einſpruch auf den Erfolg des Rechtsſtreits einzuwirken. In Rom und Italien diente dazu die tribunicia potestas, die ſchon im J. 706 an Cäſar, im J. 724 an Auguſt, lebenslänglich verliehen wurde (cc). In der kaiſerlichen Hälfte der Provinzen war der Unter- ſtatthalter ohnehin von den Anweiſungen des Kaiſers, der ihn angeſtellt hatte, ganz abhängig. In den Senatsprovinzen aber hatte der Kaiſer das Recht der intercessio gegen alle gerichtlichen Handlungen des Proconſuls, mit welchem er vermöge ſeiner allgemeinen proconsularis potestas gleichen Rang hatte.
Obgleich nun oben gezeigt worden iſt, daß die alte appellatio und intercessio, nach ihrer an ſich nur verneinen- den und hindernden Natur, von einer eigentlichen Inſtanz weſentlich verſchieden war, und mehr die Natur einer bloßen Caſſation hatte, ſo liegt doch in der Natur der Caſſation, ſobald ſie regelmäßig und oft wiederkehrend aus- geübt wird, eine natürliche Annäherung an die Inſtanz. Gerade die regelmäßige und häufige Ausübung war während der Republik unmöglich, weil die Gewalt der
(cc)Dio Cassius XLII. 20, LI. 19.
VI. 32
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Appellatio und Provocatio.
dieſer iſt auch in der That eine völlig genügende Grund-
lage für den Inſtanzenzug zu finden.
Zuvörderſt iſt es unzweifelhaft, daß der Kaiſer in ſeinen
verfaſſungsmäßigen Amtsrechten die Mittel beſaß, um aus
allen Theilen des Reichs in Civilprozeſſen Appellationen
anzunehmen, und durch Einſpruch auf den Erfolg des
Rechtsſtreits einzuwirken. In Rom und Italien diente
dazu die tribunicia potestas, die ſchon im J. 706 an Cäſar,
im J. 724 an Auguſt, lebenslänglich verliehen wurde (cc).
In der kaiſerlichen Hälfte der Provinzen war der Unter-
ſtatthalter ohnehin von den Anweiſungen des Kaiſers, der
ihn angeſtellt hatte, ganz abhängig. In den Senatsprovinzen
aber hatte der Kaiſer das Recht der intercessio gegen alle
gerichtlichen Handlungen des Proconſuls, mit welchem er
vermöge ſeiner allgemeinen proconsularis potestas gleichen
Rang hatte.
Obgleich nun oben gezeigt worden iſt, daß die alte
appellatio und intercessio, nach ihrer an ſich nur verneinen-
den und hindernden Natur, von einer eigentlichen Inſtanz
weſentlich verſchieden war, und mehr die Natur einer
bloßen Caſſation hatte, ſo liegt doch in der Natur der
Caſſation, ſobald ſie regelmäßig und oft wiederkehrend aus-
geübt wird, eine natürliche Annäherung an die Inſtanz.
Gerade die regelmäßige und häufige Ausübung war
während der Republik unmöglich, weil die Gewalt der
(cc) Dio Cassius XLII. 20, LI. 19.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/515>, abgerufen am 24.11.2024.
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