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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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§. 354. Origo u. domicilium. II. Domicilium. (Forts.)
behandeln. Auch dieser Fall ist wenig wichtig, weil
er nur selten vorkommt.
3. Bei Landstreichern oder Vagabunden, die ohne
einen festen Lebenslauf in unbestimmter Weise um-
her ziehen, den Unterhalt des Lebens meist in ab-
wechselnder und für die öffentliche Wohlfahrt und
Sicherheit bedenklicher Weise suchend. Diese Klasse
ist zahlreich und wichtig, und gehört unter die
großen Uebel unsrer Zeit (d).

Der oben aufgestellte Begriff des Wohnsitzes (§ 353)
bezieht sich auf die Lebensverhältnisse des natürlichen Men-
schen, ist also, seiner Natur nach, nicht anwendbar auf ju-
ristische Personen (e). Dennoch kann auch bei diesen das
Bedürfniß vorkommen, etwas, dem Wohnsitz der natürlichen
Personen Entsprechendes oder Aehnliches, gleichsam einen
künstlichen Wohusitz, anzunehmen, vorzüglich wohl um den

(d) Es ist auffallend, daß von
dieser Klasse in den Quellen des
Römischen Rechts eigentlich nicht
die Rede ist. Selbst die öfter er-
wähnten flüchtigen Sklaven (er-
rones, fugitivi. L. 225 de V. S.

(50. 16) können dahin nicht ge-
rechnet werden, da diese im juri-
stischen Sinn einen festen Wohn-
sitz haben, nämlich den ihrer
Herren. Der Erklärungsgrund
jener auffallenden Erscheinung liegt
nun eben in dem Umstand, daß
die Personen, welche bei uns als
Vagabunden erscheinen (eben so,
wie der größte Theil unserer Pro-
letarier), bei den Römern in dem
Sklavenstand enthalten waren. --
Thomasius de vagabundo § 79.
91. 112 nennt vagabundus Jeden,
der kein domicilium hat, und
unterscheidet ihn von dem verächt-
lichen Landstreicher, ganz gegen
den herrschenden Sprachgebrauch,
der diese beiden Ausdrücke als
gleichbedeutend ansieht. Niemand
wird den Kaufmann, der seinen
Wohnsitz aufgegeben hat, um
einen neuen zu suchen, oder den
ehrenhaften Reisenden von Pro-
fession, einen Vagabunden nennen.
(e) S. o. B 2 § 85 fg.
VIII. 5
§. 354. Origo u. domicilium. II. Domicilium. (Fortſ.)
behandeln. Auch dieſer Fall iſt wenig wichtig, weil
er nur ſelten vorkommt.
3. Bei Landſtreichern oder Vagabunden, die ohne
einen feſten Lebenslauf in unbeſtimmter Weiſe um-
her ziehen, den Unterhalt des Lebens meiſt in ab-
wechſelnder und für die öffentliche Wohlfahrt und
Sicherheit bedenklicher Weiſe ſuchend. Dieſe Klaſſe
iſt zahlreich und wichtig, und gehört unter die
großen Uebel unſrer Zeit (d).

Der oben aufgeſtellte Begriff des Wohnſitzes (§ 353)
bezieht ſich auf die Lebensverhältniſſe des natürlichen Men-
ſchen, iſt alſo, ſeiner Natur nach, nicht anwendbar auf ju-
riſtiſche Perſonen (e). Dennoch kann auch bei dieſen das
Bedürfniß vorkommen, etwas, dem Wohnſitz der natürlichen
Perſonen Entſprechendes oder Aehnliches, gleichſam einen
künſtlichen Wohuſitz, anzunehmen, vorzüglich wohl um den

(d) Es iſt auffallend, daß von
dieſer Klaſſe in den Quellen des
Römiſchen Rechts eigentlich nicht
die Rede iſt. Selbſt die öfter er-
wähnten flüchtigen Sklaven (er-
rones, fugitivi. L. 225 de V. S.

(50. 16) können dahin nicht ge-
rechnet werden, da dieſe im juri-
ſtiſchen Sinn einen feſten Wohn-
ſitz haben, nämlich den ihrer
Herren. Der Erklärungsgrund
jener auffallenden Erſcheinung liegt
nun eben in dem Umſtand, daß
die Perſonen, welche bei uns als
Vagabunden erſcheinen (eben ſo,
wie der größte Theil unſerer Pro-
letarier), bei den Roͤmern in dem
Sklavenſtand enthalten waren. —
Thomasius de vagabundo § 79.
91. 112 nennt vagabundus Jeden,
der kein domicilium hat, und
unterſcheidet ihn von dem verächt-
lichen Landſtreicher, ganz gegen
den herrſchenden Sprachgebrauch,
der dieſe beiden Ausdrücke als
gleichbedeutend anſieht. Niemand
wird den Kaufmann, der ſeinen
Wohnſitz aufgegeben hat, um
einen neuen zu ſuchen, oder den
ehrenhaften Reiſenden von Pro-
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(e) S. o. B 2 § 85 fg.
VIII. 5
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[65/0087] §. 354. Origo u. domicilium. II. Domicilium. (Fortſ.) behandeln. Auch dieſer Fall iſt wenig wichtig, weil er nur ſelten vorkommt. 3. Bei Landſtreichern oder Vagabunden, die ohne einen feſten Lebenslauf in unbeſtimmter Weiſe um- her ziehen, den Unterhalt des Lebens meiſt in ab- wechſelnder und für die öffentliche Wohlfahrt und Sicherheit bedenklicher Weiſe ſuchend. Dieſe Klaſſe iſt zahlreich und wichtig, und gehört unter die großen Uebel unſrer Zeit (d). Der oben aufgeſtellte Begriff des Wohnſitzes (§ 353) bezieht ſich auf die Lebensverhältniſſe des natürlichen Men- ſchen, iſt alſo, ſeiner Natur nach, nicht anwendbar auf ju- riſtiſche Perſonen (e). Dennoch kann auch bei dieſen das Bedürfniß vorkommen, etwas, dem Wohnſitz der natürlichen Perſonen Entſprechendes oder Aehnliches, gleichſam einen künſtlichen Wohuſitz, anzunehmen, vorzüglich wohl um den (d) Es iſt auffallend, daß von dieſer Klaſſe in den Quellen des Römiſchen Rechts eigentlich nicht die Rede iſt. Selbſt die öfter er- wähnten flüchtigen Sklaven (er- rones, fugitivi. L. 225 de V. S. (50. 16) können dahin nicht ge- rechnet werden, da dieſe im juri- ſtiſchen Sinn einen feſten Wohn- ſitz haben, nämlich den ihrer Herren. Der Erklärungsgrund jener auffallenden Erſcheinung liegt nun eben in dem Umſtand, daß die Perſonen, welche bei uns als Vagabunden erſcheinen (eben ſo, wie der größte Theil unſerer Pro- letarier), bei den Roͤmern in dem Sklavenſtand enthalten waren. — Thomasius de vagabundo § 79. 91. 112 nennt vagabundus Jeden, der kein domicilium hat, und unterſcheidet ihn von dem verächt- lichen Landſtreicher, ganz gegen den herrſchenden Sprachgebrauch, der dieſe beiden Ausdrücke als gleichbedeutend anſieht. Niemand wird den Kaufmann, der ſeinen Wohnſitz aufgegeben hat, um einen neuen zu ſuchen, oder den ehrenhaften Reiſenden von Pro- feſſion, einen Vagabunden nennen. (e) S. o. B 2 § 85 fg. VIII. 5

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/87>, abgerufen am 24.11.2024.