Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.nicht verschieden von der Geschichte der Klöster und Klosterschulen des Mittelalters; die gleichen Ursachen trugen sie empor und begruben sie. Vom weltgeschichtlichen Standpunkte aus sind die Propheten und Orakel des Alterthums weit weniger der Ausfluss des Aberglaubens, als die weisen und frommen Leiter, die begeisterten Führer und Sänger der Völker. Zur Zeit der Blüthe des Orakels zu Delphi sprachen die Pythia oder ihre Priester in Versen, und nachdem diese Verse durch einen Aeschylos, Sophokles und die andern grossen Volksdichter übertroffen worden waren und das Orakel stets mehr seinem Verfalle nahte, nur noch in Prosa, oder doch nicht in eigenen Versen, sondern in Versen, die dem Homer und den Tragikern entlehnt waren,1) und selbst diese Prosa musste vor der Prosa eines Herodot, Thukydides und Xenophon, eines Plato und Aristoteles endlich verstummen. Um die Zeiten der Entstehung des Christenthums und bis dasselbe unter Constantin zur anerkannten und herrschenden Religion des römischen Reiches geworden war, übten bei den Juden und später bei den Christen die alexandrinischen jüdischen und christlichen Sibyllendichter das Prophetenamt. Bei den Juden hatten bald nach der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft die alten Propheten aufgehört,2) vielleicht weil mit der Rückkehr nach Palästina und der Wiedererbauung des zweiten Tempels die messianischen Hoffnungen als erfüllt und die Leiden des jüdischen Volkes als beendigt betrachtet wurden, - vielleicht auch und wohl noch eher, weil in dem Exile eine Umänderung der jüdischen Bildung und des jüdischen Glaubens eingetreten war. In dem ersteren Sinne spricht der Herr bei dem Propheten Zacharias 8, 3: "Ich will mich wieder gegen Zion wenden und mitten in Jerusalem wohnen. Alsdann wird man Jerusalem die treue Stadt nennen, und den Berg des Herrn der Heerschaaren den heiligen Berg." Für das Letztere ist anzuführen, dass die Leiden und Entbehrungen in der babylonischen Verbannung und die glückliche Befreiung daraus jedenfalls einen bleibenden und tiefen 1) Goette, das delphische Orakel, S. 306 u. 307,
Anm. 1. 2) Stäudlin, a. a.
O., I. S. 350 u. S. 354 ff.
nicht verschieden von der Geschichte der Klöster und Klosterschulen des Mittelalters; die gleichen Ursachen trugen sie empor und begruben sie. Vom weltgeschichtlichen Standpunkte aus sind die Propheten und Orakel des Alterthums weit weniger der Ausfluss des Aberglaubens, als die weisen und frommen Leiter, die begeisterten Führer und Sänger der Völker. Zur Zeit der Blüthe des Orakels zu Delphi sprachen die Pythia oder ihre Priester in Versen, und nachdem diese Verse durch einen Aeschylos, Sophokles und die andern grossen Volksdichter übertroffen worden waren und das Orakel stets mehr seinem Verfalle nahte, nur noch in Prosa, oder doch nicht in eigenen Versen, sondern in Versen, die dem Homer und den Tragikern entlehnt waren,1) und selbst diese Prosa musste vor der Prosa eines Herodot, Thukydides und Xenophon, eines Plato und Aristoteles endlich verstummen. Um die Zeiten der Entstehung des Christenthums und bis dasselbe unter Constantin zur anerkannten und herrschenden Religion des römischen Reiches geworden war, übten bei den Juden und später bei den Christen die alexandrinischen jüdischen und christlichen Sibyllendichter das Prophetenamt. Bei den Juden hatten bald nach der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft die alten Propheten aufgehört,2) vielleicht weil mit der Rückkehr nach Palästina und der Wiedererbauung des zweiten Tempels die messianischen Hoffnungen als erfüllt und die Leiden des jüdischen Volkes als beendigt betrachtet wurden, – vielleicht auch und wohl noch eher, weil in dem Exile eine Umänderung der jüdischen Bildung und des jüdischen Glaubens eingetreten war. In dem ersteren Sinne spricht der Herr bei dem Propheten Zacharias 8, 3: „Ich will mich wieder gegen Zion wenden und mitten in Jerusalem wohnen. Alsdann wird man Jerusalem die treue Stadt nennen, und den Berg des Herrn der Heerschaaren den heiligen Berg.“ Für das Letztere ist anzuführen, dass die Leiden und Entbehrungen in der babylonischen Verbannung und die glückliche Befreiung daraus jedenfalls einen bleibenden und tiefen 1) Goette, das delphische Orakel, S. 306 u. 307,
Anm. 1. 2) Stäudlin, a. a.
O., I. S. 350 u. S. 354 ff.
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nicht verschieden von der Geschichte der Klöster und Klosterschulen des Mittelalters; die gleichen Ursachen trugen sie empor und begruben sie. Vom weltgeschichtlichen Standpunkte aus sind die Propheten und Orakel des Alterthums weit weniger der Ausfluss des Aberglaubens, als die weisen und frommen Leiter, die begeisterten Führer und Sänger der Völker. Zur Zeit der Blüthe des Orakels zu Delphi sprachen die Pythia oder ihre Priester in Versen, und nachdem diese Verse durch einen Aeschylos, Sophokles und die andern grossen Volksdichter übertroffen worden waren und das Orakel stets mehr seinem Verfalle nahte, nur noch in Prosa, oder doch nicht in eigenen Versen, sondern in Versen, die dem Homer und den Tragikern entlehnt waren, 1) und selbst diese Prosa musste vor der Prosa eines Herodot, Thukydides und Xenophon, eines Plato und Aristoteles endlich verstummen. Um die Zeiten der Entstehung des Christenthums und bis dasselbe unter Constantin zur anerkannten und herrschenden Religion des römischen Reiches geworden war, übten bei den Juden und später bei den Christen die alexandrinischen jüdischen und christlichen Sibyllendichter das Prophetenamt. Bei den Juden hatten bald nach der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft die alten Propheten aufgehört, 2) vielleicht weil mit der Rückkehr nach Palästina und der Wiedererbauung des zweiten Tempels die messianischen Hoffnungen als erfüllt und die Leiden des jüdischen Volkes als beendigt betrachtet wurden, – vielleicht auch und wohl noch eher, weil in dem Exile eine Umänderung der jüdischen Bildung und des jüdischen Glaubens eingetreten war. In dem ersteren Sinne spricht der Herr bei dem Propheten Zacharias 8, 3: „Ich will mich wieder gegen Zion wenden und mitten in Jerusalem wohnen. Alsdann wird man Jerusalem die treue Stadt nennen, und den Berg des Herrn der Heerschaaren den heiligen Berg.“ Für das Letztere ist anzuführen, dass die Leiden und Entbehrungen in der babylonischen Verbannung und die glückliche Befreiung daraus jedenfalls einen bleibenden und tiefen
1) Goette, das delphische Orakel, S. 306 u. 307, Anm. 1.
2) Stäudlin, a. a. O., I. S. 350 u. S. 354 ff.
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