zu Menschenopfern, zum Zerreissen der Menschen und
Thiere und zum Essen wenigstens des rohen Thierfleisches das verirrte Volk führte. Dionysos sollte nicht blos symbolisch oder bildlich ein gequälter, verfolgter und getödteter Gott sein, sondern diese Qualen und Verfolgungen sollte man bis zum Tode mit leiblichen Augen sehen, ungefähr wie man sich zuweilen in den katholischen Kirchen in den erschrecklichen Darstellungen der Leiden und des Todes Christi gefällt. Diese blutigen Feiern und Dienste führten zugleich zu der wilden Aufregung, besonders der Frauen, der Mänaden, welche den Dionysosdienst entstellte und schändete. Zur Andeutung der Leiden, welche im Winter die schöpferische Natur auszustehen hatte, - zur Andeutung der angeblichen Zerreissung des Dionysos durch die wilden Titanen wurden bei den dionysischen Todtenfeiern manche Waldthiere, wie Hirschkälber, junge Wölfe, Böcke u. s. f. zerrissen und ihr rohes Fleisch von den Feiernden gegessen.1) Anfänglich wurden auch Menschen geopfert und zerrissen, wie noch unter Themistokles drei persische Jünglinge geopfert wurden. Jedoch auch die Wiedererweckung des Gottes, welche man von dem Frühling hoffte, wurde symbolisch angedeutet, auf dem Parnass durch jene allegorische Auferweckung des Dionysos [fremdsprachliches Material]. Von dem düstern, schauerlichen Totaleffect der ganzen Feier geben die Dichter oft sehr lebendige Schilderungen, ausser Euripides besonders Aesehylos. Preller sagt daher: "Kurz es war der tiefste Erden- und Naturschmerz, die wildeste Verzweiflung des von den Agonieen des Winters beängstigten Gemüths, nur von dem Hoffnungsschimmer des Frühlings durchleuchtet, dass er doch wiederkommen müsse und mit ihm der Gott der Jugend, der Lust, der ewig schaffenden und quellenden Naturkrift." - Dieses war die höhere und geistige Seite des Dionysosdienstes, an sie knüpfte Pythagoras die orphischen oder die Einweihungsmysterien in seinen Bund an, wie auch sie allein in die Mysterien des Hiram aufgenommen ist.
Wie der keimende und blühende Frühling alle Herzen mit Lust und Freude erfüllt und hoch beseligt, muss
1) Preller, a. a. O., I. S. 131 und 132; Welker, I. S. 442 ff
zu Menschenopfern, zum Zerreissen der Menschen und
Thiere und zum Essen wenigstens des rohen Thierfleisches das verirrte Volk führte. Dionysos sollte nicht blos symbolisch oder bildlich ein gequälter, verfolgter und getödteter Gott sein, sondern diese Qualen und Verfolgungen sollte man bis zum Tode mit leiblichen Augen sehen, ungefähr wie man sich zuweilen in den katholischen Kirchen in den erschrecklichen Darstellungen der Leiden und des Todes Christi gefällt. Diese blutigen Feiern und Dienste führten zugleich zu der wilden Aufregung, besonders der Frauen, der Mänaden, welche den Dionysosdienst entstellte und schändete. Zur Andeutung der Leiden, welche im Winter die schöpferische Natur auszustehen hatte, - zur Andeutung der angeblichen Zerreissung des Dionysos durch die wilden Titanen wurden bei den dionysischen Todtenfeiern manche Waldthiere, wie Hirschkälber, junge Wölfe, Böcke u. s. f. zerrissen und ihr rohes Fleisch von den Feiernden gegessen.1) Anfänglich wurden auch Menschen geopfert und zerrissen, wie noch unter Themistokles drei persische Jünglinge geopfert wurden. Jedoch auch die Wiedererweckung des Gottes, welche man von dem Frühling hoffte, wurde symbolisch angedeutet, auf dem Parnass durch jene allegorische Auferweckung des Dionysos [fremdsprachliches Material]. Von dem düstern, schauerlichen Totaleffect der ganzen Feier geben die Dichter oft sehr lebendige Schilderungen, ausser Euripides besonders Aesehylos. Preller sagt daher: „Kurz es war der tiefste Erden- und Naturschmerz, die wildeste Verzweiflung des von den Agonieen des Winters beängstigten Gemüths, nur von dem Hoffnungsschimmer des Frühlings durchleuchtet, dass er doch wiederkommen müsse und mit ihm der Gott der Jugend, der Lust, der ewig schaffenden und quellenden Naturkrift.“ - Dieses war die höhere und geistige Seite des Dionysosdienstes, an sie knüpfte Pythagoras die orphischen oder die Einweihungsmysterien in seinen Bund an, wie auch sie allein in die Mysterien des Hiram aufgenommen ist.
Wie der keimende und blühende Frühling alle Herzen mit Lust und Freude erfüllt und hoch beseligt, muss
1) Preller, a. a. O., I. S. 131 und 132; Welker, I. S. 442 ff
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zu Menschenopfern, zum Zerreissen der Menschen und
Thiere und zum Essen wenigstens des rohen Thierfleisches das verirrte Volk führte. Dionysos sollte nicht blos symbolisch oder bildlich ein gequälter, verfolgter und getödteter Gott sein, sondern diese Qualen und Verfolgungen sollte man bis zum Tode mit leiblichen Augen sehen, ungefähr wie man sich zuweilen in den katholischen Kirchen in den erschrecklichen Darstellungen der Leiden und des Todes Christi gefällt. Diese blutigen Feiern und Dienste führten zugleich zu der wilden Aufregung, besonders der Frauen, der Mänaden, welche den Dionysosdienst entstellte und schändete. Zur Andeutung der Leiden, welche im Winter die schöpferische Natur auszustehen hatte, - zur Andeutung der angeblichen Zerreissung des Dionysos durch die wilden Titanen wurden bei den dionysischen Todtenfeiern manche Waldthiere, wie Hirschkälber, junge Wölfe, Böcke u. s. f. zerrissen und ihr rohes Fleisch von den Feiernden gegessen.<noteplace="foot"n="1)">Preller, a. a. O., I. S. 131 und 132; Welker, I. S. 442 ff<lb/></note> Anfänglich wurden auch Menschen geopfert und zerrissen, wie noch unter Themistokles drei persische Jünglinge geopfert wurden. Jedoch auch die Wiedererweckung des Gottes, welche man von dem Frühling hoffte, wurde symbolisch angedeutet, auf dem Parnass durch jene allegorische Auferweckung des Dionysos <foreignxml:lang="ell"><gapreason="fm"/></foreign>. Von dem düstern, schauerlichen Totaleffect der ganzen Feier geben die Dichter oft sehr lebendige Schilderungen, ausser Euripides besonders Aesehylos. Preller sagt daher: „Kurz es war der tiefste Erden- und Naturschmerz, die wildeste Verzweiflung des von den Agonieen des Winters beängstigten Gemüths, nur von dem Hoffnungsschimmer des Frühlings durchleuchtet, dass er doch wiederkommen müsse und mit ihm der Gott der Jugend, der Lust, der ewig schaffenden und quellenden Naturkrift.“ - Dieses war die höhere und geistige Seite des Dionysosdienstes, an sie knüpfte Pythagoras die orphischen oder die Einweihungsmysterien in seinen Bund an, wie auch sie allein in die Mysterien des Hiram aufgenommen ist.
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Wie der keimende und blühende Frühling alle Herzen mit Lust und Freude erfüllt und hoch beseligt, muss
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zu Menschenopfern, zum Zerreissen der Menschen und Thiere und zum Essen wenigstens des rohen Thierfleisches das verirrte Volk führte. Dionysos sollte nicht blos symbolisch oder bildlich ein gequälter, verfolgter und getödteter Gott sein, sondern diese Qualen und Verfolgungen sollte man bis zum Tode mit leiblichen Augen sehen, ungefähr wie man sich zuweilen in den katholischen Kirchen in den erschrecklichen Darstellungen der Leiden und des Todes Christi gefällt. Diese blutigen Feiern und Dienste führten zugleich zu der wilden Aufregung, besonders der Frauen, der Mänaden, welche den Dionysosdienst entstellte und schändete. Zur Andeutung der Leiden, welche im Winter die schöpferische Natur auszustehen hatte, - zur Andeutung der angeblichen Zerreissung des Dionysos durch die wilden Titanen wurden bei den dionysischen Todtenfeiern manche Waldthiere, wie Hirschkälber, junge Wölfe, Böcke u. s. f. zerrissen und ihr rohes Fleisch von den Feiernden gegessen. 1) Anfänglich wurden auch Menschen geopfert und zerrissen, wie noch unter Themistokles drei persische Jünglinge geopfert wurden. Jedoch auch die Wiedererweckung des Gottes, welche man von dem Frühling hoffte, wurde symbolisch angedeutet, auf dem Parnass durch jene allegorische Auferweckung des Dionysos _ . Von dem düstern, schauerlichen Totaleffect der ganzen Feier geben die Dichter oft sehr lebendige Schilderungen, ausser Euripides besonders Aesehylos. Preller sagt daher: „Kurz es war der tiefste Erden- und Naturschmerz, die wildeste Verzweiflung des von den Agonieen des Winters beängstigten Gemüths, nur von dem Hoffnungsschimmer des Frühlings durchleuchtet, dass er doch wiederkommen müsse und mit ihm der Gott der Jugend, der Lust, der ewig schaffenden und quellenden Naturkrift.“ - Dieses war die höhere und geistige Seite des Dionysosdienstes, an sie knüpfte Pythagoras die orphischen oder die Einweihungsmysterien in seinen Bund an, wie auch sie allein in die Mysterien des Hiram aufgenommen ist.
Wie der keimende und blühende Frühling alle Herzen mit Lust und Freude erfüllt und hoch beseligt, muss
1) Preller, a. a. O., I. S. 131 und 132; Welker, I. S. 442 ff
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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 564. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/584>, abgerufen am 26.06.2024.
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