§. 360. Uebergang zu den einzelnen Rechtsverhältnissen.
Nur durch die vollständige Lösung dieser Aufgabe wird eine sichere und erschöpfende Anwendung der aufzustellenden Grundsätze auf das wirkliche Leben möglich, und von diesem Standpunkte aus können wir die bisher geführte Unter- suchung als den theoretischen Theil der ganzen Lehre, die nunmehr folgende als den praktischen Theil derselben be- zeichnen.
In dieser Untersuchung werden einige allgemeine Ge- sichtspunkte öfter erwähnt werden müssen. Eine vorläufige Zusammenstellung derselben am gegenwärtigen Orte wird die später davon zu machende Anwendung wesentlich er- leichtern und fördern.
1. Schon oben ist auf den inneren Zusammenhang auf- merksam gemacht worden, welcher zwischen dem Gerichts- stand und dem anzuwendenden örtlichen Recht schon bei den Römern bestand, und auch im heutigen Recht nicht verschwunden ist (§ 356. 359). Dieser Zusammenhang beruhte bei der Person auf dem Gehorsam, den dieselbe, wie der Obrigkeit, so dem örtlichen Recht, zu leisten hatte, also auf einer gleichartigen Unterwerfung der Person unter beide über ihr stehende Gewalten. Eine ähnliche Verwandt- schaft, bestehend in gleichartiger Unterwerfung, müssen wir nunmehr auch für die Rechtsverhältnisse geltend machen. Nur darf dieser innere Zusammenhang nicht bis zu völliger Identität ausgedehnt werden. Eine solche Annahme wird
§. 360. Uebergang zu den einzelnen Rechtsverhältniſſen.
Nur durch die vollſtändige Löſung dieſer Aufgabe wird eine ſichere und erſchöpfende Anwendung der aufzuſtellenden Grundſätze auf das wirkliche Leben möglich, und von dieſem Standpunkte aus können wir die bisher geführte Unter- ſuchung als den theoretiſchen Theil der ganzen Lehre, die nunmehr folgende als den praktiſchen Theil derſelben be- zeichnen.
In dieſer Unterſuchung werden einige allgemeine Ge- ſichtspunkte öfter erwähnt werden müſſen. Eine vorläufige Zuſammenſtellung derſelben am gegenwärtigen Orte wird die ſpäter davon zu machende Anwendung weſentlich er- leichtern und fördern.
1. Schon oben iſt auf den inneren Zuſammenhang auf- merkſam gemacht worden, welcher zwiſchen dem Gerichts- ſtand und dem anzuwendenden örtlichen Recht ſchon bei den Römern beſtand, und auch im heutigen Recht nicht verſchwunden iſt (§ 356. 359). Dieſer Zuſammenhang beruhte bei der Perſon auf dem Gehorſam, den dieſelbe, wie der Obrigkeit, ſo dem örtlichen Recht, zu leiſten hatte, alſo auf einer gleichartigen Unterwerfung der Perſon unter beide über ihr ſtehende Gewalten. Eine ähnliche Verwandt- ſchaft, beſtehend in gleichartiger Unterwerfung, müſſen wir nunmehr auch für die Rechtsverhältniſſe geltend machen. Nur darf dieſer innere Zuſammenhang nicht bis zu völliger Identität ausgedehnt werden. Eine ſolche Annahme wird
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0131"n="109"/><fwplace="top"type="header">§. 360. Uebergang zu den einzelnen Rechtsverhältniſſen.</fw><lb/><p>Nur durch die vollſtändige Löſung dieſer Aufgabe wird<lb/>
eine ſichere und erſchöpfende Anwendung der aufzuſtellenden<lb/>
Grundſätze auf das wirkliche Leben möglich, und von dieſem<lb/>
Standpunkte aus können wir die bisher geführte Unter-<lb/>ſuchung als den theoretiſchen Theil der ganzen Lehre, die<lb/>
nunmehr folgende als den praktiſchen Theil derſelben be-<lb/>
zeichnen.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>In dieſer Unterſuchung werden einige allgemeine Ge-<lb/>ſichtspunkte öfter erwähnt werden müſſen. Eine vorläufige<lb/>
Zuſammenſtellung derſelben am gegenwärtigen Orte wird<lb/>
die ſpäter davon zu machende Anwendung weſentlich er-<lb/>
leichtern und fördern.</p><lb/><p>1. Schon oben iſt auf den inneren Zuſammenhang auf-<lb/>
merkſam gemacht worden, welcher zwiſchen dem Gerichts-<lb/>ſtand und dem anzuwendenden örtlichen Recht ſchon<lb/>
bei den Römern beſtand, und auch im heutigen Recht nicht<lb/>
verſchwunden iſt (§ 356. 359). Dieſer Zuſammenhang<lb/>
beruhte bei der Perſon auf dem Gehorſam, den dieſelbe,<lb/>
wie der Obrigkeit, ſo dem örtlichen Recht, zu leiſten hatte,<lb/>
alſo auf einer gleichartigen Unterwerfung der Perſon unter<lb/>
beide über ihr ſtehende Gewalten. Eine ähnliche Verwandt-<lb/>ſchaft, beſtehend in gleichartiger Unterwerfung, müſſen wir<lb/>
nunmehr auch für die Rechtsverhältniſſe geltend machen.<lb/>
Nur darf dieſer innere Zuſammenhang nicht bis zu völliger<lb/>
Identität ausgedehnt werden. Eine ſolche Annahme wird<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[109/0131]
§. 360. Uebergang zu den einzelnen Rechtsverhältniſſen.
Nur durch die vollſtändige Löſung dieſer Aufgabe wird
eine ſichere und erſchöpfende Anwendung der aufzuſtellenden
Grundſätze auf das wirkliche Leben möglich, und von dieſem
Standpunkte aus können wir die bisher geführte Unter-
ſuchung als den theoretiſchen Theil der ganzen Lehre, die
nunmehr folgende als den praktiſchen Theil derſelben be-
zeichnen.
In dieſer Unterſuchung werden einige allgemeine Ge-
ſichtspunkte öfter erwähnt werden müſſen. Eine vorläufige
Zuſammenſtellung derſelben am gegenwärtigen Orte wird
die ſpäter davon zu machende Anwendung weſentlich er-
leichtern und fördern.
1. Schon oben iſt auf den inneren Zuſammenhang auf-
merkſam gemacht worden, welcher zwiſchen dem Gerichts-
ſtand und dem anzuwendenden örtlichen Recht ſchon
bei den Römern beſtand, und auch im heutigen Recht nicht
verſchwunden iſt (§ 356. 359). Dieſer Zuſammenhang
beruhte bei der Perſon auf dem Gehorſam, den dieſelbe,
wie der Obrigkeit, ſo dem örtlichen Recht, zu leiſten hatte,
alſo auf einer gleichartigen Unterwerfung der Perſon unter
beide über ihr ſtehende Gewalten. Eine ähnliche Verwandt-
ſchaft, beſtehend in gleichartiger Unterwerfung, müſſen wir
nunmehr auch für die Rechtsverhältniſſe geltend machen.
Nur darf dieſer innere Zuſammenhang nicht bis zu völliger
Identität ausgedehnt werden. Eine ſolche Annahme wird
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/131>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.