Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
selbst verstanden haben, da diese Vorschrift künftig, wie im
Ganzen, so auch in der Anwendung auf jeden einzelnen
künftigen Fall, wieder aufgehoben werden konnte.

Wichtig ist noch der Standpunkt, von welchem aus die
Verordnung erlassen wird. Sie ist nicht gemeint als eine
aus neuer Erfindung hervorgehende Vorschrift, vor welcher
also etwa das Gegentheil anzunehmen gewesen wäre. Viel-
mehr will sie nur aussprechen, Was aus der Natur und
Bestimmung der Gesetzgebung als Regel nothwendig folge
(certum est), also eine Belehrung geben zur Abwendung
möglicher Irrthümer der Richter über diese Frage. Auch
dürfen wir nicht zweifeln, daß jene Regel von jeher von
den Römischen Juristen als wahr anerkannt worden ist,
und es ist nur zufällig, daß uns nicht Aussprüche derselben
aus älterer Zeit aufbewahrt sind (b1).

Endlich ist oben bemerkt worden, daß neue Gesetze auf
zweierlei Weise vorkommen können: als einzeln stehende,
besondere Vorschriften (§ 383. Num. 1), oder im Zusam-
menhang eines ganzen Gesetzbuchs, also eines mit Gesetzes-
kraft versehenen Systems von Rechtsregeln (§ 383. Num. 2.
3. 4.). In der hier vorliegenden Verordnung ist augen-
scheinlich nur an den ersten Fall gedacht, der Inhalt der-
selben paßt aber ganz eben so auch auf den zweiten.


(b1) Sehr bestimmt findet sich die Regel anerkannt bei Cicero in
Verrem I.
42, und zwar als Etwas, das von jeher als unzweifelhaft
angesehen worden sey.

Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
ſelbſt verſtanden haben, da dieſe Vorſchrift künftig, wie im
Ganzen, ſo auch in der Anwendung auf jeden einzelnen
künftigen Fall, wieder aufgehoben werden konnte.

Wichtig iſt noch der Standpunkt, von welchem aus die
Verordnung erlaſſen wird. Sie iſt nicht gemeint als eine
aus neuer Erfindung hervorgehende Vorſchrift, vor welcher
alſo etwa das Gegentheil anzunehmen geweſen wäre. Viel-
mehr will ſie nur ausſprechen, Was aus der Natur und
Beſtimmung der Geſetzgebung als Regel nothwendig folge
(certum est), alſo eine Belehrung geben zur Abwendung
möglicher Irrthümer der Richter über dieſe Frage. Auch
dürfen wir nicht zweifeln, daß jene Regel von jeher von
den Römiſchen Juriſten als wahr anerkannt worden iſt,
und es iſt nur zufällig, daß uns nicht Ausſprüche derſelben
aus älterer Zeit aufbewahrt ſind (b¹).

Endlich iſt oben bemerkt worden, daß neue Geſetze auf
zweierlei Weiſe vorkommen können: als einzeln ſtehende,
beſondere Vorſchriften (§ 383. Num. 1), oder im Zuſam-
menhang eines ganzen Geſetzbuchs, alſo eines mit Geſetzes-
kraft verſehenen Syſtems von Rechtsregeln (§ 383. Num. 2.
3. 4.). In der hier vorliegenden Verordnung iſt augen-
ſcheinlich nur an den erſten Fall gedacht, der Inhalt der-
ſelben paßt aber ganz eben ſo auch auf den zweiten.


(b¹) Sehr beſtimmt findet ſich die Regel anerkannt bei Cicero in
Verrem I.
42, und zwar als Etwas, das von jeher als unzweifelhaft
angeſehen worden ſey.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0416" n="394"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">III.</hi> Herr&#x017F;chaft der Rechtsregeln. Kap. <hi rendition="#aq">II.</hi> Zeitliche Gränzen.</fw><lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t ver&#x017F;tanden haben, da die&#x017F;e Vor&#x017F;chrift künftig, wie im<lb/>
Ganzen, &#x017F;o auch in der Anwendung auf jeden einzelnen<lb/>
künftigen Fall, wieder aufgehoben werden konnte.</p><lb/>
            <p>Wichtig i&#x017F;t noch der Standpunkt, von welchem aus die<lb/>
Verordnung erla&#x017F;&#x017F;en wird. Sie i&#x017F;t nicht gemeint als eine<lb/>
aus neuer Erfindung hervorgehende Vor&#x017F;chrift, vor welcher<lb/>
al&#x017F;o etwa das Gegentheil anzunehmen gewe&#x017F;en wäre. Viel-<lb/>
mehr will &#x017F;ie nur aus&#x017F;prechen, Was aus der Natur und<lb/>
Be&#x017F;timmung der Ge&#x017F;etzgebung als Regel nothwendig folge<lb/>
(<hi rendition="#aq">certum est</hi>), al&#x017F;o eine Belehrung geben zur Abwendung<lb/>
möglicher Irrthümer der Richter über die&#x017F;e Frage. Auch<lb/>
dürfen wir nicht zweifeln, daß jene Regel von jeher von<lb/>
den Römi&#x017F;chen Juri&#x017F;ten als wahr anerkannt worden i&#x017F;t,<lb/>
und es i&#x017F;t nur zufällig, daß uns nicht Aus&#x017F;prüche der&#x017F;elben<lb/>
aus älterer Zeit aufbewahrt &#x017F;ind <note place="foot" n="(b¹)">Sehr be&#x017F;timmt findet &#x017F;ich die Regel anerkannt bei <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Cicero</hi> in<lb/>
Verrem I.</hi> 42, und zwar als Etwas, das von jeher als unzweifelhaft<lb/>
ange&#x017F;ehen worden &#x017F;ey.</note>.</p><lb/>
            <p>Endlich i&#x017F;t oben bemerkt worden, daß neue Ge&#x017F;etze auf<lb/>
zweierlei Wei&#x017F;e vorkommen können: als einzeln &#x017F;tehende,<lb/>
be&#x017F;ondere Vor&#x017F;chriften (§ 383. Num. 1), oder im Zu&#x017F;am-<lb/>
menhang eines ganzen Ge&#x017F;etzbuchs, al&#x017F;o eines mit Ge&#x017F;etzes-<lb/>
kraft ver&#x017F;ehenen Sy&#x017F;tems von Rechtsregeln (§ 383. Num. 2.<lb/>
3. 4.). In der hier vorliegenden Verordnung i&#x017F;t augen-<lb/>
&#x017F;cheinlich nur an den er&#x017F;ten Fall gedacht, der Inhalt der-<lb/>
&#x017F;elben paßt aber ganz eben &#x017F;o auch auf den zweiten.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[394/0416] Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen. ſelbſt verſtanden haben, da dieſe Vorſchrift künftig, wie im Ganzen, ſo auch in der Anwendung auf jeden einzelnen künftigen Fall, wieder aufgehoben werden konnte. Wichtig iſt noch der Standpunkt, von welchem aus die Verordnung erlaſſen wird. Sie iſt nicht gemeint als eine aus neuer Erfindung hervorgehende Vorſchrift, vor welcher alſo etwa das Gegentheil anzunehmen geweſen wäre. Viel- mehr will ſie nur ausſprechen, Was aus der Natur und Beſtimmung der Geſetzgebung als Regel nothwendig folge (certum est), alſo eine Belehrung geben zur Abwendung möglicher Irrthümer der Richter über dieſe Frage. Auch dürfen wir nicht zweifeln, daß jene Regel von jeher von den Römiſchen Juriſten als wahr anerkannt worden iſt, und es iſt nur zufällig, daß uns nicht Ausſprüche derſelben aus älterer Zeit aufbewahrt ſind (b¹). Endlich iſt oben bemerkt worden, daß neue Geſetze auf zweierlei Weiſe vorkommen können: als einzeln ſtehende, beſondere Vorſchriften (§ 383. Num. 1), oder im Zuſam- menhang eines ganzen Geſetzbuchs, alſo eines mit Geſetzes- kraft verſehenen Syſtems von Rechtsregeln (§ 383. Num. 2. 3. 4.). In der hier vorliegenden Verordnung iſt augen- ſcheinlich nur an den erſten Fall gedacht, der Inhalt der- ſelben paßt aber ganz eben ſo auch auf den zweiten. (b¹) Sehr beſtimmt findet ſich die Regel anerkannt bei Cicero in Verrem I. 42, und zwar als Etwas, das von jeher als unzweifelhaft angeſehen worden ſey.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/416
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/416>, abgerufen am 22.11.2024.