lich, und es mußte für diesen Zweck unter den verschiedenen, in anderer Hinsicht concurrirenden Städten eine entscheidende Wahl getroffen werden.
Ich halte es nun für unzweifelhaft, daß das örtliche Recht, dem jede Person unterworfen seyn sollte, wenn diese Person in zwei verschiedenen Städten das Bürgerrecht und den Wohnsitz hatte, durch das Bürgerrecht bestimmt wurde, nicht durch den Wohnsitz. Für diese Annahme sprechen folgende Gründe. Erstlich war das Bürgerrecht das engere, an sich höher stehende Band, verglichen mit dem von Willkür und Laune abhängenden Wohnsitz. Zweitens war es das frühere Band, da es durch die Geburt geknüpft wurde, der anderwärts vorhandene Wohnsitz erst später durch eine freie Handlung entstanden sein konnte; es fehlt aber an jedem Grunde, weshalb das für die Person ein- mal begründete territoriale Recht hätte umgewandelt werden sollen. Drittens deuten darauf auch mehrere der eben an- geführten Aeußerungen der Römischen Juristen, indem diese sagen: si ... alio jure civitas ejus utatur (§ 356 e), und quoniam nullius certae civitatis civis est (§ 356 h), welche Ausdrücke offenbar auf das Bürgerrecht hindeuten als Bestimmungsgrund für das auf die Person anwendbare örtliche Recht, nicht auf den Wohnsitz.
Nimmt man die hier aufgestellte Regel als richtig an, so bleiben dann noch folgende Fälle, die dadurch nicht be- stimmt werden, zu entscheiden übrig.
§. 357. Origo und domicilium. Wirkung. (Fortſ.)
lich, und es mußte für dieſen Zweck unter den verſchiedenen, in anderer Hinſicht concurrirenden Städten eine entſcheidende Wahl getroffen werden.
Ich halte es nun für unzweifelhaft, daß das örtliche Recht, dem jede Perſon unterworfen ſeyn ſollte, wenn dieſe Perſon in zwei verſchiedenen Städten das Bürgerrecht und den Wohnſitz hatte, durch das Bürgerrecht beſtimmt wurde, nicht durch den Wohnſitz. Für dieſe Annahme ſprechen folgende Gründe. Erſtlich war das Bürgerrecht das engere, an ſich höher ſtehende Band, verglichen mit dem von Willkür und Laune abhängenden Wohnſitz. Zweitens war es das frühere Band, da es durch die Geburt geknüpft wurde, der anderwärts vorhandene Wohnſitz erſt ſpäter durch eine freie Handlung entſtanden ſein konnte; es fehlt aber an jedem Grunde, weshalb das für die Perſon ein- mal begründete territoriale Recht hätte umgewandelt werden ſollen. Drittens deuten darauf auch mehrere der eben an- geführten Aeußerungen der Römiſchen Juriſten, indem dieſe ſagen: si … alio jure civitas ejus utatur (§ 356 e), und quoniam nullius certae civitatis civis est (§ 356 h), welche Ausdrücke offenbar auf das Bürgerrecht hindeuten als Beſtimmungsgrund für das auf die Perſon anwendbare örtliche Recht, nicht auf den Wohnſitz.
Nimmt man die hier aufgeſtellte Regel als richtig an, ſo bleiben dann noch folgende Fälle, die dadurch nicht be- ſtimmt werden, zu entſcheiden übrig.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0109"n="87"/><fwplace="top"type="header">§. 357. <hirendition="#aq">Origo</hi> und <hirendition="#aq">domicilium.</hi> Wirkung. (Fortſ.)</fw><lb/>
lich, und es mußte für dieſen Zweck unter den verſchiedenen,<lb/>
in anderer Hinſicht concurrirenden Städten eine entſcheidende<lb/>
Wahl getroffen werden.</p><lb/><p>Ich halte es nun für unzweifelhaft, daß das örtliche<lb/>
Recht, dem jede Perſon unterworfen ſeyn ſollte, wenn dieſe<lb/>
Perſon in zwei verſchiedenen Städten das Bürgerrecht und<lb/>
den Wohnſitz hatte, durch das <hirendition="#g">Bürgerrecht</hi> beſtimmt<lb/>
wurde, nicht durch den Wohnſitz. Für dieſe Annahme<lb/>ſprechen folgende Gründe. Erſtlich war das Bürgerrecht<lb/>
das engere, an ſich höher ſtehende Band, verglichen mit dem<lb/>
von Willkür und Laune abhängenden Wohnſitz. Zweitens<lb/>
war es das frühere Band, da es durch die Geburt geknüpft<lb/>
wurde, der anderwärts vorhandene Wohnſitz erſt ſpäter<lb/>
durch eine freie Handlung entſtanden ſein konnte; es fehlt<lb/>
aber an jedem Grunde, weshalb das für die Perſon ein-<lb/>
mal begründete territoriale Recht hätte umgewandelt werden<lb/>ſollen. Drittens deuten darauf auch mehrere der eben an-<lb/>
geführten Aeußerungen der Römiſchen Juriſten, indem dieſe<lb/>ſagen: <hirendition="#aq">si … alio jure <hirendition="#g">civitas ejus</hi> utatur (§ 356 e),</hi> und<lb/><hirendition="#aq">quoniam nullius <hirendition="#g">certae civitatis civis est</hi> (§ 356 h),</hi><lb/>
welche Ausdrücke offenbar auf das Bürgerrecht hindeuten<lb/>
als Beſtimmungsgrund für das auf die Perſon anwendbare<lb/>
örtliche Recht, nicht auf den Wohnſitz.</p><lb/><p>Nimmt man die hier aufgeſtellte Regel als richtig an,<lb/>ſo bleiben dann noch folgende Fälle, die dadurch nicht be-<lb/>ſtimmt werden, zu entſcheiden übrig.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[87/0109]
§. 357. Origo und domicilium. Wirkung. (Fortſ.)
lich, und es mußte für dieſen Zweck unter den verſchiedenen,
in anderer Hinſicht concurrirenden Städten eine entſcheidende
Wahl getroffen werden.
Ich halte es nun für unzweifelhaft, daß das örtliche
Recht, dem jede Perſon unterworfen ſeyn ſollte, wenn dieſe
Perſon in zwei verſchiedenen Städten das Bürgerrecht und
den Wohnſitz hatte, durch das Bürgerrecht beſtimmt
wurde, nicht durch den Wohnſitz. Für dieſe Annahme
ſprechen folgende Gründe. Erſtlich war das Bürgerrecht
das engere, an ſich höher ſtehende Band, verglichen mit dem
von Willkür und Laune abhängenden Wohnſitz. Zweitens
war es das frühere Band, da es durch die Geburt geknüpft
wurde, der anderwärts vorhandene Wohnſitz erſt ſpäter
durch eine freie Handlung entſtanden ſein konnte; es fehlt
aber an jedem Grunde, weshalb das für die Perſon ein-
mal begründete territoriale Recht hätte umgewandelt werden
ſollen. Drittens deuten darauf auch mehrere der eben an-
geführten Aeußerungen der Römiſchen Juriſten, indem dieſe
ſagen: si … alio jure civitas ejus utatur (§ 356 e), und
quoniam nullius certae civitatis civis est (§ 356 h),
welche Ausdrücke offenbar auf das Bürgerrecht hindeuten
als Beſtimmungsgrund für das auf die Perſon anwendbare
örtliche Recht, nicht auf den Wohnſitz.
Nimmt man die hier aufgeſtellte Regel als richtig an,
ſo bleiben dann noch folgende Fälle, die dadurch nicht be-
ſtimmt werden, zu entſcheiden übrig.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/109>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.