Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. II Zeitliche Gränzen.
Was den Gesetzgeber betrifft, so war in dem Entwurf eine Stelle aufgenommen, welche den Vorbehalt von Aus- nahmen, übereinstimmend mit dem Römischen Recht, aus- drücken sollte (a). Dieser Vorbehalt ist in dem Landrecht weggelassen worden, und es ist an die Stelle desselben die allgemeine Ausnahme getreten, daß neue Strafgesetze, so- fern sie milder seyen, als die alten, auch auf frühere Ver- brechen angewendet werden sollen (b). -- Diese Weglas- sung ist jedoch ganz unerheblich, indem es sich ohnehin von selbst versteht, daß in jedem einzelnen künftigen Fall der Gesetzgeber berechtigt ist, einem neuen Gesetze ausnahms- weise die rückwirkende Kraft besonders beizulegen.
Die oben angeführte Vorschrift stimmt mit dem Römi- schen Recht auch darin überein, daß sie ausdrücklich die juristischen Thatsachen der früheren Zeit ("Handlungen und Begebenheiten") der Einwirkung des neuen Gesetzes entzieht, also sowohl die vergangenen als die zukünftigen Wirkungen dieser früheren Thatsachen davon unabhängig erhält.
Neben dieser allgemeinen Bestimmung, die für alle ge- genwärtige und künftige Gesetze die zeitliche Gränze ihrer
(a) Entwurf eines Gesetzbuchs Einleit. § 20. "Nur der Landes- herr kann, aus überwiegenden Gründen des gemeinen Besten, ein neues Gesetz auch auf ver- gangene Fälle zurückerstrecken."
(b) Einleitung zum A. L. R. § 18--20. Eine andere, die Form der Rechtsgeschäfte betreffende Aus- nahme (§ 16. 17) wird weiter unten (§ 388. c) erwähnt werden.
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II Zeitliche Gränzen.
Was den Geſetzgeber betrifft, ſo war in dem Entwurf eine Stelle aufgenommen, welche den Vorbehalt von Aus- nahmen, übereinſtimmend mit dem Römiſchen Recht, aus- drücken ſollte (a). Dieſer Vorbehalt iſt in dem Landrecht weggelaſſen worden, und es iſt an die Stelle deſſelben die allgemeine Ausnahme getreten, daß neue Strafgeſetze, ſo- fern ſie milder ſeyen, als die alten, auch auf frühere Ver- brechen angewendet werden ſollen (b). — Dieſe Weglaſ- ſung iſt jedoch ganz unerheblich, indem es ſich ohnehin von ſelbſt verſteht, daß in jedem einzelnen künftigen Fall der Geſetzgeber berechtigt iſt, einem neuen Geſetze ausnahms- weiſe die rückwirkende Kraft beſonders beizulegen.
Die oben angeführte Vorſchrift ſtimmt mit dem Römi- ſchen Recht auch darin überein, daß ſie ausdrücklich die juriſtiſchen Thatſachen der früheren Zeit („Handlungen und Begebenheiten“) der Einwirkung des neuen Geſetzes entzieht, alſo ſowohl die vergangenen als die zukünftigen Wirkungen dieſer früheren Thatſachen davon unabhängig erhält.
Neben dieſer allgemeinen Beſtimmung, die für alle ge- genwärtige und künftige Geſetze die zeitliche Gränze ihrer
(a) Entwurf eines Geſetzbuchs Einleit. § 20. „Nur der Landes- herr kann, aus überwiegenden Gründen des gemeinen Beſten, ein neues Geſetz auch auf ver- gangene Fälle zurückerſtrecken.“
(b) Einleitung zum A. L. R. § 18—20. Eine andere, die Form der Rechtsgeſchäfte betreffende Aus- nahme (§ 16. 17) wird weiter unten (§ 388. c) erwähnt werden.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0422"n="400"/><fwplace="top"type="header">Buch <hirendition="#aq">III.</hi> Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. <hirendition="#aq">II</hi> Zeitliche Gränzen.</fw><lb/><p>Was den Geſetzgeber betrifft, ſo war in dem Entwurf<lb/>
eine Stelle aufgenommen, welche den Vorbehalt von Aus-<lb/>
nahmen, übereinſtimmend mit dem Römiſchen Recht, aus-<lb/>
drücken ſollte <noteplace="foot"n="(a)">Entwurf eines Geſetzbuchs<lb/>
Einleit. § 20. „Nur der Landes-<lb/>
herr kann, aus überwiegenden<lb/>
Gründen des gemeinen Beſten,<lb/>
ein neues Geſetz auch auf ver-<lb/>
gangene Fälle zurückerſtrecken.“</note>. Dieſer Vorbehalt iſt in dem Landrecht<lb/>
weggelaſſen worden, und es iſt an die Stelle deſſelben die<lb/>
allgemeine Ausnahme getreten, daß neue Strafgeſetze, ſo-<lb/>
fern ſie milder ſeyen, als die alten, auch auf frühere Ver-<lb/>
brechen angewendet werden ſollen <noteplace="foot"n="(b)">Einleitung zum A. L. R.<lb/>
§ 18—20. Eine andere, die Form<lb/>
der Rechtsgeſchäfte betreffende Aus-<lb/>
nahme (§ 16. 17) wird weiter<lb/>
unten (§ 388. <hirendition="#aq">c</hi>) erwähnt werden.</note>. — Dieſe Weglaſ-<lb/>ſung iſt jedoch ganz unerheblich, indem es ſich ohnehin von<lb/>ſelbſt verſteht, daß in jedem einzelnen künftigen Fall der<lb/>
Geſetzgeber berechtigt iſt, einem neuen Geſetze ausnahms-<lb/>
weiſe die rückwirkende Kraft beſonders beizulegen.</p><lb/><p>Die oben angeführte Vorſchrift ſtimmt mit dem Römi-<lb/>ſchen Recht auch darin überein, daß ſie ausdrücklich die<lb/>
juriſtiſchen <hirendition="#g">Thatſachen</hi> der früheren Zeit („Handlungen<lb/>
und Begebenheiten“) der Einwirkung des neuen Geſetzes<lb/>
entzieht, alſo ſowohl die vergangenen als die zukünftigen<lb/>
Wirkungen dieſer früheren Thatſachen davon unabhängig<lb/>
erhält.</p><lb/><p>Neben dieſer allgemeinen Beſtimmung, die für alle ge-<lb/>
genwärtige und künftige Geſetze die zeitliche Gränze ihrer<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[400/0422]
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II Zeitliche Gränzen.
Was den Geſetzgeber betrifft, ſo war in dem Entwurf
eine Stelle aufgenommen, welche den Vorbehalt von Aus-
nahmen, übereinſtimmend mit dem Römiſchen Recht, aus-
drücken ſollte (a). Dieſer Vorbehalt iſt in dem Landrecht
weggelaſſen worden, und es iſt an die Stelle deſſelben die
allgemeine Ausnahme getreten, daß neue Strafgeſetze, ſo-
fern ſie milder ſeyen, als die alten, auch auf frühere Ver-
brechen angewendet werden ſollen (b). — Dieſe Weglaſ-
ſung iſt jedoch ganz unerheblich, indem es ſich ohnehin von
ſelbſt verſteht, daß in jedem einzelnen künftigen Fall der
Geſetzgeber berechtigt iſt, einem neuen Geſetze ausnahms-
weiſe die rückwirkende Kraft beſonders beizulegen.
Die oben angeführte Vorſchrift ſtimmt mit dem Römi-
ſchen Recht auch darin überein, daß ſie ausdrücklich die
juriſtiſchen Thatſachen der früheren Zeit („Handlungen
und Begebenheiten“) der Einwirkung des neuen Geſetzes
entzieht, alſo ſowohl die vergangenen als die zukünftigen
Wirkungen dieſer früheren Thatſachen davon unabhängig
erhält.
Neben dieſer allgemeinen Beſtimmung, die für alle ge-
genwärtige und künftige Geſetze die zeitliche Gränze ihrer
(a) Entwurf eines Geſetzbuchs
Einleit. § 20. „Nur der Landes-
herr kann, aus überwiegenden
Gründen des gemeinen Beſten,
ein neues Geſetz auch auf ver-
gangene Fälle zurückerſtrecken.“
(b) Einleitung zum A. L. R.
§ 18—20. Eine andere, die Form
der Rechtsgeſchäfte betreffende Aus-
nahme (§ 16. 17) wird weiter
unten (§ 388. c) erwähnt werden.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/422>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.