Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 372. III. Obligationenrecht. Örtliches Recht.

Diese Erklärung hat Schein, aber keine Wahrheit.
Allerdings spricht die dritte Stelle von dem Gerichtsstand,
nicht von dem örtlichen Recht; die zweite aber redet so
allgemein, daß sie eben so gut auf das Eine, wie auf das
Andere, anzuwenden ist. Sind nun die oben aufgestellten
Gründe für den inneren Zusammenhang des örtlichen Rechts
mit dem Gerichtsstand überzeugend, so muß eine praktische
Verschiedenheit in der Behandlung beider Fragen so lange
verneint werden, als nicht bestimmte Zeugnisse für diese
Verschiedenheit aufgewiesen werden können; diese eben sollen
in den oben angegebenen Stellen liegen, und es wird jetzt
hauptsächlich darauf ankommen, durch die Erklärung der
ersten Stelle zu zeigen, daß diese den praktischen Gegensatz
gegen die zwei anderen Stellen, den man darin finden will,
in der That nicht enthält.

Von der ersten Stelle nun, der L. 6 de evict., ist schon
oben bemerkt worden, daß sie eigentlich gar nicht von dem
anzuwendenden örtlichen Recht spricht, sondern von that-
sächlichen Gewohnheiten, die gar nicht Rechtsregeln begrün-
den (§ 356. i. k.). Indessen können wir über dieses Be-
denken hinweggehen, und einen indirecten Gebrauch dieser
Stelle für unsere Frage willig einräumen. Denn dieselbe
Wahrscheinlichkeit, die dafür spricht, daß die Parteien ge-
wisse factische Gewohnheiten des Orts stillschweigend be-
folgen wollten, läßt sich auch geltend machen für ihre frei-
willige Unterwerfung unter das örtliche Recht desselben
Orts. Wir wollen also die Stelle ganz so behandeln, als

§. 372. III. Obligationenrecht. Örtliches Recht.

Dieſe Erklärung hat Schein, aber keine Wahrheit.
Allerdings ſpricht die dritte Stelle von dem Gerichtsſtand,
nicht von dem örtlichen Recht; die zweite aber redet ſo
allgemein, daß ſie eben ſo gut auf das Eine, wie auf das
Andere, anzuwenden iſt. Sind nun die oben aufgeſtellten
Gründe für den inneren Zuſammenhang des örtlichen Rechts
mit dem Gerichtsſtand überzeugend, ſo muß eine praktiſche
Verſchiedenheit in der Behandlung beider Fragen ſo lange
verneint werden, als nicht beſtimmte Zeugniſſe für dieſe
Verſchiedenheit aufgewieſen werden können; dieſe eben ſollen
in den oben angegebenen Stellen liegen, und es wird jetzt
hauptſächlich darauf ankommen, durch die Erklärung der
erſten Stelle zu zeigen, daß dieſe den praktiſchen Gegenſatz
gegen die zwei anderen Stellen, den man darin finden will,
in der That nicht enthält.

Von der erſten Stelle nun, der L. 6 de evict., iſt ſchon
oben bemerkt worden, daß ſie eigentlich gar nicht von dem
anzuwendenden örtlichen Recht ſpricht, ſondern von that-
ſächlichen Gewohnheiten, die gar nicht Rechtsregeln begrün-
den (§ 356. i. k.). Indeſſen können wir über dieſes Be-
denken hinweggehen, und einen indirecten Gebrauch dieſer
Stelle für unſere Frage willig einräumen. Denn dieſelbe
Wahrſcheinlichkeit, die dafür ſpricht, daß die Parteien ge-
wiſſe factiſche Gewohnheiten des Orts ſtillſchweigend be-
folgen wollten, läßt ſich auch geltend machen für ihre frei-
willige Unterwerfung unter das örtliche Recht deſſelben
Orts. Wir wollen alſo die Stelle ganz ſo behandeln, als

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0275" n="253"/>
            <fw place="top" type="header">§. 372. <hi rendition="#aq">III.</hi> Obligationenrecht. Örtliches Recht.</fw><lb/>
            <p>Die&#x017F;e Erklärung hat Schein, aber keine Wahrheit.<lb/>
Allerdings &#x017F;pricht die dritte Stelle von dem Gerichts&#x017F;tand,<lb/>
nicht von dem örtlichen Recht; die zweite aber redet &#x017F;o<lb/>
allgemein, daß &#x017F;ie eben &#x017F;o gut auf das Eine, wie auf das<lb/>
Andere, anzuwenden i&#x017F;t. Sind nun die oben aufge&#x017F;tellten<lb/>
Gründe für den inneren Zu&#x017F;ammenhang des örtlichen Rechts<lb/>
mit dem Gerichts&#x017F;tand überzeugend, &#x017F;o muß eine prakti&#x017F;che<lb/>
Ver&#x017F;chiedenheit in der Behandlung beider Fragen &#x017F;o lange<lb/>
verneint werden, als nicht be&#x017F;timmte Zeugni&#x017F;&#x017F;e für die&#x017F;e<lb/>
Ver&#x017F;chiedenheit aufgewie&#x017F;en werden können; die&#x017F;e eben &#x017F;ollen<lb/>
in den oben angegebenen Stellen liegen, und es wird jetzt<lb/>
haupt&#x017F;ächlich darauf ankommen, durch die Erklärung der<lb/>
er&#x017F;ten Stelle zu zeigen, daß die&#x017F;e den prakti&#x017F;chen Gegen&#x017F;atz<lb/>
gegen die zwei anderen Stellen, den man darin finden will,<lb/>
in der That nicht enthält.</p><lb/>
            <p>Von der er&#x017F;ten Stelle nun, der <hi rendition="#aq">L. 6 de evict.,</hi> i&#x017F;t &#x017F;chon<lb/>
oben bemerkt worden, daß &#x017F;ie eigentlich gar nicht von dem<lb/>
anzuwendenden örtlichen Recht &#x017F;pricht, &#x017F;ondern von that-<lb/>
&#x017F;ächlichen Gewohnheiten, die gar nicht Rechtsregeln begrün-<lb/>
den (§ 356. <hi rendition="#aq">i. k.</hi>). Inde&#x017F;&#x017F;en können wir über die&#x017F;es Be-<lb/>
denken hinweggehen, und einen indirecten Gebrauch die&#x017F;er<lb/>
Stelle für un&#x017F;ere Frage willig einräumen. Denn die&#x017F;elbe<lb/>
Wahr&#x017F;cheinlichkeit, die dafür &#x017F;pricht, daß die Parteien ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;e facti&#x017F;che Gewohnheiten des Orts &#x017F;till&#x017F;chweigend be-<lb/>
folgen wollten, läßt &#x017F;ich auch geltend machen für ihre frei-<lb/>
willige Unterwerfung unter das örtliche Recht de&#x017F;&#x017F;elben<lb/>
Orts. Wir wollen al&#x017F;o die Stelle ganz &#x017F;o behandeln, als<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[253/0275] §. 372. III. Obligationenrecht. Örtliches Recht. Dieſe Erklärung hat Schein, aber keine Wahrheit. Allerdings ſpricht die dritte Stelle von dem Gerichtsſtand, nicht von dem örtlichen Recht; die zweite aber redet ſo allgemein, daß ſie eben ſo gut auf das Eine, wie auf das Andere, anzuwenden iſt. Sind nun die oben aufgeſtellten Gründe für den inneren Zuſammenhang des örtlichen Rechts mit dem Gerichtsſtand überzeugend, ſo muß eine praktiſche Verſchiedenheit in der Behandlung beider Fragen ſo lange verneint werden, als nicht beſtimmte Zeugniſſe für dieſe Verſchiedenheit aufgewieſen werden können; dieſe eben ſollen in den oben angegebenen Stellen liegen, und es wird jetzt hauptſächlich darauf ankommen, durch die Erklärung der erſten Stelle zu zeigen, daß dieſe den praktiſchen Gegenſatz gegen die zwei anderen Stellen, den man darin finden will, in der That nicht enthält. Von der erſten Stelle nun, der L. 6 de evict., iſt ſchon oben bemerkt worden, daß ſie eigentlich gar nicht von dem anzuwendenden örtlichen Recht ſpricht, ſondern von that- ſächlichen Gewohnheiten, die gar nicht Rechtsregeln begrün- den (§ 356. i. k.). Indeſſen können wir über dieſes Be- denken hinweggehen, und einen indirecten Gebrauch dieſer Stelle für unſere Frage willig einräumen. Denn dieſelbe Wahrſcheinlichkeit, die dafür ſpricht, daß die Parteien ge- wiſſe factiſche Gewohnheiten des Orts ſtillſchweigend be- folgen wollten, läßt ſich auch geltend machen für ihre frei- willige Unterwerfung unter das örtliche Recht deſſelben Orts. Wir wollen alſo die Stelle ganz ſo behandeln, als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/275
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/275>, abgerufen am 25.11.2024.