Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung. Abwesenheit kann es allerdings vorkommen. Wenn alsoder Abwesende zurückkehrt, vor Ablauf der Verjährung seinen Wohnort abermals verläßt, und diesen abwechselnden Zustand vielleicht öfter wiederholt, so sind zwei verschiedene Behandlungen dieses Falles denkbar. Man könnte erstens alle einzelne Zeiten der Gegenwart zusammen rechnen, und die Verjährung als vollendet annehmen, wenn die Summe der gesetzlichen Verjährungszeit gleich käme. Man könnte aber auch zweitens die Verjährung nur dann für vollendet halten, wenn irgend eine einzelne Zeit der Gegenwart so lange gedauert hätte, als das Gesetz für die Verjährung fordert. Von diesen beiden Berechnungsarten ist die zweite, dem Verletzten günstigere, als die richtige anzusehen (a). Dabei liegt also der Gedanke zum Grunde, dem Verletzten müsse irgend einmal die volle, ununterbrochene Verjährungs- zeit gestattet worden seyn, um an seinem Wohnort prüfen (a) L. 28 § 3 ex quib. caus.
(4. 6). Daß die Stelle wirklich diesen Sinn hat, zeigt folgender Anfang derselben: "Si quis sae- pius reip. causa abfuit, ex novissimo reditu tempus resti- tutionis esse ei computandum, Labeo putat"; wobei natürlich vorausgesetzt wird, daß er nicht schon nach der früheren Abwesen- heit, in welcher er durch Usucapion einen Verlust erlitten hatte, ein volles Jahr zu Hause geblieben war. Die nachfolgenden Worte könnten so verstanden werden, als wenn von einem Zusammenrechnen der Zeiten der Abwesenheit die Rede seyn möchte, die doch ganz gleichgültig sind. In den Worten: si omnes quidem ab- sentiae annum colligant liegt daher ein ungenauer Ausdruck für die auf jede Abwesenheit folgende Zeit der Gegenwart, während welcher ja allein die Verjährung laufen kann. Cujacius obs. XIX. 15 sagt ganz richtig, absentiae stehe hier für intervalla absen- tiarum. Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. Abweſenheit kann es allerdings vorkommen. Wenn alſoder Abweſende zurückkehrt, vor Ablauf der Verjährung ſeinen Wohnort abermals verläßt, und dieſen abwechſelnden Zuſtand vielleicht öfter wiederholt, ſo ſind zwei verſchiedene Behandlungen dieſes Falles denkbar. Man könnte erſtens alle einzelne Zeiten der Gegenwart zuſammen rechnen, und die Verjährung als vollendet annehmen, wenn die Summe der geſetzlichen Verjährungszeit gleich käme. Man könnte aber auch zweitens die Verjährung nur dann für vollendet halten, wenn irgend eine einzelne Zeit der Gegenwart ſo lange gedauert hätte, als das Geſetz für die Verjährung fordert. Von dieſen beiden Berechnungsarten iſt die zweite, dem Verletzten günſtigere, als die richtige anzuſehen (a). Dabei liegt alſo der Gedanke zum Grunde, dem Verletzten müſſe irgend einmal die volle, ununterbrochene Verjährungs- zeit geſtattet worden ſeyn, um an ſeinem Wohnort prüfen (a) L. 28 § 3 ex quib. caus.
(4. 6). Daß die Stelle wirklich dieſen Sinn hat, zeigt folgender Anfang derſelben: „Si quis sae- pius reip. causa abfuit, ex novissimo reditu tempus resti- tutionis esse ei computandum, Labeo putat“; wobei natürlich vorausgeſetzt wird, daß er nicht ſchon nach der früheren Abweſen- heit, in welcher er durch Uſucapion einen Verluſt erlitten hatte, ein volles Jahr zu Hauſe geblieben war. Die nachfolgenden Worte könnten ſo verſtanden werden, als wenn von einem Zuſammenrechnen der Zeiten der Abweſenheit die Rede ſeyn möchte, die doch ganz gleichgültig ſind. In den Worten: si omnes quidem ab- sentiae annum colligant liegt daher ein ungenauer Ausdruck für die auf jede Abweſenheit folgende Zeit der Gegenwart, während welcher ja allein die Verjährung laufen kann. Cujacius obs. XIX. 15 ſagt ganz richtig, absentiae ſtehe hier für intervalla absen- tiarum. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0274" n="252"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/> Abweſenheit kann es allerdings vorkommen. Wenn alſo<lb/> der Abweſende zurückkehrt, vor Ablauf der Verjährung<lb/> ſeinen Wohnort abermals verläßt, und dieſen abwechſelnden<lb/> Zuſtand vielleicht öfter wiederholt, ſo ſind zwei verſchiedene<lb/> Behandlungen dieſes Falles denkbar. Man könnte erſtens<lb/> alle einzelne Zeiten der Gegenwart zuſammen rechnen, und<lb/> die Verjährung als vollendet annehmen, wenn die Summe<lb/> der geſetzlichen Verjährungszeit gleich käme. Man könnte<lb/> aber auch zweitens die Verjährung nur dann für vollendet<lb/> halten, wenn irgend eine einzelne Zeit der Gegenwart ſo<lb/> lange gedauert hätte, als das Geſetz für die Verjährung<lb/> fordert. Von dieſen beiden Berechnungsarten iſt die zweite,<lb/> dem Verletzten günſtigere, als die richtige anzuſehen <note place="foot" n="(a)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 28 § 3 <hi rendition="#i">ex quib. caus.</hi></hi><lb/> (4. 6). Daß die Stelle wirklich<lb/> dieſen Sinn hat, zeigt folgender<lb/> Anfang derſelben: <hi rendition="#aq">„Si quis sae-<lb/> pius reip. causa abfuit, <hi rendition="#i">ex<lb/> novissimo reditu</hi> tempus resti-<lb/> tutionis esse ei computandum,<lb/> Labeo putat“;</hi> wobei natürlich<lb/> vorausgeſetzt wird, daß er nicht<lb/> ſchon nach der früheren Abweſen-<lb/> heit, in welcher er durch Uſucapion<lb/> einen Verluſt erlitten hatte, ein<lb/> volles Jahr zu Hauſe geblieben<lb/> war. Die nachfolgenden Worte<lb/> könnten ſo verſtanden werden, als<lb/> wenn von einem Zuſammenrechnen<lb/> der <hi rendition="#g">Zeiten der Abweſenheit</hi><lb/> die Rede ſeyn möchte, die doch<lb/> ganz gleichgültig ſind. In den<lb/> Worten: <hi rendition="#aq">si omnes quidem ab-<lb/> sentiae annum colligant</hi> liegt<lb/> daher ein ungenauer Ausdruck für<lb/> die auf jede Abweſenheit folgende<lb/> Zeit der Gegenwart, während<lb/> welcher ja allein die Verjährung<lb/> laufen kann. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Cujacius</hi> obs. XIX.</hi><lb/> 15 ſagt ganz richtig, <hi rendition="#aq">absentiae</hi><lb/> ſtehe hier für <hi rendition="#aq">intervalla absen-<lb/> tiarum.</hi></note>.<lb/> Dabei liegt alſo der Gedanke zum Grunde, dem Verletzten<lb/> müſſe irgend einmal die volle, ununterbrochene Verjährungs-<lb/> zeit geſtattet worden ſeyn, um an ſeinem Wohnort prüfen<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [252/0274]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Abweſenheit kann es allerdings vorkommen. Wenn alſo
der Abweſende zurückkehrt, vor Ablauf der Verjährung
ſeinen Wohnort abermals verläßt, und dieſen abwechſelnden
Zuſtand vielleicht öfter wiederholt, ſo ſind zwei verſchiedene
Behandlungen dieſes Falles denkbar. Man könnte erſtens
alle einzelne Zeiten der Gegenwart zuſammen rechnen, und
die Verjährung als vollendet annehmen, wenn die Summe
der geſetzlichen Verjährungszeit gleich käme. Man könnte
aber auch zweitens die Verjährung nur dann für vollendet
halten, wenn irgend eine einzelne Zeit der Gegenwart ſo
lange gedauert hätte, als das Geſetz für die Verjährung
fordert. Von dieſen beiden Berechnungsarten iſt die zweite,
dem Verletzten günſtigere, als die richtige anzuſehen (a).
Dabei liegt alſo der Gedanke zum Grunde, dem Verletzten
müſſe irgend einmal die volle, ununterbrochene Verjährungs-
zeit geſtattet worden ſeyn, um an ſeinem Wohnort prüfen
(a) L. 28 § 3 ex quib. caus.
(4. 6). Daß die Stelle wirklich
dieſen Sinn hat, zeigt folgender
Anfang derſelben: „Si quis sae-
pius reip. causa abfuit, ex
novissimo reditu tempus resti-
tutionis esse ei computandum,
Labeo putat“; wobei natürlich
vorausgeſetzt wird, daß er nicht
ſchon nach der früheren Abweſen-
heit, in welcher er durch Uſucapion
einen Verluſt erlitten hatte, ein
volles Jahr zu Hauſe geblieben
war. Die nachfolgenden Worte
könnten ſo verſtanden werden, als
wenn von einem Zuſammenrechnen
der Zeiten der Abweſenheit
die Rede ſeyn möchte, die doch
ganz gleichgültig ſind. In den
Worten: si omnes quidem ab-
sentiae annum colligant liegt
daher ein ungenauer Ausdruck für
die auf jede Abweſenheit folgende
Zeit der Gegenwart, während
welcher ja allein die Verjährung
laufen kann. Cujacius obs. XIX.
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