In der Stelle, die hier erklärt werden soll, ist fast Alles Gegenstand von Zweifeln und Streitigkeiten geworden: der Text, die Bildung des Rechtsfalles der entschieden werden soll, die Personen von welchen die Rede ist, die Ent- scheidung selbst.
Der Fall stellt sich dem ersten, unbefangenen Blick in folgender Weise dar. Ein Sklavenhändler (venaliciarius) reist in eine Provinz, ohne Zweifel, um neue Sklaven einzu- kaufen. Die in Rom vorräthigen Sklaven zu verkaufen, giebt er Auftrag an einen Mann, der ihm als zuverlässig persönlich bekannt ist (certi hominis fidem elegit). Bald nach seiner Abreise stirbt dieser Mann, und dessen Erben, unbekannt mit den Regeln des Mandats, bilden sich ein, der Auftrag sey auf sie übergegangen; sie verkaufen die Sklaven, und zwar (wie der Erfolg zeigt) unter nachtheiligen Bedin- gungen. Die Käufer besitzen die Sklaven über ein Jahr. Der Sklavenhändler, von der Reise zurückkehrend, und unzufrieden mit dem Verkauf, will gegen die Käufer mit
Beilage XIX.
L. 57 Mandati (17. 1). (Zu §. 329 Note n).
In der Stelle, die hier erklärt werden ſoll, iſt faſt Alles Gegenſtand von Zweifeln und Streitigkeiten geworden: der Text, die Bildung des Rechtsfalles der entſchieden werden ſoll, die Perſonen von welchen die Rede iſt, die Ent- ſcheidung ſelbſt.
Der Fall ſtellt ſich dem erſten, unbefangenen Blick in folgender Weiſe dar. Ein Sklavenhändler (venaliciarius) reiſt in eine Provinz, ohne Zweifel, um neue Sklaven einzu- kaufen. Die in Rom vorräthigen Sklaven zu verkaufen, giebt er Auftrag an einen Mann, der ihm als zuverläſſig perſönlich bekannt iſt (certi hominis fidem elegit). Bald nach ſeiner Abreiſe ſtirbt dieſer Mann, und deſſen Erben, unbekannt mit den Regeln des Mandats, bilden ſich ein, der Auftrag ſey auf ſie übergegangen; ſie verkaufen die Sklaven, und zwar (wie der Erfolg zeigt) unter nachtheiligen Bedin- gungen. Die Käufer beſitzen die Sklaven über ein Jahr. Der Sklavenhändler, von der Reiſe zurückkehrend, und unzufrieden mit dem Verkauf, will gegen die Käufer mit
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Beilage XIX.
L. 57 Mandati (17. 1).
(Zu §. 329 Note n).
In der Stelle, die hier erklärt werden ſoll, iſt faſt Alles
Gegenſtand von Zweifeln und Streitigkeiten geworden: der
Text, die Bildung des Rechtsfalles der entſchieden werden
ſoll, die Perſonen von welchen die Rede iſt, die Ent-
ſcheidung ſelbſt.
Der Fall ſtellt ſich dem erſten, unbefangenen Blick in
folgender Weiſe dar. Ein Sklavenhändler (venaliciarius)
reiſt in eine Provinz, ohne Zweifel, um neue Sklaven einzu-
kaufen. Die in Rom vorräthigen Sklaven zu verkaufen, giebt
er Auftrag an einen Mann, der ihm als zuverläſſig perſönlich
bekannt iſt (certi hominis fidem elegit). Bald nach ſeiner
Abreiſe ſtirbt dieſer Mann, und deſſen Erben, unbekannt
mit den Regeln des Mandats, bilden ſich ein, der Auftrag
ſey auf ſie übergegangen; ſie verkaufen die Sklaven, und
zwar (wie der Erfolg zeigt) unter nachtheiligen Bedin-
gungen. Die Käufer beſitzen die Sklaven über ein Jahr.
Der Sklavenhändler, von der Reiſe zurückkehrend, und
unzufrieden mit dem Verkauf, will gegen die Käufer mit
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848, S. [292]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848/314>, abgerufen am 17.02.2025.
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