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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
Voluntarium ist der außergerichtliche Eid, weil dessen An-
nahme und Leistung ganz in der Willkür der Partei lag,
welcher er zugeschoben wurde. Necessarium ist der in jure
oder in judicio zugeschobene Eid, weil in beiden Fällen die
Partei genöthigt war, sich in irgend einer Weise auf den-
selben einzulassen. Judiciale endlich ist der vom Judex, ohne
Zuschiebung von Seiten einer Partei, auferlegte Eid. --
Anders ist freilich der Sprachgebrauch der neueren Schrift-
steller über den Prozeß. Hier heißt voluntarium der zu-
geschobene, also von dem Willen einer Partei ausgehende
Eid, necessarium der von dem Willen des Richters aus-
gehende, also von jedem Parteiwillen völlig unabhängige
Eid. Der Ausdruck der Freiwilligkeit oder Unfreiwilligkeit
wird also von den Neueren in einer anderen Beziehung
gebraucht, als von den Römern.

§. 314.
Surrogate des Urtheils. -- II. Eid. -- Heutiges Recht.

Es bleibt jetzt nur noch übrig, die späteren Aenderungen
des bisher dargestellten Rechts des Eides hinzu zu fügen.
Die in Justinian's Gesetzgebung eingetretene Aenderung
ist bereits dargestellt worden (§ 313); es ist also nur noch
von dem heutigen Rechte zu reden.

Als vorherrschender Gesichtspunkt ist hier anerkannt
worden die Heiligkeit des Eides als einer religiösen Hand-
lung. Alle Neuerungen zwecken darauf ab, theils dem
Meineide vorzubeugen, theils den Mißbrauch zu verhüten,

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Voluntarium iſt der außergerichtliche Eid, weil deſſen An-
nahme und Leiſtung ganz in der Willkür der Partei lag,
welcher er zugeſchoben wurde. Necessarium iſt der in jure
oder in judicio zugeſchobene Eid, weil in beiden Fällen die
Partei genöthigt war, ſich in irgend einer Weiſe auf den-
ſelben einzulaſſen. Judiciale endlich iſt der vom Judex, ohne
Zuſchiebung von Seiten einer Partei, auferlegte Eid. —
Anders iſt freilich der Sprachgebrauch der neueren Schrift-
ſteller über den Prozeß. Hier heißt voluntarium der zu-
geſchobene, alſo von dem Willen einer Partei ausgehende
Eid, necessarium der von dem Willen des Richters aus-
gehende, alſo von jedem Parteiwillen völlig unabhängige
Eid. Der Ausdruck der Freiwilligkeit oder Unfreiwilligkeit
wird alſo von den Neueren in einer anderen Beziehung
gebraucht, als von den Römern.

§. 314.
Surrogate des Urtheils. — II. Eid. — Heutiges Recht.

Es bleibt jetzt nur noch übrig, die ſpäteren Aenderungen
des bisher dargeſtellten Rechts des Eides hinzu zu fügen.
Die in Juſtinian’s Geſetzgebung eingetretene Aenderung
iſt bereits dargeſtellt worden (§ 313); es iſt alſo nur noch
von dem heutigen Rechte zu reden.

Als vorherrſchender Geſichtspunkt iſt hier anerkannt
worden die Heiligkeit des Eides als einer religiöſen Hand-
lung. Alle Neuerungen zwecken darauf ab, theils dem
Meineide vorzubeugen, theils den Mißbrauch zu verhüten,

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[84/0106] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. Voluntarium iſt der außergerichtliche Eid, weil deſſen An- nahme und Leiſtung ganz in der Willkür der Partei lag, welcher er zugeſchoben wurde. Necessarium iſt der in jure oder in judicio zugeſchobene Eid, weil in beiden Fällen die Partei genöthigt war, ſich in irgend einer Weiſe auf den- ſelben einzulaſſen. Judiciale endlich iſt der vom Judex, ohne Zuſchiebung von Seiten einer Partei, auferlegte Eid. — Anders iſt freilich der Sprachgebrauch der neueren Schrift- ſteller über den Prozeß. Hier heißt voluntarium der zu- geſchobene, alſo von dem Willen einer Partei ausgehende Eid, necessarium der von dem Willen des Richters aus- gehende, alſo von jedem Parteiwillen völlig unabhängige Eid. Der Ausdruck der Freiwilligkeit oder Unfreiwilligkeit wird alſo von den Neueren in einer anderen Beziehung gebraucht, als von den Römern. §. 314. Surrogate des Urtheils. — II. Eid. — Heutiges Recht. Es bleibt jetzt nur noch übrig, die ſpäteren Aenderungen des bisher dargeſtellten Rechts des Eides hinzu zu fügen. Die in Juſtinian’s Geſetzgebung eingetretene Aenderung iſt bereits dargeſtellt worden (§ 313); es iſt alſo nur noch von dem heutigen Rechte zu reden. Als vorherrſchender Geſichtspunkt iſt hier anerkannt worden die Heiligkeit des Eides als einer religiöſen Hand- lung. Alle Neuerungen zwecken darauf ab, theils dem Meineide vorzubeugen, theils den Mißbrauch zu verhüten,

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848/106>, abgerufen am 21.11.2024.