Schrift, altn. runa f. linea neben raun litera, kymr. rhin f. mysterium, brit. rin, pl. rinyou m. mysterium, incantatio, - gadh. raun, pl. rauintean, mysteriuni, consilium, - ruine f. secretum, silentium, - finn. runo carmen.1) Mit allen Mysterien ist nothwendig auch eine nur den Eingeweihten mitzutheilende und verständliche Geheimschrift verbunden, wie dieselben ihre besondern und geheimen Erkennungsworte und Erkennungszeichen haben; die Eingeweihten erkennen einander an dem Worte, an den Zeichen der Hand und des Fusses, oder an der Schrift. Bei den Grussmauern des Mittelalters bestand diese Geheimschrift darin, dass die Vocale a, e, i, o und u mit den Zahlen 1, 2, 3, 4 und 5 bezeichnet und der erste Buchstabe allezeit vor den letzten Buchstaben des Wortes gesetzt wurden; c3h 2rh4ffv2 heisst daher: ich verhoffe. Ursprünglich war alle Schrift, wie überhaupt alles Wissen, insofern ein Geheimniss, ein Mysterium, eine Rune, als sie nur den Eingeweihten gelehrt und mitgetheilt wurde. Finn. heisst daher rudnet dicere, loqui, - rund artificium, scientia, - rundak sapiens, altn. ryndr literatus, magus; lett. runnat loqui, runnas collegium, sermo.2) Wer das Mysterium, die Rune besitzt, ist ein Weiser, hat die Kunst und Wissenschaft, kann reden und schreiben, ist ein Zauberer und Meister, ein Künstler. Auf diese Weise fällt im Alterthume lange Zeit die Ausbreitung der Bildung und des Wissens mit der Ausbreitung der Mysterien, mit dem Eingeweihtwerden zusammen und die höhere Geschichte der Menschheit ist mehr oder weniger gleichbedeutend mit der Geschichte der Mysterien. Die Kunst, mit den Händen Zeichen zu geben, war schon bei den Römern sehr ausgebildet und vermuthlich auch bei den römischen Baucorporafionen geübt worden, wie sie in den Klöstern des Mittelalters gebräuchlich war.3) Obwohl das Wissen der Mysterien ein geheimes, ein nur den Eingeweihten an gehörendes oder bevorrechtetes (privilegium) war, lag dennoch darin ein bedeutendes Moment der allgemeinen Frei-
1) Diefenbach, a. a. O., S. 410.
2) Diefenbach, a. a. O.
3) Krause, Kunsturkunden, II. 2. S. 67, Anm.
Schrift, altn. runa f. linea neben rûn litera, kymr. rhin f. mysterium, brit. rin, pl. rinyou m. mysterium, incantatio, – gadh. rûn, pl. rûintean, mysteriuni, consilium, – ruine f. secretum, silentium, – finn. runo carmen.1) Mit allen Mysterien ist nothwendig auch eine nur den Eingeweihten mitzutheilende und verständliche Geheimschrift verbunden, wie dieselben ihre besondern und geheimen Erkennungsworte und Erkennungszeichen haben; die Eingeweihten erkennen einander an dem Worte, an den Zeichen der Hand und des Fusses, oder an der Schrift. Bei den Grussmauern des Mittelalters bestand diese Geheimschrift darin, dass die Vocale a, e, i, o und u mit den Zahlen 1, 2, 3, 4 und 5 bezeichnet und der erste Buchstabe allezeit vor den letzten Buchstaben des Wortes gesetzt wurden; c3h 2rh4ffv2 heisst daher: ich verhoffe. Ursprünglich war alle Schrift, wie überhaupt alles Wissen, insofern ein Geheimniss, ein Mysterium, eine Rune, als sie nur den Eingeweihten gelehrt und mitgetheilt wurde. Finn. heisst daher rudnet dicere, loqui, – rund artificium, scientia, – rundak sapiens, altn. ryndr literatus, magus; lett. runnât loqui, runnas collegium, sermo.2) Wer das Mysterium, die Rune besitzt, ist ein Weiser, hat die Kunst und Wissenschaft, kann reden und schreiben, ist ein Zauberer und Meister, ein Künstler. Auf diese Weise fällt im Alterthume lange Zeit die Ausbreitung der Bildung und des Wissens mit der Ausbreitung der Mysterien, mit dem Eingeweihtwerden zusammen und die höhere Geschichte der Menschheit ist mehr oder weniger gleichbedeutend mit der Geschichte der Mysterien. Die Kunst, mit den Händen Zeichen zu geben, war schon bei den Römern sehr ausgebildet und vermuthlich auch bei den römischen Baucorporafionen geübt worden, wie sie in den Klöstern des Mittelalters gebräuchlich war.3) Obwohl das Wissen der Mysterien ein geheimes, ein nur den Eingeweihten an gehörendes oder bevorrechtetes (privilegium) war, lag dennoch darin ein bedeutendes Moment der allgemeinen Frei-
1) Diefenbach, a. a. O., S. 410.
2) Diefenbach, a. a. O.
3) Krause, Kunsturkunden, II. 2. S. 67, Anm.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0277"n="257"/>
Schrift, altn. <hirendition="#g">runa</hi> f. linea neben rûn litera, kymr. <hirendition="#g">rhin</hi> f. mysterium, brit. <hirendition="#g">rin</hi>, pl. <hirendition="#g">rinyou</hi> m. mysterium, incantatio, – gadh. <hirendition="#g">rûn</hi>, pl. rûintean, mysteriuni, consilium, –<hirendition="#g">ruine</hi> f. secretum, silentium, – finn. <hirendition="#g">runo</hi> carmen.<noteplace="foot"n="1)">Diefenbach, a. a. O., S. 410.<lb/></note> Mit allen Mysterien ist nothwendig auch eine nur den Eingeweihten mitzutheilende und verständliche Geheimschrift verbunden, wie dieselben ihre besondern und geheimen Erkennungsworte und Erkennungszeichen haben; die Eingeweihten erkennen einander an dem Worte, an den Zeichen der Hand und des Fusses, oder an der Schrift. Bei den Grussmauern des Mittelalters bestand diese Geheimschrift darin, dass die Vocale a, e, i, o und u mit den Zahlen 1, 2, 3, 4 und 5 bezeichnet und der erste Buchstabe allezeit vor den letzten Buchstaben des Wortes gesetzt wurden; c3h 2rh4ffv2 heisst daher: ich verhoffe. Ursprünglich war alle Schrift, wie überhaupt alles Wissen, insofern ein Geheimniss, ein Mysterium, eine Rune, als sie nur den Eingeweihten gelehrt und mitgetheilt wurde. Finn. heisst daher <hirendition="#g">rudnet</hi> dicere, loqui, –<hirendition="#g">rund</hi> artificium, scientia, –<hirendition="#g">rundak</hi> sapiens, altn. <hirendition="#g">ryndr</hi> literatus, magus; lett. <hirendition="#g">runnât</hi> loqui, runnas collegium, sermo.<noteplace="foot"n="2)">Diefenbach, a. a. O.<lb/></note> Wer das Mysterium, die Rune besitzt, ist ein Weiser, hat die Kunst und Wissenschaft, kann reden und schreiben, ist ein Zauberer und Meister, ein Künstler. Auf diese Weise fällt im Alterthume lange Zeit die Ausbreitung der Bildung und des Wissens mit der Ausbreitung der Mysterien, mit dem Eingeweihtwerden zusammen und die höhere Geschichte der Menschheit ist mehr oder weniger gleichbedeutend mit der Geschichte der Mysterien. Die Kunst, mit den Händen Zeichen zu geben, war schon bei den Römern sehr ausgebildet und vermuthlich auch bei den römischen Baucorporafionen geübt worden, wie sie in den Klöstern des Mittelalters gebräuchlich war.<noteplace="foot"n="3)">Krause, Kunsturkunden, II. 2. S. 67, Anm.<lb/></note> Obwohl das Wissen der Mysterien ein geheimes, ein nur den Eingeweihten an gehörendes oder bevorrechtetes (privilegium) war, lag dennoch darin ein bedeutendes Moment der allgemeinen Frei-
</p></div></body></text></TEI>
[257/0277]
Schrift, altn. runa f. linea neben rûn litera, kymr. rhin f. mysterium, brit. rin, pl. rinyou m. mysterium, incantatio, – gadh. rûn, pl. rûintean, mysteriuni, consilium, – ruine f. secretum, silentium, – finn. runo carmen. 1) Mit allen Mysterien ist nothwendig auch eine nur den Eingeweihten mitzutheilende und verständliche Geheimschrift verbunden, wie dieselben ihre besondern und geheimen Erkennungsworte und Erkennungszeichen haben; die Eingeweihten erkennen einander an dem Worte, an den Zeichen der Hand und des Fusses, oder an der Schrift. Bei den Grussmauern des Mittelalters bestand diese Geheimschrift darin, dass die Vocale a, e, i, o und u mit den Zahlen 1, 2, 3, 4 und 5 bezeichnet und der erste Buchstabe allezeit vor den letzten Buchstaben des Wortes gesetzt wurden; c3h 2rh4ffv2 heisst daher: ich verhoffe. Ursprünglich war alle Schrift, wie überhaupt alles Wissen, insofern ein Geheimniss, ein Mysterium, eine Rune, als sie nur den Eingeweihten gelehrt und mitgetheilt wurde. Finn. heisst daher rudnet dicere, loqui, – rund artificium, scientia, – rundak sapiens, altn. ryndr literatus, magus; lett. runnât loqui, runnas collegium, sermo. 2) Wer das Mysterium, die Rune besitzt, ist ein Weiser, hat die Kunst und Wissenschaft, kann reden und schreiben, ist ein Zauberer und Meister, ein Künstler. Auf diese Weise fällt im Alterthume lange Zeit die Ausbreitung der Bildung und des Wissens mit der Ausbreitung der Mysterien, mit dem Eingeweihtwerden zusammen und die höhere Geschichte der Menschheit ist mehr oder weniger gleichbedeutend mit der Geschichte der Mysterien. Die Kunst, mit den Händen Zeichen zu geben, war schon bei den Römern sehr ausgebildet und vermuthlich auch bei den römischen Baucorporafionen geübt worden, wie sie in den Klöstern des Mittelalters gebräuchlich war. 3) Obwohl das Wissen der Mysterien ein geheimes, ein nur den Eingeweihten an gehörendes oder bevorrechtetes (privilegium) war, lag dennoch darin ein bedeutendes Moment der allgemeinen Frei-
1) Diefenbach, a. a. O., S. 410.
2) Diefenbach, a. a. O.
3) Krause, Kunsturkunden, II. 2. S. 67, Anm.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-08-21T13:44:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-08-21T13:44:32Z)
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-08-21T13:44:32Z)
Maxi Grubert: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-08-21T13:44:32Z)
Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/277>, abgerufen am 16.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.