Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
Was zuerst die Bezeichnung dieser zwei Gattungen von Regeln betrifft, so habe ich diejenige gewählt, welche vor- zugsweise durch sich selbst verständlich zu seyn schien. Man könnte sie auch dadurch zu unterscheiden suchen, daß man die eine Gattung auf das Recht im subjectiven, die andere auf das Recht im objectiven Sinn bezöge (c). Oder so, daß die eine Gattung auf die bleibende Natur (das Permanente) der Rechtsverhältnisse bezogen würde, die andere auf das Bewegliche in denselben.
Die Gränze der beiden Gattungen von Rechtsregeln ist nicht überall unzweifelhaft, indem es bei manchen ungewiß erscheinen kann, ob sie der einen oder der andern Gattung angehören. Solche Zweifel sind nur durch genaue Erwä- gung des Sinnes und der Absicht neuer Gesetze zu lösen (§ 398).
Die erste Gattung von Rechtsregeln wurde bezogen auf den Erwerb der Rechte; indessen ist darin auch der Verlust derselben, die Auflösung der Rechtsverhältnisse (ihre Abtren- nung von der Person des bisherigen Inhabers) mit inbe- griffen, und nur der Kürze wegen nicht mit ausgedrückt (d). In den meisten und wichtigsten Anwendungen fällt ohne- hin Beides völlig zusammen; so bei der Veräußerung, der Usucapion, der Klagverjährung, der Auflösung einer
(c) S. o. B. 1 § 4. 5.
(d) Es hätte daher diese Gat- tung auch bezeichnet werden können als: Regeln für die juristi- schen Thatsachen (B. 3 § 104). Ich habe diesen Ausdruck als zu abstract lautend vermieden.
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
Was zuerſt die Bezeichnung dieſer zwei Gattungen von Regeln betrifft, ſo habe ich diejenige gewählt, welche vor- zugsweiſe durch ſich ſelbſt verſtändlich zu ſeyn ſchien. Man könnte ſie auch dadurch zu unterſcheiden ſuchen, daß man die eine Gattung auf das Recht im ſubjectiven, die andere auf das Recht im objectiven Sinn bezöge (c). Oder ſo, daß die eine Gattung auf die bleibende Natur (das Permanente) der Rechtsverhältniſſe bezogen würde, die andere auf das Bewegliche in denſelben.
Die Gränze der beiden Gattungen von Rechtsregeln iſt nicht überall unzweifelhaft, indem es bei manchen ungewiß erſcheinen kann, ob ſie der einen oder der andern Gattung angehören. Solche Zweifel ſind nur durch genaue Erwä- gung des Sinnes und der Abſicht neuer Geſetze zu löſen (§ 398).
Die erſte Gattung von Rechtsregeln wurde bezogen auf den Erwerb der Rechte; indeſſen iſt darin auch der Verluſt derſelben, die Auflöſung der Rechtsverhältniſſe (ihre Abtren- nung von der Perſon des bisherigen Inhabers) mit inbe- griffen, und nur der Kürze wegen nicht mit ausgedrückt (d). In den meiſten und wichtigſten Anwendungen fällt ohne- hin Beides völlig zuſammen; ſo bei der Veräußerung, der Uſucapion, der Klagverjährung, der Auflöſung einer
(c) S. o. B. 1 § 4. 5.
(d) Es hätte daher dieſe Gat- tung auch bezeichnet werden können als: Regeln für die juriſti- ſchen Thatſachen (B. 3 § 104). Ich habe dieſen Ausdruck als zu abſtract lautend vermieden.
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Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
Was zuerſt die Bezeichnung dieſer zwei Gattungen von
Regeln betrifft, ſo habe ich diejenige gewählt, welche vor-
zugsweiſe durch ſich ſelbſt verſtändlich zu ſeyn ſchien.
Man könnte ſie auch dadurch zu unterſcheiden ſuchen, daß
man die eine Gattung auf das Recht im ſubjectiven, die
andere auf das Recht im objectiven Sinn bezöge (c).
Oder ſo, daß die eine Gattung auf die bleibende Natur
(das Permanente) der Rechtsverhältniſſe bezogen würde,
die andere auf das Bewegliche in denſelben.
Die Gränze der beiden Gattungen von Rechtsregeln iſt
nicht überall unzweifelhaft, indem es bei manchen ungewiß
erſcheinen kann, ob ſie der einen oder der andern Gattung
angehören. Solche Zweifel ſind nur durch genaue Erwä-
gung des Sinnes und der Abſicht neuer Geſetze zu löſen
(§ 398).
Die erſte Gattung von Rechtsregeln wurde bezogen auf
den Erwerb der Rechte; indeſſen iſt darin auch der Verluſt
derſelben, die Auflöſung der Rechtsverhältniſſe (ihre Abtren-
nung von der Perſon des bisherigen Inhabers) mit inbe-
griffen, und nur der Kürze wegen nicht mit ausgedrückt (d).
In den meiſten und wichtigſten Anwendungen fällt ohne-
hin Beides völlig zuſammen; ſo bei der Veräußerung, der
Uſucapion, der Klagverjährung, der Auflöſung einer
(c) S. o. B. 1 § 4. 5.
(d) Es hätte daher dieſe Gat-
tung auch bezeichnet werden können
als: Regeln für die juriſti-
ſchen Thatſachen (B. 3 § 104).
Ich habe dieſen Ausdruck als zu
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/400>, abgerufen am 22.11.2024.
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