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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

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dem Versinken; sie führten den Begriff der Persönlichkeit und Einheit, des freien Ich von unten herauf durch bis zum höchsten irdischen, geistlichen und weltlichen Herrscher; das christliche Kaiserthum oder die christlich-germanische Monarchie überhaupt, und das Reich des Einen Gottes mit den unter sich und vor ihm vollkommen gleichen Menschen sind daher die nothwendigen und höchsten Spitzen, die Vollendung des christlich-germanischen Lebens und des grossen unsichtbaren Domes, der über ihm sich wölbt. Im Oriente finden wir blos die massenhafte, die ungeheure Einheit ohne menschliche Individualisirung, ohne menschliches Mass und Ziel; das Individuum, der Mensch. hat bei den Orientalen noch kein wahres Sein und daher auch keinen Werth, kein besonderes Leben und Streben, kein Recht; er kann hier nur in das Nichts, in die Allmacht sich versenken. In Griechenland und in der Stadt Rom erwachen und herrschen auf Erden und im Götterreiche blos Individuen, ohne zur höhern irdischen oder staatlichen und göttlichen Einheit sich entfalten und erheben zu können. Die griechischen Staaten sind eigentlich nur Städte, höchstens kleine Ländchen, welche mit der grössten Erbitterung sich unter einander bekämpfen und erst sich vereinen, als Philipp von Macedonien und sein grosser Sohn Alexander ihnen die Freiheit genommen hatten, und durch das Alle bindende Gebot gegen die Perser sie führten. Gleich den griechischen Städten und Staaten stehen die griechischen Götter feindlich und beschränkend neben einander; nicht ein einzelner Gott, nicht einmal Zeus, ward als derselbe durch ganz Griechenland verehrt, sondern ist an verschiedenen Orten und Tempeln ein verschiedener mit anderer Eigenschaft und Macht, anderer Abstammung, Gestaltung und Geschichte.

Rom war niemals mehr als eine weltbeherrschende Stadt, und schleppte in seinen Mauern selbst die Götter aller Länder zusammen. Erst die Germanen wollen die Christen aller Länder zu Einem sichtbaren und unsichtbaren Reiche, unter einer irdischen und himmlischen Macht verbinden. Der griechische Landmann, der römische Stadtbürger und der christlich-germanische Weltbürger sind die drei Stufen der Weltgeschichte. Zu dem jetzigen Leben

dem Versinken; sie führten den Begriff der Persönlichkeit und Einheit, des freien Ich von unten herauf durch bis zum höchsten irdischen, geistlichen und weltlichen Herrscher; das christliche Kaiserthum oder die christlich-germanische Monarchie überhaupt, und das Reich des Einen Gottes mit den unter sich und vor ihm vollkommen gleichen Menschen sind daher die nothwendigen und höchsten Spitzen, die Vollendung des christlich-germanischen Lebens und des grossen unsichtbaren Domes, der über ihm sich wölbt. Im Oriente finden wir blos die massenhafte, die ungeheure Einheit ohne menschliche Individualisirung, ohne menschliches Mass und Ziel; das Individuum, der Mensch. hat bei den Orientalen noch kein wahres Sein und daher auch keinen Werth, kein besonderes Leben und Streben, kein Recht; er kann hier nur in das Nichts, in die Allmacht sich versenken. In Griechenland und in der Stadt Rom erwachen und herrschen auf Erden und im Götterreiche blos Individuen, ohne zur höhern irdischen oder staatlichen und göttlichen Einheit sich entfalten und erheben zu können. Die griechischen Staaten sind eigentlich nur Städte, höchstens kleine Ländchen, welche mit der grössten Erbitterung sich unter einander bekämpfen und erst sich vereinen, als Philipp von Macedonien und sein grosser Sohn Alexander ihnen die Freiheit genommen hatten, und durch das Alle bindende Gebot gegen die Perser sie führten. Gleich den griechischen Städten und Staaten stehen die griechischen Götter feindlich und beschränkend neben einander; nicht ein einzelner Gott, nicht einmal Zeus, ward als derselbe durch ganz Griechenland verehrt, sondern ist an verschiedenen Orten und Tempeln ein verschiedener mit anderer Eigenschaft und Macht, anderer Abstammung, Gestaltung und Geschichte.

Rom war niemals mehr als eine weltbeherrschende Stadt, und schleppte in seinen Mauern selbst die Götter aller Länder zusammen. Erst die Germanen wollen die Christen aller Länder zu Einem sichtbaren und unsichtbaren Reiche, unter einer irdischen und himmlischen Macht verbinden. Der griechische Landmann, der römische Stadtbürger und der christlich-germanische Weltbürger sind die drei Stufen der Weltgeschichte. Zu dem jetzigen Leben

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 den unter sich und vor ihm vollkommen gleichen Menschen sind daher die nothwendigen und höchsten
 Spitzen, die Vollendung des christlich-germanischen Lebens und des grossen unsichtbaren Domes, der
 über ihm sich wölbt. Im Oriente finden wir blos die massenhafte, die ungeheure Einheit ohne
 menschliche Individualisirung, ohne menschliches Mass und Ziel; das Individuum, der Mensch. hat bei
 den Orientalen noch kein wahres Sein und daher auch keinen Werth, kein besonderes Leben und Streben,
 kein Recht; er kann hier nur in das Nichts, in die Allmacht sich versenken. In Griechenland und in
 der Stadt Rom erwachen und herrschen auf Erden und im Götterreiche blos Individuen, ohne zur höhern
 irdischen oder staatlichen und göttlichen Einheit sich entfalten und erheben zu können. Die
 griechischen Staaten sind eigentlich nur Städte, höchstens kleine Ländchen, welche mit der grössten
 Erbitterung sich unter einander bekämpfen und erst sich vereinen, als Philipp von Macedonien und
 sein grosser Sohn Alexander ihnen die Freiheit genommen hatten, und durch das Alle bindende Gebot
 gegen die Perser sie führten. Gleich den griechischen Städten und Staaten stehen die griechischen
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[357/0373] dem Versinken; sie führten den Begriff der Persönlichkeit und Einheit, des freien Ich von unten herauf durch bis zum höchsten irdischen, geistlichen und weltlichen Herrscher; das christliche Kaiserthum oder die christlich-germanische Monarchie überhaupt, und das Reich des Einen Gottes mit den unter sich und vor ihm vollkommen gleichen Menschen sind daher die nothwendigen und höchsten Spitzen, die Vollendung des christlich-germanischen Lebens und des grossen unsichtbaren Domes, der über ihm sich wölbt. Im Oriente finden wir blos die massenhafte, die ungeheure Einheit ohne menschliche Individualisirung, ohne menschliches Mass und Ziel; das Individuum, der Mensch. hat bei den Orientalen noch kein wahres Sein und daher auch keinen Werth, kein besonderes Leben und Streben, kein Recht; er kann hier nur in das Nichts, in die Allmacht sich versenken. In Griechenland und in der Stadt Rom erwachen und herrschen auf Erden und im Götterreiche blos Individuen, ohne zur höhern irdischen oder staatlichen und göttlichen Einheit sich entfalten und erheben zu können. Die griechischen Staaten sind eigentlich nur Städte, höchstens kleine Ländchen, welche mit der grössten Erbitterung sich unter einander bekämpfen und erst sich vereinen, als Philipp von Macedonien und sein grosser Sohn Alexander ihnen die Freiheit genommen hatten, und durch das Alle bindende Gebot gegen die Perser sie führten. Gleich den griechischen Städten und Staaten stehen die griechischen Götter feindlich und beschränkend neben einander; nicht ein einzelner Gott, nicht einmal Zeus, ward als derselbe durch ganz Griechenland verehrt, sondern ist an verschiedenen Orten und Tempeln ein verschiedener mit anderer Eigenschaft und Macht, anderer Abstammung, Gestaltung und Geschichte. Rom war niemals mehr als eine weltbeherrschende Stadt, und schleppte in seinen Mauern selbst die Götter aller Länder zusammen. Erst die Germanen wollen die Christen aller Länder zu Einem sichtbaren und unsichtbaren Reiche, unter einer irdischen und himmlischen Macht verbinden. Der griechische Landmann, der römische Stadtbürger und der christlich-germanische Weltbürger sind die drei Stufen der Weltgeschichte. Zu dem jetzigen Leben

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/373>, abgerufen am 22.11.2024.