Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
gezogen (n), der doch gewiß auf diese Frage keinen Einfluß haben kann. Die völlige Grundlosigkeit dieser ganzen Lehre wird aber recht anschaulich werden aus folgender Uebersicht über die wichtigsten einzelnen Fälle, die hierbei zur Sprache gebracht worden sind.
Die Ungültigkeit einer Obligation kann geltend gemacht werden durch folgende Rechtsmittel: durch eine eigentliche Klage, durch Restitution, durch eine Exception gegen die Klage der andern Partei. Nach dieser Ordnung sollen jetzt die einzelnen Fälle durchgegangen werden, welche (wie ich behaupte) sämmtlich zu beurtheilen sind nach dem zur Zeit des geschlossenen Vertrags geltenden Gesetz.
1. Anfechtung eines Verkaufs wegen Verletzung über die Hälfte. Sie ist zu beurtheilen nach dem zur Zeit des Verkaufs geltenden Gesetz (o). Das wird bestritten, weil der Verkauf nicht ipso jure ungültig sey, sondern erst durch die später erhobene Klage, deren Zeit also das an- wendbare Gesetz bestimme (p); oder, wie sich ein Anderer ausdrückt, weil an diesen Erfolg nicht von den Parteien gedacht worden sey (q).
Diese Auffassung steht völlig im Widerspruch mit dem wahren Sinn der hier einschlagenden Rechtsregel. Die- selbe setzt voraus einen Verkäufer, der durchaus Geld be- darf und seine Sache unter dem halben Preis weggeben
(n)Meyer p. 178. 179.
(o)Chabot T. 2 p. 286--289.
(p)Weber S. 114--117.
(q)Meyer p. 37--38, 154, 175-- 176, 209--210.
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
gezogen (n), der doch gewiß auf dieſe Frage keinen Einfluß haben kann. Die völlige Grundloſigkeit dieſer ganzen Lehre wird aber recht anſchaulich werden aus folgender Ueberſicht über die wichtigſten einzelnen Fälle, die hierbei zur Sprache gebracht worden ſind.
Die Ungültigkeit einer Obligation kann geltend gemacht werden durch folgende Rechtsmittel: durch eine eigentliche Klage, durch Reſtitution, durch eine Exception gegen die Klage der andern Partei. Nach dieſer Ordnung ſollen jetzt die einzelnen Fälle durchgegangen werden, welche (wie ich behaupte) ſämmtlich zu beurtheilen ſind nach dem zur Zeit des geſchloſſenen Vertrags geltenden Geſetz.
1. Anfechtung eines Verkaufs wegen Verletzung über die Hälfte. Sie iſt zu beurtheilen nach dem zur Zeit des Verkaufs geltenden Geſetz (o). Das wird beſtritten, weil der Verkauf nicht ipso jure ungültig ſey, ſondern erſt durch die ſpäter erhobene Klage, deren Zeit alſo das an- wendbare Geſetz beſtimme (p); oder, wie ſich ein Anderer ausdrückt, weil an dieſen Erfolg nicht von den Parteien gedacht worden ſey (q).
Dieſe Auffaſſung ſteht völlig im Widerſpruch mit dem wahren Sinn der hier einſchlagenden Rechtsregel. Die- ſelbe ſetzt voraus einen Verkäufer, der durchaus Geld be- darf und ſeine Sache unter dem halben Preis weggeben
(n)Meyer p. 178. 179.
(o)Chabot T. 2 p. 286—289.
(p)Weber S. 114—117.
(q)Meyer p. 37—38, 154, 175— 176, 209—210.
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Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
gezogen (n), der doch gewiß auf dieſe Frage keinen Einfluß
haben kann. Die völlige Grundloſigkeit dieſer ganzen Lehre
wird aber recht anſchaulich werden aus folgender Ueberſicht
über die wichtigſten einzelnen Fälle, die hierbei zur Sprache
gebracht worden ſind.
Die Ungültigkeit einer Obligation kann geltend gemacht
werden durch folgende Rechtsmittel: durch eine eigentliche
Klage, durch Reſtitution, durch eine Exception gegen die
Klage der andern Partei. Nach dieſer Ordnung ſollen jetzt
die einzelnen Fälle durchgegangen werden, welche (wie ich
behaupte) ſämmtlich zu beurtheilen ſind nach dem zur Zeit
des geſchloſſenen Vertrags geltenden Geſetz.
1. Anfechtung eines Verkaufs wegen Verletzung über
die Hälfte. Sie iſt zu beurtheilen nach dem zur Zeit des
Verkaufs geltenden Geſetz (o). Das wird beſtritten, weil
der Verkauf nicht ipso jure ungültig ſey, ſondern erſt
durch die ſpäter erhobene Klage, deren Zeit alſo das an-
wendbare Geſetz beſtimme (p); oder, wie ſich ein Anderer
ausdrückt, weil an dieſen Erfolg nicht von den Parteien
gedacht worden ſey (q).
Dieſe Auffaſſung ſteht völlig im Widerſpruch mit dem
wahren Sinn der hier einſchlagenden Rechtsregel. Die-
ſelbe ſetzt voraus einen Verkäufer, der durchaus Geld be-
darf und ſeine Sache unter dem halben Preis weggeben
(n) Meyer p. 178. 179.
(o) Chabot T. 2 p. 286—289.
(p) Weber S. 114—117.
(q) Meyer p. 37—38, 154, 175—
176, 209—210.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/462>, abgerufen am 22.11.2024.
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