Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
sentanten die zwei wichtigsten derselben, die Usucapion und die Klagverjährung, gelten mögen.
Wenn nun ein neues Gesetz das Recht der Usucapion oder der Klagverjährung in irgend einem Punkte abändert, so sind dabei folgende Fälle möglich.
Das neue Gesetz kann erscheinen vor dem Anfang der Usucapion. Dann hat es keinen Zweifel, daß es diese spätere Usucapion vollständig beherrschen muß, so daß dabei von dem alten Gesetz nicht mehr die Rede seyn kann. -- Es kann ferner erscheinen, nachdem eine Usucapion schon vollendet ist. Dann hat es wiederum keinen Zweifel, daß darauf das neue Gesetz gar nicht angewendet werden darf. Der unter dem alten Gesetz vollzogene Erwerb eines Rechts muß vielmehr vollständig aufrecht erhalten werden. -- End- lich aber kann das neue Gesetz auch erscheinen während des Zeitraums, in welchem die Usucapion noch laufend ist; später, als der Anfang, früher, als das Ende derselben. Das sind die zweifelhaften Fälle, für welche wir nunmehr die Regel aufzustellen haben.
Während dieses Zeitraums ist durchaus noch kein Recht erworben, es ist nur ein Erwerb vorbereitet. Daher muß auch das neue Gesetz sogleich wirksam in diesen un- vollendeten Zustand eingreifen. Zwar war auch in dieser Zeit die Erwartung eines Erwerbes erregt, und diese Er- wartung konnte mehr oder weniger nahe liegen; aber bloße Erwartungen werden überhaupt nicht durch den die Rück-
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
ſentanten die zwei wichtigſten derſelben, die Uſucapion und die Klagverjährung, gelten mögen.
Wenn nun ein neues Geſetz das Recht der Uſucapion oder der Klagverjährung in irgend einem Punkte abändert, ſo ſind dabei folgende Fälle möglich.
Das neue Geſetz kann erſcheinen vor dem Anfang der Uſucapion. Dann hat es keinen Zweifel, daß es dieſe ſpätere Uſucapion vollſtändig beherrſchen muß, ſo daß dabei von dem alten Geſetz nicht mehr die Rede ſeyn kann. — Es kann ferner erſcheinen, nachdem eine Uſucapion ſchon vollendet iſt. Dann hat es wiederum keinen Zweifel, daß darauf das neue Geſetz gar nicht angewendet werden darf. Der unter dem alten Geſetz vollzogene Erwerb eines Rechts muß vielmehr vollſtändig aufrecht erhalten werden. — End- lich aber kann das neue Geſetz auch erſcheinen während des Zeitraums, in welchem die Uſucapion noch laufend iſt; ſpäter, als der Anfang, früher, als das Ende derſelben. Das ſind die zweifelhaften Fälle, für welche wir nunmehr die Regel aufzuſtellen haben.
Während dieſes Zeitraums iſt durchaus noch kein Recht erworben, es iſt nur ein Erwerb vorbereitet. Daher muß auch das neue Geſetz ſogleich wirkſam in dieſen un- vollendeten Zuſtand eingreifen. Zwar war auch in dieſer Zeit die Erwartung eines Erwerbes erregt, und dieſe Er- wartung konnte mehr oder weniger nahe liegen; aber bloße Erwartungen werden überhaupt nicht durch den die Rück-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0450"n="428"/><fwplace="top"type="header">Buch <hirendition="#aq">III.</hi> Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. <hirendition="#aq">II.</hi> Zeitliche Gränzen.</fw><lb/>ſentanten die zwei wichtigſten derſelben, die Uſucapion und<lb/>
die Klagverjährung, gelten mögen.</p><lb/><p>Wenn nun ein neues Geſetz das Recht der Uſucapion<lb/>
oder der Klagverjährung in irgend einem Punkte abändert,<lb/>ſo ſind dabei folgende Fälle möglich.</p><lb/><p>Das neue Geſetz kann erſcheinen vor dem Anfang der<lb/>
Uſucapion. Dann hat es keinen Zweifel, daß es dieſe<lb/>ſpätere Uſucapion vollſtändig beherrſchen muß, ſo daß dabei<lb/>
von dem alten Geſetz nicht mehr die Rede ſeyn kann. —<lb/>
Es kann ferner erſcheinen, nachdem eine Uſucapion ſchon<lb/>
vollendet iſt. Dann hat es wiederum keinen Zweifel, daß<lb/>
darauf das neue Geſetz gar nicht angewendet werden darf.<lb/>
Der unter dem alten Geſetz vollzogene Erwerb eines Rechts<lb/>
muß vielmehr vollſtändig aufrecht erhalten werden. — End-<lb/>
lich aber kann das neue Geſetz auch erſcheinen während des<lb/>
Zeitraums, in welchem die Uſucapion noch laufend iſt;<lb/>ſpäter, als der Anfang, früher, als das Ende derſelben.<lb/>
Das ſind die zweifelhaften Fälle, für welche wir nunmehr<lb/>
die Regel aufzuſtellen haben.</p><lb/><p>Während dieſes Zeitraums iſt durchaus noch kein<lb/>
Recht erworben, es iſt nur ein Erwerb vorbereitet. Daher<lb/>
muß auch das neue Geſetz ſogleich wirkſam in dieſen un-<lb/>
vollendeten Zuſtand eingreifen. Zwar war auch in dieſer<lb/>
Zeit die Erwartung eines Erwerbes erregt, und dieſe Er-<lb/>
wartung konnte mehr oder weniger nahe liegen; aber bloße<lb/>
Erwartungen werden überhaupt nicht durch den die Rück-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[428/0450]
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
ſentanten die zwei wichtigſten derſelben, die Uſucapion und
die Klagverjährung, gelten mögen.
Wenn nun ein neues Geſetz das Recht der Uſucapion
oder der Klagverjährung in irgend einem Punkte abändert,
ſo ſind dabei folgende Fälle möglich.
Das neue Geſetz kann erſcheinen vor dem Anfang der
Uſucapion. Dann hat es keinen Zweifel, daß es dieſe
ſpätere Uſucapion vollſtändig beherrſchen muß, ſo daß dabei
von dem alten Geſetz nicht mehr die Rede ſeyn kann. —
Es kann ferner erſcheinen, nachdem eine Uſucapion ſchon
vollendet iſt. Dann hat es wiederum keinen Zweifel, daß
darauf das neue Geſetz gar nicht angewendet werden darf.
Der unter dem alten Geſetz vollzogene Erwerb eines Rechts
muß vielmehr vollſtändig aufrecht erhalten werden. — End-
lich aber kann das neue Geſetz auch erſcheinen während des
Zeitraums, in welchem die Uſucapion noch laufend iſt;
ſpäter, als der Anfang, früher, als das Ende derſelben.
Das ſind die zweifelhaften Fälle, für welche wir nunmehr
die Regel aufzuſtellen haben.
Während dieſes Zeitraums iſt durchaus noch kein
Recht erworben, es iſt nur ein Erwerb vorbereitet. Daher
muß auch das neue Geſetz ſogleich wirkſam in dieſen un-
vollendeten Zuſtand eingreifen. Zwar war auch in dieſer
Zeit die Erwartung eines Erwerbes erregt, und dieſe Er-
wartung konnte mehr oder weniger nahe liegen; aber bloße
Erwartungen werden überhaupt nicht durch den die Rück-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/450>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.