Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.gebildet und sich untereinander als Brüder und Schwestern angeredet und behandelt haben, obwohl dieses nach allen Verhältnissen und Bedrängnissen mehr als wahrscheinlich ist, so wird und muss man doch wenigstens zugestehen, dass um die Zeit von Christus ganz allgemein bei den Juden und Nichtjuden sich die Bekenner der gleichen religiösen Meinungen, des gleichen Gottglaubens brüderlich geliebt und daher auch Brüder und Schwestern genannt haben. Da nun die römischen Baukorporationen urkundlich nicht blos Berufsgenossenschaften, sondern zugleich religiöse Genossenschaften waren, ist es gewiss keine allzu kühne und keine ganz unglaubwürdige Behauptung, dass schon in den römischen Baukorporationen sich die Genossen desselben Berufes und Glaubens Brüder genannt haben. Die geistlichen und spätern bürgerlichen Baubruderschaften des Mittelalters waren somit nicht etwas völlig Neues, sondern einzig eine Fortsetzung und Fortentwicklung der römischen Baubruderschaften. Das Gegentheil der Todtenklage um den sterbenden Natur- und Sonnengott ist der apollinische Päan, der Lobgesang des Sieges des neugeborenen und wiederkehrenden Licht- und Sonnengottes: [fremdsprachliches Material]1) Dieser apollinische Päan ist dem sog. Triumphbogen der katholischen Kirchen zu vergleichen, welcher die Thaten des Herrn verherrlichet.2) In der Geburt und Wiedergeburt des Lichtes, des neugebornen Gottes feierte zugleich die alte Menschheit die Hoffnung auf die eigene Wiederauferstehung und Unsterblichkeit, wie sie in dem frühe dahin gerafften Gotte die Vergänglichkeit und Hinfälligkeit des eigenen Lebens beweinten und beklagten. Den Frauen fielen die Klagen und die Thränen vorzugsweise desshalb zu, weil Adonis (die Blume) oder auch Baal (die Sonne), der Thamuz oder Thamus der Juden, der liebenden Aphrodite (Baaltis oder auch Astarte) und Erde, Osiris der treuen Gattin Isis, Hiram der liebenden Mutter, die Kore, oder Persephone der Mutter Demeter u. s. w. geraubt worden 1) Preller, griech.
Mythologie, I. S. 157. 2) Lübke,
Geschichte der Architektur, S. 174.
gebildet und sich untereinander als Brüder und Schwestern angeredet und behandelt haben, obwohl dieses nach allen Verhältnissen und Bedrängnissen mehr als wahrscheinlich ist, so wird und muss man doch wenigstens zugestehen, dass um die Zeit von Christus ganz allgemein bei den Juden und Nichtjuden sich die Bekenner der gleichen religiösen Meinungen, des gleichen Gottglaubens brüderlich geliebt und daher auch Brüder und Schwestern genannt haben. Da nun die römischen Baukorporationen urkundlich nicht blos Berufsgenossenschaften, sondern zugleich religiöse Genossenschaften waren, ist es gewiss keine allzu kühne und keine ganz unglaubwürdige Behauptung, dass schon in den römischen Baukorporationen sich die Genossen desselben Berufes und Glaubens Brüder genannt haben. Die geistlichen und spätern bürgerlichen Baubruderschaften des Mittelalters waren somit nicht etwas völlig Neues, sondern einzig eine Fortsetzung und Fortentwicklung der römischen Baubruderschaften. Das Gegentheil der Todtenklage um den sterbenden Natur- und Sonnengott ist der apollinische Päan, der Lobgesang des Sieges des neugeborenen und wiederkehrenden Licht- und Sonnengottes: [fremdsprachliches Material]1) Dieser apollinische Päan ist dem sog. Triumphbogen der katholischen Kirchen zu vergleichen, welcher die Thaten des Herrn verherrlichet.2) In der Geburt und Wiedergeburt des Lichtes, des neugebornen Gottes feierte zugleich die alte Menschheit die Hoffnung auf die eigene Wiederauferstehung und Unsterblichkeit, wie sie in dem frühe dahin gerafften Gotte die Vergänglichkeit und Hinfälligkeit des eigenen Lebens beweinten und beklagten. Den Frauen fielen die Klagen und die Thränen vorzugsweise desshalb zu, weil Adonis (die Blume) oder auch Baal (die Sonne), der Thamuz oder Thamus der Juden, der liebenden Aphrodite (Baaltis oder auch Astarte) und Erde, Osiris der treuen Gattin Isis, Hiram der liebenden Mutter, die Kore, oder Persephone der Mutter Demeter u. s. w. geraubt worden 1) Preller, griech.
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Geschichte der Architektur, S. 174.
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gebildet und sich untereinander als Brüder und Schwestern angeredet und behandelt haben, obwohl dieses nach allen Verhältnissen und Bedrängnissen mehr als wahrscheinlich ist, so wird und muss man doch wenigstens zugestehen, dass um die Zeit von Christus ganz allgemein bei den Juden und Nichtjuden sich die Bekenner der gleichen religiösen Meinungen, des gleichen Gottglaubens brüderlich geliebt und daher auch Brüder und Schwestern genannt haben. Da nun die römischen Baukorporationen urkundlich nicht blos Berufsgenossenschaften, sondern zugleich religiöse Genossenschaften waren, ist es gewiss keine allzu kühne und keine ganz unglaubwürdige Behauptung, dass schon in den römischen Baukorporationen sich die Genossen desselben Berufes und Glaubens Brüder genannt haben. Die geistlichen und spätern bürgerlichen Baubruderschaften des Mittelalters waren somit nicht etwas völlig Neues, sondern einzig eine Fortsetzung und Fortentwicklung der römischen Baubruderschaften.
Das Gegentheil der Todtenklage um den sterbenden Natur- und Sonnengott ist der apollinische Päan, der Lobgesang des Sieges des neugeborenen und wiederkehrenden Licht- und Sonnengottes: _ 1) Dieser apollinische Päan ist dem sog. Triumphbogen der katholischen Kirchen zu vergleichen, welcher die Thaten des Herrn verherrlichet. 2) In der Geburt und Wiedergeburt des Lichtes, des neugebornen Gottes feierte zugleich die alte Menschheit die Hoffnung auf die eigene Wiederauferstehung und Unsterblichkeit, wie sie in dem frühe dahin gerafften Gotte die Vergänglichkeit und Hinfälligkeit des eigenen Lebens beweinten und beklagten. Den Frauen fielen die Klagen und die Thränen vorzugsweise desshalb zu, weil Adonis (die Blume) oder auch Baal (die Sonne), der Thamuz oder Thamus der Juden, der liebenden Aphrodite (Baaltis oder auch Astarte) und Erde, Osiris der treuen Gattin Isis, Hiram der liebenden Mutter, die Kore, oder Persephone der Mutter Demeter u. s. w. geraubt worden
1) Preller, griech. Mythologie, I. S. 157.
2) Lübke, Geschichte der Architektur, S. 174.
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