Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.§. 376. IV. Erbrecht. (Forts.) theidigt (wie man vielleicht glauben könnte in Beziehungauf die Universalsuccession), sondern auch, im richtigen Ge- fühl des praktischen Bedürfnisses, eben so von Germa- nisten (i); auch hat sich die Praxis der höheren Gerichte dafür entschieden (k). -- Die eigentliche Begründung dieser Meinung liegt in der oben entwickelten Natur des Erbrechts über- haupt, und diese Begründung ist auf Testamente eben so anwendbar, wie auf die Intestaterbfolge. Bei der Intestat- erbfolge aber kommt noch folgende Rücksicht in Betracht. Dieselbe beruht überhaupt auf dem präsumtiven, also still- schweigenden, Willen des Verstorbenen; nicht als ob von dieser bestimmten Person für ihre individuellen Verhältnisse ein solcher Wille als sichere Thatsache behauptet würde, sondern indem jedes positive Recht eine allgemeine Vermu- thung aufstellt, so wie sie der Natur der Familienverhält- nisse angemessen erscheint. Daß nun eine solche Präsum- tion in verschiedenen Gesetzgebungen so oder anders ange- nommen werden kann, ist ganz natürlich. Dagegen würde es sehr unnatürlich seyn, in einem einzelnen gegebenen Fall ganz richtig auf folgende Weise: der Staat wolle durch die Erbfolge- gesetze nicht das Schicksal der Ob- jecte (der Güter) reguliren, sondern das der Subjecte, der Personen; daher richte er solche Gesetze an die Staatsangehörigen (die Ein- wohner), und die Erbfolge in das Vermögen verstorbener Aus- länder sey ihm gleichgültig. -- Das ist nur ein anderer Ausdruck dafür, daß Erbfolgegesetze als Personalstatute beabsichtigt werden, nicht als Realstatute. (i) Eichhorn deutsches Recht § 35. Mittermaier deutsches Recht § 32. (k) O. A. Gericht zu Cassel
1840. Seuffert Archiv B. 1 N. 92. §. 376. IV. Erbrecht. (Fortſ.) theidigt (wie man vielleicht glauben könnte in Beziehungauf die Univerſalſucceſſion), ſondern auch, im richtigen Ge- fühl des praktiſchen Bedürfniſſes, eben ſo von Germa- niſten (i); auch hat ſich die Praxis der höheren Gerichte dafür entſchieden (k). — Die eigentliche Begründung dieſer Meinung liegt in der oben entwickelten Natur des Erbrechts über- haupt, und dieſe Begründung iſt auf Teſtamente eben ſo anwendbar, wie auf die Inteſtaterbfolge. Bei der Inteſtat- erbfolge aber kommt noch folgende Rückſicht in Betracht. Dieſelbe beruht überhaupt auf dem präſumtiven, alſo ſtill- ſchweigenden, Willen des Verſtorbenen; nicht als ob von dieſer beſtimmten Perſon für ihre individuellen Verhältniſſe ein ſolcher Wille als ſichere Thatſache behauptet würde, ſondern indem jedes poſitive Recht eine allgemeine Vermu- thung aufſtellt, ſo wie ſie der Natur der Familienverhält- niſſe angemeſſen erſcheint. Daß nun eine ſolche Präſum- tion in verſchiedenen Geſetzgebungen ſo oder anders ange- nommen werden kann, iſt ganz natürlich. Dagegen würde es ſehr unnatürlich ſeyn, in einem einzelnen gegebenen Fall ganz richtig auf folgende Weiſe: der Staat wolle durch die Erbfolge- geſetze nicht das Schickſal der Ob- jecte (der Güter) reguliren, ſondern das der Subjecte, der Perſonen; daher richte er ſolche Geſetze an die Staatsangehörigen (die Ein- wohner), und die Erbfolge in das Vermögen verſtorbener Aus- länder ſey ihm gleichgültig. — Das iſt nur ein anderer Ausdruck dafür, daß Erbfolgegeſetze als Perſonalſtatute beabſichtigt werden, nicht als Realſtatute. (i) Eichhorn deutſches Recht § 35. Mittermaier deutſches Recht § 32. (k) O. A. Gericht zu Caſſel
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§. 376. IV. Erbrecht. (Fortſ.)
theidigt (wie man vielleicht glauben könnte in Beziehung
auf die Univerſalſucceſſion), ſondern auch, im richtigen Ge-
fühl des praktiſchen Bedürfniſſes, eben ſo von Germa-
niſten (i); auch hat ſich die Praxis der höheren Gerichte dafür
entſchieden (k). — Die eigentliche Begründung dieſer Meinung
liegt in der oben entwickelten Natur des Erbrechts über-
haupt, und dieſe Begründung iſt auf Teſtamente eben ſo
anwendbar, wie auf die Inteſtaterbfolge. Bei der Inteſtat-
erbfolge aber kommt noch folgende Rückſicht in Betracht.
Dieſelbe beruht überhaupt auf dem präſumtiven, alſo ſtill-
ſchweigenden, Willen des Verſtorbenen; nicht als ob von
dieſer beſtimmten Perſon für ihre individuellen Verhältniſſe
ein ſolcher Wille als ſichere Thatſache behauptet würde,
ſondern indem jedes poſitive Recht eine allgemeine Vermu-
thung aufſtellt, ſo wie ſie der Natur der Familienverhält-
niſſe angemeſſen erſcheint. Daß nun eine ſolche Präſum-
tion in verſchiedenen Geſetzgebungen ſo oder anders ange-
nommen werden kann, iſt ganz natürlich. Dagegen würde
es ſehr unnatürlich ſeyn, in einem einzelnen gegebenen Fall
(h)
(i) Eichhorn deutſches Recht
§ 35. Mittermaier deutſches
Recht § 32.
(k) O. A. Gericht zu Caſſel
1840. Seuffert Archiv B. 1
N. 92.
(h) ganz richtig auf folgende Weiſe:
der Staat wolle durch die Erbfolge-
geſetze nicht das Schickſal der Ob-
jecte (der Güter) reguliren, ſondern
das der Subjecte, der Perſonen;
daher richte er ſolche Geſetze an
die Staatsangehörigen (die Ein-
wohner), und die Erbfolge in
das Vermögen verſtorbener Aus-
länder ſey ihm gleichgültig. —
Das iſt nur ein anderer Ausdruck
dafür, daß Erbfolgegeſetze als
Perſonalſtatute beabſichtigt werden,
nicht als Realſtatute.
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Zitationshilfe: | Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/325>, abgerufen am 23.06.2024. |