§. 361. Uebergang zu den einzelnen Rchtsverhältnissen. (Forts.)
Auf den ersten Blick scheint dieser Grundsatz im Zu- sammenhang zu stehen mit der sehr allgemein, und auch von mir, anerkannten Regel, nach welcher der Wohnsitz das Band ist, das eine Person mit einem bestimmten Rechts- gebiet verknüpft (§ 359. a). Bei genauerer Betrachtung aber verhält es sich damit ganz anders. Das für die Per- son als solche geltende Recht gilt darum nicht auch für die einzelnen Rechtsverhältnisse, in welche sich die Person be- giebt, und durch die sie in die verschiedensten Rechtsgebiete eintreten kann (§ 360). Das örtliche Recht der Person kann zugleich für irgend ein einzelnes Rechtsverhältniß derselben anwendbar sein, und darum zeigt sich jener Grund- satz in manchen besonderen Fällen als richtig. Aber ein solches Zusammentreffen ist ganz zufällig, der Grundsatz selbst hat an sich keinen Anspruch auf allgemeine Anwend- barkeit für die einzelnen Rechtsverhältnisse, und wir können uns bei diesen nicht der Nothwendigkeit entziehen, für jedes derselben das ihm angemessene Rechtsgebiet mit völliger Unbefangenheit besonders zu ermitteln.
Dazu kommt noch der wichtige Umstand, daß die meisten Rechtsverhältnisse nicht eine einzelne Person allein, sondern mehrere Personen zugleich betreffen. In solchen Fällen nun läßt uns jener Grundsatz ganz ohne Entscheidung, in- dem aus ihm nicht erkennbar ist, welche unter diesen meh- reren, von dem Rechtsverhältniß betroffenen, Personen durch ihren Wohnsitz das auf das Rechtsverhältniß anzu- wendende örtliche Recht bestimmen soll.
§. 361. Uebergang zu den einzelnen Rchtsverhältniſſen. (Fortſ.)
Auf den erſten Blick ſcheint dieſer Grundſatz im Zu- ſammenhang zu ſtehen mit der ſehr allgemein, und auch von mir, anerkannten Regel, nach welcher der Wohnſitz das Band iſt, das eine Perſon mit einem beſtimmten Rechts- gebiet verknüpft (§ 359. a). Bei genauerer Betrachtung aber verhält es ſich damit ganz anders. Das für die Per- ſon als ſolche geltende Recht gilt darum nicht auch für die einzelnen Rechtsverhältniſſe, in welche ſich die Perſon be- giebt, und durch die ſie in die verſchiedenſten Rechtsgebiete eintreten kann (§ 360). Das örtliche Recht der Perſon kann zugleich für irgend ein einzelnes Rechtsverhältniß derſelben anwendbar ſein, und darum zeigt ſich jener Grund- ſatz in manchen beſonderen Fällen als richtig. Aber ein ſolches Zuſammentreffen iſt ganz zufällig, der Grundſatz ſelbſt hat an ſich keinen Anſpruch auf allgemeine Anwend- barkeit für die einzelnen Rechtsverhältniſſe, und wir können uns bei dieſen nicht der Nothwendigkeit entziehen, für jedes derſelben das ihm angemeſſene Rechtsgebiet mit völliger Unbefangenheit beſonders zu ermitteln.
Dazu kommt noch der wichtige Umſtand, daß die meiſten Rechtsverhältniſſe nicht eine einzelne Perſon allein, ſondern mehrere Perſonen zugleich betreffen. In ſolchen Fällen nun läßt uns jener Grundſatz ganz ohne Entſcheidung, in- dem aus ihm nicht erkennbar iſt, welche unter dieſen meh- reren, von dem Rechtsverhältniß betroffenen, Perſonen durch ihren Wohnſitz das auf das Rechtsverhältniß anzu- wendende örtliche Recht beſtimmen ſoll.
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§. 361. Uebergang zu den einzelnen Rchtsverhältniſſen. (Fortſ.)
Auf den erſten Blick ſcheint dieſer Grundſatz im Zu-
ſammenhang zu ſtehen mit der ſehr allgemein, und auch
von mir, anerkannten Regel, nach welcher der Wohnſitz das
Band iſt, das eine Perſon mit einem beſtimmten Rechts-
gebiet verknüpft (§ 359. a). Bei genauerer Betrachtung
aber verhält es ſich damit ganz anders. Das für die Per-
ſon als ſolche geltende Recht gilt darum nicht auch für die
einzelnen Rechtsverhältniſſe, in welche ſich die Perſon be-
giebt, und durch die ſie in die verſchiedenſten Rechtsgebiete
eintreten kann (§ 360). Das örtliche Recht der Perſon
kann zugleich für irgend ein einzelnes Rechtsverhältniß
derſelben anwendbar ſein, und darum zeigt ſich jener Grund-
ſatz in manchen beſonderen Fällen als richtig. Aber ein
ſolches Zuſammentreffen iſt ganz zufällig, der Grundſatz
ſelbſt hat an ſich keinen Anſpruch auf allgemeine Anwend-
barkeit für die einzelnen Rechtsverhältniſſe, und wir können
uns bei dieſen nicht der Nothwendigkeit entziehen, für jedes
derſelben das ihm angemeſſene Rechtsgebiet mit völliger
Unbefangenheit beſonders zu ermitteln.
Dazu kommt noch der wichtige Umſtand, daß die meiſten
Rechtsverhältniſſe nicht eine einzelne Perſon allein, ſondern
mehrere Perſonen zugleich betreffen. In ſolchen Fällen
nun läßt uns jener Grundſatz ganz ohne Entſcheidung, in-
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reren, von dem Rechtsverhältniß betroffenen, Perſonen
durch ihren Wohnſitz das auf das Rechtsverhältniß anzu-
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/147>, abgerufen am 24.11.2024.
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