Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

Ufern des Euphrat und Tigris, sowie in den Ländern und Felsen Kleinasiens,1) besonders in Lydien, Phrygien und Lykien, allgemein findet. Die merkwürdige und berühmte Felsenhöhle Makpelah, von den Moslems el-Haram genannt, gegenüber Mamre in Palästina, worin die Särge der jüdischen Patriarchen, Abraham, Isaak und Jakob mit ihren Weibern Sarah, Rebekka und Lea ruhen, ist noch heute vollkommen erhalten und wird von den Moslems, die eine Moschee darüber erbauet haben, hoch verehrt.2) Es möchte dieses sogar die Sitte und der Glaube der Urmenschheit gewesen sein, weil sie auch bei den alten Baktrern, bei den Ariern, in Iran gleichmässig vorkommt, wenngleich seit den Zeiten des Zoroaster oder Zarathustra die Arier die Todten weder beerdigten noch verbrannten, um die reinen Elemente der Erde, des Wassers und des Feuers nicht zu verunreinigen, sondern die Leichname den Vögeln und wilden Thieren aussetzten, damit sie deren Fleisch verzehrten und, nur die Knochen übrig liessen; aber am Tage der Wiederauferstehung der Todten wurden diese Knochen zu neuen Körpern oder vielmehr zu neuem Leben versammelt. Die Seelenwanderung in diesem Sinne und auf dieser Grundlage ist somit die gemeinsame Vorstellung der Urmenschheit. Eben solche Felsengräber finden sich auf der Insel Sardinien, welche für die ältesten Denkmale, mit den auf dieser Gebirgsinsel vorhandenen weitläufigen Felsenwohnungen gehalten werden3) und wohl von Semiten herrühren dürften, während Ritter an Arier, an Inder denkt. Eine Umgestaltung erlitt diese Vorstellung bei den arischen Indern im Gangeslande oder auch schon am Indus in Folge des indischen Pantheismus und des Verlangens der Inder nach Wiedervereinigung der Seele mit der Allseele, mit der Gottheit durch ihre Befreiung von der Strafe der Wanderung und eines neuen Lebens. Nunmehr hatte die Erhaltung des Leichnams oder auch nur seiner Knochenüberreste keine weitere Bedeutung, der

1) Semper, der Stil , I. S. 426 ff.; Lübke, Geschichte der Architektur, S. 41 ff.
2) Van de Velde, Reise durch Syrien und Palästina, II S. 97 ff.
3) Ritter, Vorhalle, S. 360.

Ufern des Euphrat und Tigris, sowie in den Ländern und Felsen Kleinasiens,1) besonders in Lydien, Phrygien und Lykien, allgemein findet. Die merkwürdige und berühmte Felsenhöhle Makpelah, von den Moslems el-Haram genannt, gegenüber Mamre in Palästina, worin die Särge der jüdischen Patriarchen, Abraham, Isaak und Jakob mit ihren Weibern Sarah, Rebekka und Lea ruhen, ist noch heute vollkommen erhalten und wird von den Moslems, die eine Moschee darüber erbauet haben, hoch verehrt.2) Es möchte dieses sogar die Sitte und der Glaube der Urmenschheit gewesen sein, weil sie auch bei den alten Baktrern, bei den Ariern, in Iran gleichmässig vorkommt, wenngleich seit den Zeiten des Zoroaster oder Zarathustra die Arier die Todten weder beerdigten noch verbrannten, um die reinen Elemente der Erde, des Wassers und des Feuers nicht zu verunreinigen, sondern die Leichname den Vögeln und wilden Thieren aussetzten, damit sie deren Fleisch verzehrten und, nur die Knochen übrig liessen; aber am Tage der Wiederauferstehung der Todten wurden diese Knochen zu neuen Körpern oder vielmehr zu neuem Leben versammelt. Die Seelenwanderung in diesem Sinne und auf dieser Grundlage ist somit die gemeinsame Vorstellung der Urmenschheit. Eben solche Felsengräber finden sich auf der Insel Sardinien, welche für die ältesten Denkmale, mit den auf dieser Gebirgsinsel vorhandenen weitläufigen Felsenwohnungen gehalten werden3) und wohl von Semiten herrühren dürften, während Ritter an Arier, an Inder denkt. Eine Umgestaltung erlitt diese Vorstellung bei den arischen Indern im Gangeslande oder auch schon am Indus in Folge des indischen Pantheismus und des Verlangens der Inder nach Wiedervereinigung der Seele mit der Allseele, mit der Gottheit durch ihre Befreiung von der Strafe der Wanderung und eines neuen Lebens. Nunmehr hatte die Erhaltung des Leichnams oder auch nur seiner Knochenüberreste keine weitere Bedeutung, der

1) Semper, der Stil , I. S. 426 ff.; Lübke, Geschichte der Architektur, S. 41 ff.
2) Van de Velde, Reise durch Syrien und Palästina, II S. 97 ff.
3) Ritter, Vorhalle, S. 360.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0329" n="309"/>
Ufern des Euphrat und Tigris, sowie in den Ländern und Felsen Kleinasiens,<note place="foot" n="1)">Semper, der Stil , I. S. 426 ff.; Lübke, Geschichte der Architektur, S. 41 ff.<lb/></note> besonders in Lydien, Phrygien und Lykien, allgemein findet. Die merkwürdige und berühmte Felsenhöhle Makpelah, von den Moslems el-Haram genannt, gegenüber Mamre in Palästina, worin die Särge der jüdischen Patriarchen, Abraham, Isaak und Jakob mit ihren Weibern Sarah, Rebekka und Lea ruhen, ist noch heute vollkommen erhalten und wird von den Moslems, die eine Moschee darüber erbauet haben, hoch verehrt.<note place="foot" n="2)">Van de Velde, Reise durch Syrien und Palästina, II S. 97 ff.<lb/></note> Es möchte dieses sogar die Sitte und der Glaube der Urmenschheit gewesen sein, weil sie auch bei den alten Baktrern, bei den Ariern, in Iran gleichmässig vorkommt, wenngleich seit den Zeiten des Zoroaster oder Zarathustra die Arier die Todten weder beerdigten noch verbrannten, um die reinen Elemente der Erde, des Wassers und des Feuers nicht zu verunreinigen, sondern die Leichname den Vögeln und wilden Thieren aussetzten, damit sie deren Fleisch verzehrten und, nur die Knochen übrig liessen; aber am Tage der Wiederauferstehung der Todten wurden diese Knochen zu neuen Körpern oder vielmehr zu neuem Leben versammelt. Die Seelenwanderung in diesem Sinne und auf dieser Grundlage ist somit die gemeinsame Vorstellung der Urmenschheit. Eben solche Felsengräber finden sich auf der Insel Sardinien, welche für die ältesten Denkmale, mit den auf dieser Gebirgsinsel vorhandenen weitläufigen Felsenwohnungen gehalten werden<note place="foot" n="3)">Ritter, Vorhalle, S. 360.<lb/></note> und wohl von Semiten herrühren dürften, während Ritter an Arier, an Inder denkt. Eine Umgestaltung erlitt diese Vorstellung bei den arischen Indern im Gangeslande oder auch schon am Indus in Folge des indischen Pantheismus und des Verlangens der Inder nach Wiedervereinigung der Seele mit der Allseele, mit der Gottheit durch ihre Befreiung von der Strafe der Wanderung und eines neuen Lebens. Nunmehr hatte die Erhaltung des Leichnams oder auch nur seiner Knochenüberreste keine weitere Bedeutung, der
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[309/0329] Ufern des Euphrat und Tigris, sowie in den Ländern und Felsen Kleinasiens, 1) besonders in Lydien, Phrygien und Lykien, allgemein findet. Die merkwürdige und berühmte Felsenhöhle Makpelah, von den Moslems el-Haram genannt, gegenüber Mamre in Palästina, worin die Särge der jüdischen Patriarchen, Abraham, Isaak und Jakob mit ihren Weibern Sarah, Rebekka und Lea ruhen, ist noch heute vollkommen erhalten und wird von den Moslems, die eine Moschee darüber erbauet haben, hoch verehrt. 2) Es möchte dieses sogar die Sitte und der Glaube der Urmenschheit gewesen sein, weil sie auch bei den alten Baktrern, bei den Ariern, in Iran gleichmässig vorkommt, wenngleich seit den Zeiten des Zoroaster oder Zarathustra die Arier die Todten weder beerdigten noch verbrannten, um die reinen Elemente der Erde, des Wassers und des Feuers nicht zu verunreinigen, sondern die Leichname den Vögeln und wilden Thieren aussetzten, damit sie deren Fleisch verzehrten und, nur die Knochen übrig liessen; aber am Tage der Wiederauferstehung der Todten wurden diese Knochen zu neuen Körpern oder vielmehr zu neuem Leben versammelt. Die Seelenwanderung in diesem Sinne und auf dieser Grundlage ist somit die gemeinsame Vorstellung der Urmenschheit. Eben solche Felsengräber finden sich auf der Insel Sardinien, welche für die ältesten Denkmale, mit den auf dieser Gebirgsinsel vorhandenen weitläufigen Felsenwohnungen gehalten werden 3) und wohl von Semiten herrühren dürften, während Ritter an Arier, an Inder denkt. Eine Umgestaltung erlitt diese Vorstellung bei den arischen Indern im Gangeslande oder auch schon am Indus in Folge des indischen Pantheismus und des Verlangens der Inder nach Wiedervereinigung der Seele mit der Allseele, mit der Gottheit durch ihre Befreiung von der Strafe der Wanderung und eines neuen Lebens. Nunmehr hatte die Erhaltung des Leichnams oder auch nur seiner Knochenüberreste keine weitere Bedeutung, der 1) Semper, der Stil , I. S. 426 ff.; Lübke, Geschichte der Architektur, S. 41 ff. 2) Van de Velde, Reise durch Syrien und Palästina, II S. 97 ff. 3) Ritter, Vorhalle, S. 360.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-21T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Maxi Grubert: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-21T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/329
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/329>, abgerufen am 22.11.2024.