Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

ihre besondern Weihen, Grade und Pläne. Als der erste und in gewissem Sinne grösste Zögling und Sendling der Prophetenschule Samuels muss der Gegenköinig und König David angesehen werden,1) und die Psalmen, wenngleich nur zum. kleinern Theile von David selbst herrührend,2) sind die grosse Prophetenstimmen Davids und seiner Gesinnungsgenossen und Nachahmer, der Anfang des ächten christlichen Glaubens, wie Jonathan und David einigen Anklang an Johannes den Evangelisten und Christus in ihrer reinen Freundschaft und Liebe haben. Samuel hatte nach der Einsetzung des Königthums, welche er nicht hatte verhindern können, seine Prophetenschule geschaffen, damit die Propheten, gleich der freien Presse bei uns, nach ihrer idealen Bestimmung für den wahren Glauben, den rechten Wandel, die Interessen und die Freiheit des Volkes wachen und streiten, - den König, und das Volk durch Strafreden, durch die Erinnerung an die sicher kommenden Folgen oder die Zukunft vor Verirrung, Unrecht und Schuld bewahren möchten. Das Alterthum hatte im. Wesentlichen dieselben öffentlichen Bedürfnisse und Interessen wie die Gegenwart, aber zu ihrer Befriedigung und Erreichung nicht dieselben Mittel und nach dem ganzen Geiste und Charakter der Zeit nur religiöse oder priesterliche; die hohe Aufgabe der Presse hatten die Propheten und die Orakel, besonders auch bei den Griechen die apollinischen Orakel und vor Allem das Nationalorakel zu Delphi, übernommen. So lange die Propheten und Orakel ihre Aufgaben redlich zu erfüllen strebten und nach dem Grade ihrer Bildung zu erfüllen vermochten, blühten sie und genossen allgemeines Ansehen und Glauben; sie zerfielen und gingen unter, sobald sie nicht mehr den allgemeinen Interessen, sondern den Interessen der Einzelnen, dem Eigennutze und den Leidenschaften dienten und zugleich von der allgemeiner gewordenen und höhern Volksbildung überflügelt wurden. Die Geschichte der Orakel des Alterthums und ihrer Propheten und Prophetinnen ist

1) Stäudlin, a. a. O., I. S. 208 ff.
2) R. Weber, die Psalmen, neu aus dem hebräischen Grundtext verdeutscht und erklärt, Zürich 1855.

ihre besondern Weihen, Grade und Pläne. Als der erste und in gewissem Sinne grösste Zögling und Sendling der Prophetenschule Samuels muss der Gegenköinig und König David angesehen werden,1) und die Psalmen, wenngleich nur zum. kleinern Theile von David selbst herrührend,2) sind die grosse Prophetenstimmen Davids und seiner Gesinnungsgenossen und Nachahmer, der Anfang des ächten christlichen Glaubens, wie Jonathan und David einigen Anklang an Johannes den Evangelisten und Christus in ihrer reinen Freundschaft und Liebe haben. Samuel hatte nach der Einsetzung des Königthums, welche er nicht hatte verhindern können, seine Prophetenschule geschaffen, damit die Propheten, gleich der freien Presse bei uns, nach ihrer idealen Bestimmung für den wahren Glauben, den rechten Wandel, die Interessen und die Freiheit des Volkes wachen und streiten, – den König, und das Volk durch Strafreden, durch die Erinnerung an die sicher kommenden Folgen oder die Zukunft vor Verirrung, Unrecht und Schuld bewahren möchten. Das Alterthum hatte im. Wesentlichen dieselben öffentlichen Bedürfnisse und Interessen wie die Gegenwart, aber zu ihrer Befriedigung und Erreichung nicht dieselben Mittel und nach dem ganzen Geiste und Charakter der Zeit nur religiöse oder priesterliche; die hohe Aufgabe der Presse hatten die Propheten und die Orakel, besonders auch bei den Griechen die apollinischen Orakel und vor Allem das Nationalorakel zu Delphi, übernommen. So lange die Propheten und Orakel ihre Aufgaben redlich zu erfüllen strebten und nach dem Grade ihrer Bildung zu erfüllen vermochten, blühten sie und genossen allgemeines Ansehen und Glauben; sie zerfielen und gingen unter, sobald sie nicht mehr den allgemeinen Interessen, sondern den Interessen der Einzelnen, dem Eigennutze und den Leidenschaften dienten und zugleich von der allgemeiner gewordenen und höhern Volksbildung überflügelt wurden. Die Geschichte der Orakel des Alterthums und ihrer Propheten und Prophetinnen ist

1) Stäudlin, a. a. O., I. S. 208 ff.
2) R. Weber, die Psalmen, neu aus dem hebräischen Grundtext verdeutscht und erklärt, Zürich 1855.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0629" n="613"/>
ihre besondern Weihen, Grade und Pläne. Als
 der erste und in gewissem Sinne grösste Zögling und Sendling der Prophetenschule Samuels muss der
 Gegenköinig und König David angesehen werden,<note place="foot" n="1)">Stäudlin, a. a. O., I. S. 208
 ff.</note> und die Psalmen, wenngleich nur zum. kleinern Theile von David selbst herrührend,<note place="foot" n="2)">R. Weber, die Psalmen, neu aus dem hebräischen Grundtext verdeutscht und
 erklärt, Zürich 1855. </note> sind die grosse Prophetenstimmen Davids und seiner Gesinnungsgenossen
 und Nachahmer, der Anfang des ächten christlichen Glaubens, wie Jonathan und David einigen Anklang
 an Johannes den Evangelisten und Christus in ihrer reinen Freundschaft und Liebe haben. Samuel hatte
 nach der Einsetzung des Königthums, welche er nicht hatte verhindern können, seine Prophetenschule
 geschaffen, damit die Propheten, gleich der freien Presse bei uns, nach ihrer idealen Bestimmung für
 den wahren Glauben, den rechten Wandel, die Interessen und die Freiheit des Volkes wachen und
 streiten, &#x2013; den König, und das Volk durch Strafreden, durch die Erinnerung an die sicher kommenden
 Folgen oder die Zukunft vor Verirrung, Unrecht und Schuld bewahren möchten. Das Alterthum hatte im.
 Wesentlichen dieselben öffentlichen Bedürfnisse und Interessen wie die Gegenwart, aber zu ihrer
 Befriedigung und Erreichung nicht dieselben Mittel und nach dem ganzen Geiste und Charakter der Zeit
 nur religiöse oder priesterliche; die hohe Aufgabe der Presse hatten die Propheten und die Orakel,
 besonders auch bei den Griechen die apollinischen Orakel und vor Allem das Nationalorakel zu Delphi,
 übernommen. So lange die Propheten und Orakel ihre Aufgaben redlich zu erfüllen strebten und nach
 dem Grade ihrer Bildung zu erfüllen vermochten, blühten sie und genossen allgemeines Ansehen und
 Glauben; sie zerfielen und gingen unter, sobald sie nicht mehr den allgemeinen Interessen, sondern
 den Interessen der Einzelnen, dem Eigennutze und den Leidenschaften dienten und zugleich von der
 allgemeiner gewordenen und höhern Volksbildung überflügelt wurden. Die Geschichte der Orakel des
 Alterthums und ihrer Propheten und Prophetinnen ist
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[613/0629] ihre besondern Weihen, Grade und Pläne. Als der erste und in gewissem Sinne grösste Zögling und Sendling der Prophetenschule Samuels muss der Gegenköinig und König David angesehen werden, 1) und die Psalmen, wenngleich nur zum. kleinern Theile von David selbst herrührend, 2) sind die grosse Prophetenstimmen Davids und seiner Gesinnungsgenossen und Nachahmer, der Anfang des ächten christlichen Glaubens, wie Jonathan und David einigen Anklang an Johannes den Evangelisten und Christus in ihrer reinen Freundschaft und Liebe haben. Samuel hatte nach der Einsetzung des Königthums, welche er nicht hatte verhindern können, seine Prophetenschule geschaffen, damit die Propheten, gleich der freien Presse bei uns, nach ihrer idealen Bestimmung für den wahren Glauben, den rechten Wandel, die Interessen und die Freiheit des Volkes wachen und streiten, – den König, und das Volk durch Strafreden, durch die Erinnerung an die sicher kommenden Folgen oder die Zukunft vor Verirrung, Unrecht und Schuld bewahren möchten. Das Alterthum hatte im. Wesentlichen dieselben öffentlichen Bedürfnisse und Interessen wie die Gegenwart, aber zu ihrer Befriedigung und Erreichung nicht dieselben Mittel und nach dem ganzen Geiste und Charakter der Zeit nur religiöse oder priesterliche; die hohe Aufgabe der Presse hatten die Propheten und die Orakel, besonders auch bei den Griechen die apollinischen Orakel und vor Allem das Nationalorakel zu Delphi, übernommen. So lange die Propheten und Orakel ihre Aufgaben redlich zu erfüllen strebten und nach dem Grade ihrer Bildung zu erfüllen vermochten, blühten sie und genossen allgemeines Ansehen und Glauben; sie zerfielen und gingen unter, sobald sie nicht mehr den allgemeinen Interessen, sondern den Interessen der Einzelnen, dem Eigennutze und den Leidenschaften dienten und zugleich von der allgemeiner gewordenen und höhern Volksbildung überflügelt wurden. Die Geschichte der Orakel des Alterthums und ihrer Propheten und Prophetinnen ist 1) Stäudlin, a. a. O., I. S. 208 ff. 2) R. Weber, die Psalmen, neu aus dem hebräischen Grundtext verdeutscht und erklärt, Zürich 1855.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-14T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-14T13:44:32Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-14T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/629
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 613. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/629>, abgerufen am 22.11.2024.