Wir nennen aber Rechtsregeln über das Daseyn der Rechte zuvörderst die, welche den Gegensatz von Seyn oder Nichtseyn eines Rechtsinstituts betreffen, also Gesetze, wo- durch ein bisher geltendes Rechtsinstitut gänzlich aufgehoben wird; außerdem aber die, welche ein Rechtsinstitut, ohne es aufzuheben, in seiner Natur wesentlich umändern, also den Gegensatz von So oder Andersseyn eines Rechtsinsti- tuts betreffen. Von diesen allen nun wird behauptet, daß für sie die Erhaltung erworbener Rechte (die Nichtrück- wirkung) als herrschender Grundsatz, so wie bei den Rechts- regeln über den Erwerb der Rechte, unmöglich gedacht werden könne, indem die wichtigsten Gesetze solcher Art, wenn man ihnen einen solchen Sinn unterlegen wollte, überhaupt gar keinen Sinn haben würden.
Um diese Behauptung anschaulich zu machen, werde ich drei Gesetze anführen, die in neuerer Zeit an verschiedenen Orten vorgekommen sind, und auf die ich versuchsweise den Grundsatz der Nichtrückwirkung anwenden will. Ein Ge- setz hebt die Leibeigenschaft auf. Ein anderes hebt die Zehenten auf, ohne Entschädigung, wie es z. B. gleich im Anfang der Französischen Revolution geschehen ist. Ein drittes Gesetz verwandelt die Zehenten, die bisher unablöslich waren, in ablösliche Rechte, indem es dem Verpflichteten (vielleicht auch dem Berechtigten) gestattet, sie mit einseitiger Willkür in eine Leistung anderer Art, von gleichem Geld- werth, zu verwandeln. -- Wollte man nun diese drei Ge- setze unter den Grundsatz der Nichtrückwirkung stellen, so
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§. 398. B. Daſeyn der Rechte. — Grundſatz.
Wir nennen aber Rechtsregeln über das Daſeyn der Rechte zuvörderſt die, welche den Gegenſatz von Seyn oder Nichtſeyn eines Rechtsinſtituts betreffen, alſo Geſetze, wo- durch ein bisher geltendes Rechtsinſtitut gänzlich aufgehoben wird; außerdem aber die, welche ein Rechtsinſtitut, ohne es aufzuheben, in ſeiner Natur weſentlich umändern, alſo den Gegenſatz von So oder Andersſeyn eines Rechtsinſti- tuts betreffen. Von dieſen allen nun wird behauptet, daß für ſie die Erhaltung erworbener Rechte (die Nichtrück- wirkung) als herrſchender Grundſatz, ſo wie bei den Rechts- regeln über den Erwerb der Rechte, unmöglich gedacht werden könne, indem die wichtigſten Geſetze ſolcher Art, wenn man ihnen einen ſolchen Sinn unterlegen wollte, überhaupt gar keinen Sinn haben würden.
Um dieſe Behauptung anſchaulich zu machen, werde ich drei Geſetze anführen, die in neuerer Zeit an verſchiedenen Orten vorgekommen ſind, und auf die ich verſuchsweiſe den Grundſatz der Nichtrückwirkung anwenden will. Ein Ge- ſetz hebt die Leibeigenſchaft auf. Ein anderes hebt die Zehenten auf, ohne Entſchädigung, wie es z. B. gleich im Anfang der Franzöſiſchen Revolution geſchehen iſt. Ein drittes Geſetz verwandelt die Zehenten, die bisher unablöslich waren, in ablösliche Rechte, indem es dem Verpflichteten (vielleicht auch dem Berechtigten) geſtattet, ſie mit einſeitiger Willkür in eine Leiſtung anderer Art, von gleichem Geld- werth, zu verwandeln. — Wollte man nun dieſe drei Ge- ſetze unter den Grundſatz der Nichtrückwirkung ſtellen, ſo
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[515/0537]
§. 398. B. Daſeyn der Rechte. — Grundſatz.
Wir nennen aber Rechtsregeln über das Daſeyn der
Rechte zuvörderſt die, welche den Gegenſatz von Seyn oder
Nichtſeyn eines Rechtsinſtituts betreffen, alſo Geſetze, wo-
durch ein bisher geltendes Rechtsinſtitut gänzlich aufgehoben
wird; außerdem aber die, welche ein Rechtsinſtitut, ohne
es aufzuheben, in ſeiner Natur weſentlich umändern, alſo
den Gegenſatz von So oder Andersſeyn eines Rechtsinſti-
tuts betreffen. Von dieſen allen nun wird behauptet, daß
für ſie die Erhaltung erworbener Rechte (die Nichtrück-
wirkung) als herrſchender Grundſatz, ſo wie bei den Rechts-
regeln über den Erwerb der Rechte, unmöglich gedacht
werden könne, indem die wichtigſten Geſetze ſolcher Art,
wenn man ihnen einen ſolchen Sinn unterlegen wollte,
überhaupt gar keinen Sinn haben würden.
Um dieſe Behauptung anſchaulich zu machen, werde ich
drei Geſetze anführen, die in neuerer Zeit an verſchiedenen
Orten vorgekommen ſind, und auf die ich verſuchsweiſe den
Grundſatz der Nichtrückwirkung anwenden will. Ein Ge-
ſetz hebt die Leibeigenſchaft auf. Ein anderes hebt die
Zehenten auf, ohne Entſchädigung, wie es z. B. gleich im
Anfang der Franzöſiſchen Revolution geſchehen iſt. Ein
drittes Geſetz verwandelt die Zehenten, die bisher unablöslich
waren, in ablösliche Rechte, indem es dem Verpflichteten
(vielleicht auch dem Berechtigten) geſtattet, ſie mit einſeitiger
Willkür in eine Leiſtung anderer Art, von gleichem Geld-
werth, zu verwandeln. — Wollte man nun dieſe drei Ge-
ſetze unter den Grundſatz der Nichtrückwirkung ſtellen, ſo
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 515. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/537>, abgerufen am 22.11.2024.
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