Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 333. VI. Antiquirte Restitutionsgründe.

Die capitis deminutio hatte als Restitutionsgrund von
jeher nur folgende, höchst beschränkte Bedeutung. Wenn
ein Schuldner eine minima capitis deminutio erlitt, durch
Arrogation, Adoption, Emancipation u. s. w. (a), so gingen
nach altem Recht alle seine Schulden unter (b). Da nun
Dieses eine augenscheinliche Ungerechtigkeit gegen die nicht
einwilligenden Gläubiger war, so gab dagegen der Prätor
eine Restitution, wodurch er die verlorenen Forderungen
wiederherstellte (c).

Diese Restitution führte aber nur den leeren Namen
einer solchen, indem die eigenthümliche Natur einer Re-
stitution bei ihr gar nicht zur Anwendung kam. Sie sollte
nämlich nicht vom freien Ermessen des Prätors abhangen,
sondern unbedingt, ohne alle Voruntersuchung der beson-
deren Umstände, gegeben werden; und sie sollte ferner nicht
an die Verjährungsfrist der Restitution gebunden seyn (d).
Es war also in der That eine praktische Aufhebung des
alten Rechtssatzes, nur versteckt unter der Form einer Re-
stitution, gewissermaßen aus Respect gegen das alte Civil-
recht.

So stand es also schon im alten Recht. Im Justinia-

(a) S. o. B. 2. §. 68.
(b) Gajus Lib. 4 § 38, Lib. 3
§ 84. Nur wenige Arten von
Schulden waren von diesem Unter-
gang ausgenommen. -- Die
maxima und media capitis de-
minutio
hatten andere Folgen,
und kommen hier nicht in Betracht.
(c) L. 2 § 1, L. 7 § 2. 3 de
cap. min.
(4. 5), L. 2 de in int.
rest.
(4. 1), Gajus l. c., Paulus I.

7. § 2.
(d) L. 2 § 1. 5 de cap. min.
(4. 5).
14*
§. 333. VI. Antiquirte Reſtitutionsgründe.

Die capitis deminutio hatte als Reſtitutionsgrund von
jeher nur folgende, höchſt beſchränkte Bedeutung. Wenn
ein Schuldner eine minima capitis deminutio erlitt, durch
Arrogation, Adoption, Emancipation u. ſ. w. (a), ſo gingen
nach altem Recht alle ſeine Schulden unter (b). Da nun
Dieſes eine augenſcheinliche Ungerechtigkeit gegen die nicht
einwilligenden Gläubiger war, ſo gab dagegen der Prätor
eine Reſtitution, wodurch er die verlorenen Forderungen
wiederherſtellte (c).

Dieſe Reſtitution führte aber nur den leeren Namen
einer ſolchen, indem die eigenthümliche Natur einer Re-
ſtitution bei ihr gar nicht zur Anwendung kam. Sie ſollte
nämlich nicht vom freien Ermeſſen des Prätors abhangen,
ſondern unbedingt, ohne alle Vorunterſuchung der beſon-
deren Umſtände, gegeben werden; und ſie ſollte ferner nicht
an die Verjährungsfriſt der Reſtitution gebunden ſeyn (d).
Es war alſo in der That eine praktiſche Aufhebung des
alten Rechtsſatzes, nur verſteckt unter der Form einer Re-
ſtitution, gewiſſermaßen aus Reſpect gegen das alte Civil-
recht.

So ſtand es alſo ſchon im alten Recht. Im Juſtinia-

(a) S. o. B. 2. §. 68.
(b) Gajus Lib. 4 § 38, Lib. 3
§ 84. Nur wenige Arten von
Schulden waren von dieſem Unter-
gang ausgenommen. — Die
maxima und media capitis de-
minutio
hatten andere Folgen,
und kommen hier nicht in Betracht.
(c) L. 2 § 1, L. 7 § 2. 3 de
cap. min.
(4. 5), L. 2 de in int.
rest.
(4. 1), Gajus l. c., Paulus I.

7. § 2.
(d) L. 2 § 1. 5 de cap. min.
(4. 5).
14*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0233" n="211"/>
            <fw place="top" type="header">§. 333. <hi rendition="#aq">VI.</hi> Antiquirte Re&#x017F;titutionsgründe.</fw><lb/>
            <p>Die <hi rendition="#aq">capitis deminutio</hi> hatte als Re&#x017F;titutionsgrund von<lb/>
jeher nur folgende, höch&#x017F;t be&#x017F;chränkte Bedeutung. Wenn<lb/>
ein Schuldner eine <hi rendition="#aq">minima capitis deminutio</hi> erlitt, durch<lb/>
Arrogation, Adoption, Emancipation u. &#x017F;. w. <note place="foot" n="(a)">S. o. B. 2. §. 68.</note>, &#x017F;o gingen<lb/>
nach altem Recht alle &#x017F;eine Schulden unter <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Gajus</hi> Lib. 4 § 38, Lib.</hi> 3<lb/>
§ 84. Nur wenige Arten von<lb/>
Schulden waren von die&#x017F;em Unter-<lb/>
gang ausgenommen. &#x2014; Die<lb/><hi rendition="#aq">maxima</hi> und <hi rendition="#aq">media capitis de-<lb/>
minutio</hi> hatten andere Folgen,<lb/>
und kommen hier nicht in Betracht.</note>. Da nun<lb/>
Die&#x017F;es eine augen&#x017F;cheinliche Ungerechtigkeit gegen die nicht<lb/>
einwilligenden Gläubiger war, &#x017F;o gab dagegen der Prätor<lb/>
eine Re&#x017F;titution, wodurch er die verlorenen Forderungen<lb/>
wiederher&#x017F;tellte <note place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 2 § 1, <hi rendition="#i">L.</hi> 7 § 2. 3 <hi rendition="#i">de<lb/>
cap. min.</hi> (4. 5), <hi rendition="#i">L.</hi> 2 <hi rendition="#i">de in int.<lb/>
rest.</hi> (4. 1), <hi rendition="#k">Gajus</hi> l. c., <hi rendition="#k">Paulus</hi> I.</hi><lb/>
7. § 2.</note>.</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;e Re&#x017F;titution führte aber nur den leeren Namen<lb/>
einer &#x017F;olchen, indem die eigenthümliche Natur einer Re-<lb/>
&#x017F;titution bei ihr gar nicht zur Anwendung kam. Sie &#x017F;ollte<lb/>
nämlich nicht vom freien Erme&#x017F;&#x017F;en des Prätors abhangen,<lb/>
&#x017F;ondern unbedingt, ohne alle Vorunter&#x017F;uchung der be&#x017F;on-<lb/>
deren Um&#x017F;tände, gegeben werden; und &#x017F;ie &#x017F;ollte ferner nicht<lb/>
an die Verjährungsfri&#x017F;t der Re&#x017F;titution gebunden &#x017F;eyn <note place="foot" n="(d)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 2 § 1. 5 <hi rendition="#i">de cap. min.</hi></hi><lb/>
(4. 5).</note>.<lb/>
Es war al&#x017F;o in der That eine prakti&#x017F;che Aufhebung des<lb/>
alten Rechts&#x017F;atzes, nur ver&#x017F;teckt unter der Form einer Re-<lb/>
&#x017F;titution, gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen aus Re&#x017F;pect gegen das alte Civil-<lb/>
recht.</p><lb/>
            <p>So &#x017F;tand es al&#x017F;o &#x017F;chon im alten Recht. Im Ju&#x017F;tinia-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">14*</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[211/0233] §. 333. VI. Antiquirte Reſtitutionsgründe. Die capitis deminutio hatte als Reſtitutionsgrund von jeher nur folgende, höchſt beſchränkte Bedeutung. Wenn ein Schuldner eine minima capitis deminutio erlitt, durch Arrogation, Adoption, Emancipation u. ſ. w. (a), ſo gingen nach altem Recht alle ſeine Schulden unter (b). Da nun Dieſes eine augenſcheinliche Ungerechtigkeit gegen die nicht einwilligenden Gläubiger war, ſo gab dagegen der Prätor eine Reſtitution, wodurch er die verlorenen Forderungen wiederherſtellte (c). Dieſe Reſtitution führte aber nur den leeren Namen einer ſolchen, indem die eigenthümliche Natur einer Re- ſtitution bei ihr gar nicht zur Anwendung kam. Sie ſollte nämlich nicht vom freien Ermeſſen des Prätors abhangen, ſondern unbedingt, ohne alle Vorunterſuchung der beſon- deren Umſtände, gegeben werden; und ſie ſollte ferner nicht an die Verjährungsfriſt der Reſtitution gebunden ſeyn (d). Es war alſo in der That eine praktiſche Aufhebung des alten Rechtsſatzes, nur verſteckt unter der Form einer Re- ſtitution, gewiſſermaßen aus Reſpect gegen das alte Civil- recht. So ſtand es alſo ſchon im alten Recht. Im Juſtinia- (a) S. o. B. 2. §. 68. (b) Gajus Lib. 4 § 38, Lib. 3 § 84. Nur wenige Arten von Schulden waren von dieſem Unter- gang ausgenommen. — Die maxima und media capitis de- minutio hatten andere Folgen, und kommen hier nicht in Betracht. (c) L. 2 § 1, L. 7 § 2. 3 de cap. min. (4. 5), L. 2 de in int. rest. (4. 1), Gajus l. c., Paulus I. 7. § 2. (d) L. 2 § 1. 5 de cap. min. (4. 5). 14*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848/233
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848/233>, abgerufen am 24.11.2024.