Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.eines Volkes eine Stätte gefunden hat, in unvertilgbaren Zügen mit dem Volke bis zu dessen Untergang fortlebet. Vieles, was wir noch heute üben, denken und fühlen, haben vor zwei und mehr Jahrtausenden unsere Stammväter in Hochasien und in dem nördlichen Europa ebenso geübt, gedacht und gefühlt. Die alten heidnischen Naturfeste und Feste der Sonnen und Naturgottheiten traten dadurch zu den Menschen in eine nähere Beziehung und erhielten zugleich eine menschliche Bedeutung, einen menschlichen Sinn, dass die Menschen in dem Vergehen und Wiedererstehen der Natur und des Sonnen - und Naturgottes die Hinfälligkeit und Vergänglichkeit des eigenen Lebens beweinten und beklagten oder die freudige und tröstende Hoffnung der eigenen Wiederauferstehung aus dem Tode, der Unsterblichkeit des Geistes schöpften. Der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele, an das Auferstehen der Todten und an die Rückkehr des den Menschen beseelenden Lichtes zum Lichte ist gewiss ursprünglich geweckt und getragen worden durch den Anblick der untergehenden und schwindenden Sonne mit dem Bewusstsein, dass dieselbe nicht in der Nacht versunken bleiben, sondern am kommenden Morgen schöner und herrlicher emporsteigen werde. Dem Untergange der Sonne folgt sicher ihr Wiederaufgang, ja sie geht eigentlich gar nicht unter und wird nur vorübergehend unsern Augen verborgen und entzogen. So ist auch unser Sterben nur ein Sonnenuntergang, woran der schönere und frohere Auferstehungsmorgen sich anschliesst; wir sterben nicht, wir schlafen blos zum neuen und bessern Leben hinüber, - die Seele wirft nur die Fesseln der irdischen Hülle ab und schwingt sich befreiet und erlöset, gereinigt und entsündigt zu dem Himmel empor. Der Verlauf des einzelnen Sonnentages ist das Vorbild und die Bürgschaft, das Pfand des ganzen Menschenlebens, des unsterblichen Menschengeistes; die Sonne und der Menschengeist sind gleich licht, dauernd und unvergänglich. - In verwandter und noch weit stärkerer Weise wirkte auf den Glauben und die Vorstellungen der ersten Hirten und Ackerbauer, der ersten Menschheit und Völker der unabänderlich sich wiederholende scheinbare Jahreslauf eines Volkes eine Stätte gefunden hat, in unvertilgbaren Zügen mit dem Volke bis zu dessen Untergang fortlebet. Vieles, was wir noch heute üben, denken und fühlen, haben vor zwei und mehr Jahrtausenden unsere Stammväter in Hochasien und in dem nördlichen Europa ebenso geübt, gedacht und gefühlt. Die alten heidnischen Naturfeste und Feste der Sonnen und Naturgottheiten traten dadurch zu den Menschen in eine nähere Beziehung und erhielten zugleich eine menschliche Bedeutung, einen menschlichen Sinn, dass die Menschen in dem Vergehen und Wiedererstehen der Natur und des Sonnen – und Naturgottes die Hinfälligkeit und Vergänglichkeit des eigenen Lebens beweinten und beklagten oder die freudige und tröstende Hoffnung der eigenen Wiederauferstehung aus dem Tode, der Unsterblichkeit des Geistes schöpften. Der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele, an das Auferstehen der Todten und an die Rückkehr des den Menschen beseelenden Lichtes zum Lichte ist gewiss ursprünglich geweckt und getragen worden durch den Anblick der untergehenden und schwindenden Sonne mit dem Bewusstsein, dass dieselbe nicht in der Nacht versunken bleiben, sondern am kommenden Morgen schöner und herrlicher emporsteigen werde. Dem Untergange der Sonne folgt sicher ihr Wiederaufgang, ja sie geht eigentlich gar nicht unter und wird nur vorübergehend unsern Augen verborgen und entzogen. So ist auch unser Sterben nur ein Sonnenuntergang, woran der schönere und frohere Auferstehungsmorgen sich anschliesst; wir sterben nicht, wir schlafen blos zum neuen und bessern Leben hinüber, – die Seele wirft nur die Fesseln der irdischen Hülle ab und schwingt sich befreiet und erlöset, gereinigt und entsündigt zu dem Himmel empor. Der Verlauf des einzelnen Sonnentages ist das Vorbild und die Bürgschaft, das Pfand des ganzen Menschenlebens, des unsterblichen Menschengeistes; die Sonne und der Menschengeist sind gleich licht, dauernd und unvergänglich. – In verwandter und noch weit stärkerer Weise wirkte auf den Glauben und die Vorstellungen der ersten Hirten und Ackerbauer, der ersten Menschheit und Völker der unabänderlich sich wiederholende scheinbare Jahreslauf <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0198" n="182"/> eines Volkes eine Stätte gefunden hat, in unvertilgbaren Zügen mit dem Volke bis zu dessen Untergang fortlebet. 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Der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele, an das Auferstehen der Todten und an die Rückkehr des den Menschen beseelenden Lichtes zum Lichte ist gewiss ursprünglich geweckt und getragen worden durch den Anblick der untergehenden und schwindenden Sonne mit dem Bewusstsein, dass dieselbe nicht in der Nacht versunken bleiben, sondern am kommenden Morgen schöner und herrlicher emporsteigen werde. Dem Untergange der Sonne folgt sicher ihr Wiederaufgang, ja sie geht eigentlich gar nicht unter und wird nur vorübergehend unsern Augen verborgen und entzogen. So ist auch unser Sterben nur ein Sonnenuntergang, woran der schönere und frohere Auferstehungsmorgen sich anschliesst; wir sterben nicht, wir schlafen blos zum neuen und bessern Leben hinüber, – die Seele wirft nur die Fesseln der irdischen Hülle ab und schwingt sich befreiet und erlöset, gereinigt und entsündigt zu dem Himmel empor. Der Verlauf des einzelnen Sonnentages ist das Vorbild und die Bürgschaft, das Pfand des ganzen Menschenlebens, des unsterblichen Menschengeistes; die Sonne und der Menschengeist sind gleich licht, dauernd und unvergänglich. – In verwandter und noch weit stärkerer Weise wirkte auf den Glauben und die Vorstellungen der ersten Hirten und Ackerbauer, der ersten Menschheit und Völker der unabänderlich sich wiederholende scheinbare Jahreslauf </p> </div> </body> </text> </TEI> [182/0198]
eines Volkes eine Stätte gefunden hat, in unvertilgbaren Zügen mit dem Volke bis zu dessen Untergang fortlebet. Vieles, was wir noch heute üben, denken und fühlen, haben vor zwei und mehr Jahrtausenden unsere Stammväter in Hochasien und in dem nördlichen Europa ebenso geübt, gedacht und gefühlt.
Die alten heidnischen Naturfeste und Feste der Sonnen und Naturgottheiten traten dadurch zu den Menschen in eine nähere Beziehung und erhielten zugleich eine menschliche Bedeutung, einen menschlichen Sinn, dass die Menschen in dem Vergehen und Wiedererstehen der Natur und des Sonnen – und Naturgottes die Hinfälligkeit und Vergänglichkeit des eigenen Lebens beweinten und beklagten oder die freudige und tröstende Hoffnung der eigenen Wiederauferstehung aus dem Tode, der Unsterblichkeit des Geistes schöpften. Der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele, an das Auferstehen der Todten und an die Rückkehr des den Menschen beseelenden Lichtes zum Lichte ist gewiss ursprünglich geweckt und getragen worden durch den Anblick der untergehenden und schwindenden Sonne mit dem Bewusstsein, dass dieselbe nicht in der Nacht versunken bleiben, sondern am kommenden Morgen schöner und herrlicher emporsteigen werde. Dem Untergange der Sonne folgt sicher ihr Wiederaufgang, ja sie geht eigentlich gar nicht unter und wird nur vorübergehend unsern Augen verborgen und entzogen. So ist auch unser Sterben nur ein Sonnenuntergang, woran der schönere und frohere Auferstehungsmorgen sich anschliesst; wir sterben nicht, wir schlafen blos zum neuen und bessern Leben hinüber, – die Seele wirft nur die Fesseln der irdischen Hülle ab und schwingt sich befreiet und erlöset, gereinigt und entsündigt zu dem Himmel empor. Der Verlauf des einzelnen Sonnentages ist das Vorbild und die Bürgschaft, das Pfand des ganzen Menschenlebens, des unsterblichen Menschengeistes; die Sonne und der Menschengeist sind gleich licht, dauernd und unvergänglich. – In verwandter und noch weit stärkerer Weise wirkte auf den Glauben und die Vorstellungen der ersten Hirten und Ackerbauer, der ersten Menschheit und Völker der unabänderlich sich wiederholende scheinbare Jahreslauf
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Zitationshilfe: | Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/198>, abgerufen am 16.07.2024. |