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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.

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Wahrhaftig ja da bist der Stier,
Du bist der stierstürmische Hort!

Der Stier ist das Sinnbild der Stärke, der befruchtenden und erzeugenden Lebenskraft. - Die pythischen Spiele wurden zu Delphi in dem Monat Bukatios, d. i. Monat der Stieropfer gefeiert, dessen Jahreszeit aber sehr streitig ist und den Schoemann, a. a. O., II. S. 61 oben, mit Andern in den Spätsommer oder in den Anfang des Herbstes verlegen will. Auch Mithra wird als der Sonnenstier und Sonnenlöwe aufgefasst und stier- und löwenhauptig in der spätern Abraxenzeit dargestellt, wie Dionysos vielfältig mit Stierhörnern oder auch ganz in Stiergestalt gebildet wurde. 2)

Klemm, Handbuch der germanischen Alterthumskunde, S. 209 und 364, glaubt, dass das Stiergespann eine Auszeichnung der germanischen Könige gewesen sei, wie ja auch die Göttermutter auf einem mit Kühen bespannten Wagen bei ihrem Jahresfeste umhergefahren worden. Dadurch werde auch der kleine goldene Stierkopf3) erklärt, der in dem Grabe Childerichs zu Tournay gefunden worden sei, indem dieser wahrscheinlich ein Sinnbild der königlichen Würde gewesen. Die Cimbern und Teutonen haben Stierbilder als Feldzeichen nach ägyptischer Weise geführt. Preller, a. a. O., I. S. 411, deutet bei der Kybele oder Rhea den Löwen, der den Stier bezwingt, auf die herrschende Obmacht der Göttin über alles Wilde und Unbändige, namentlich über zerstörende Fluthen, von denen man in Kleinasien viel erzählte. Der Löwe der Erdgöttin ist aber die obsiegende, die siegreich streitende höchste Natur- und Sonnenkraft, der Sonnenlöwe, wie der griechische Herakles und der tyrische Melkart es ist; dort ist die Kraft nur zur Göttin und hier zum Gotte gestaltet. Auch auf Münzen von Sardes findet sich der Löwe, den Stier würgend;4) auf Münzen von Samos und Messana stehen die Köpfe von Löwe und Stier. Kybele, Astarte,

1)Müller, Mithras, S. 67.
2)Schoemann, II. S. 158.
3) Abgebildet bei Klemm, Taf. XXII.
4) Welker, II. S, 622, Anm. 147.

Wahrhaftig ja da bist der Stier,
Du bist der stierstürmische Hort!

Der Stier ist das Sinnbild der Stärke, der befruchtenden und erzeugenden Lebenskraft. - Die pythischen Spiele wurden zu Delphi in dem Monat Bukatios, d. i. Monat der Stieropfer gefeiert, dessen Jahreszeit aber sehr streitig ist und den Schoemann, a. a. O., II. S. 61 oben, mit Andern in den Spätsommer oder in den Anfang des Herbstes verlegen will. Auch Mithra wird als der Sonnenstier und Sonnenlöwe aufgefasst und stier- und löwenhauptig in der spätern Abraxenzeit dargestellt, wie Dionysos vielfältig mit Stierhörnern oder auch ganz in Stiergestalt gebildet wurde. 2)

Klemm, Handbuch der germanischen Alterthumskunde, S. 209 und 364, glaubt, dass das Stiergespann eine Auszeichnung der germanischen Könige gewesen sei, wie ja auch die Göttermutter auf einem mit Kühen bespannten Wagen bei ihrem Jahresfeste umhergefahren worden. Dadurch werde auch der kleine goldene Stierkopf3) erklärt, der in dem Grabe Childerichs zu Tournay gefunden worden sei, indem dieser wahrscheinlich ein Sinnbild der königlichen Würde gewesen. Die Cimbern und Teutonen haben Stierbilder als Feldzeichen nach ägyptischer Weise geführt. Preller, a. a. O., I. S. 411, deutet bei der Kybele oder Rhea den Löwen, der den Stier bezwingt, auf die herrschende Obmacht der Göttin über alles Wilde und Unbändige, namentlich über zerstörende Fluthen, von denen man in Kleinasien viel erzählte. Der Löwe der Erdgöttin ist aber die obsiegende, die siegreich streitende höchste Natur- und Sonnenkraft, der Sonnenlöwe, wie der griechische Herakles und der tyrische Melkart es ist; dort ist die Kraft nur zur Göttin und hier zum Gotte gestaltet. Auch auf Münzen von Sardes findet sich der Löwe, den Stier würgend;4) auf Münzen von Samos und Messana stehen die Köpfe von Löwe und Stier. Kybele, Astarte,

1)Müller, Mithras, S. 67.
2)Schoemann, II. S. 158.
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4) Welker, II. S, 622, Anm. 147.
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[630/0650] Wahrhaftig ja da bist der Stier, Du bist der stierstürmische Hort! Der Stier ist das Sinnbild der Stärke, der befruchtenden und erzeugenden Lebenskraft. - Die pythischen Spiele wurden zu Delphi in dem Monat Bukatios, d. i. Monat der Stieropfer gefeiert, dessen Jahreszeit aber sehr streitig ist und den Schoemann, a. a. O., II. S. 61 oben, mit Andern in den Spätsommer oder in den Anfang des Herbstes verlegen will. Auch Mithra wird als der Sonnenstier und Sonnenlöwe aufgefasst und stier- und löwenhauptig in der spätern Abraxenzeit dargestellt, wie Dionysos vielfältig mit Stierhörnern oder auch ganz in Stiergestalt gebildet wurde. 2) Klemm, Handbuch der germanischen Alterthumskunde, S. 209 und 364, glaubt, dass das Stiergespann eine Auszeichnung der germanischen Könige gewesen sei, wie ja auch die Göttermutter auf einem mit Kühen bespannten Wagen bei ihrem Jahresfeste umhergefahren worden. Dadurch werde auch der kleine goldene Stierkopf 3) erklärt, der in dem Grabe Childerichs zu Tournay gefunden worden sei, indem dieser wahrscheinlich ein Sinnbild der königlichen Würde gewesen. Die Cimbern und Teutonen haben Stierbilder als Feldzeichen nach ägyptischer Weise geführt. Preller, a. a. O., I. S. 411, deutet bei der Kybele oder Rhea den Löwen, der den Stier bezwingt, auf die herrschende Obmacht der Göttin über alles Wilde und Unbändige, namentlich über zerstörende Fluthen, von denen man in Kleinasien viel erzählte. Der Löwe der Erdgöttin ist aber die obsiegende, die siegreich streitende höchste Natur- und Sonnenkraft, der Sonnenlöwe, wie der griechische Herakles und der tyrische Melkart es ist; dort ist die Kraft nur zur Göttin und hier zum Gotte gestaltet. Auch auf Münzen von Sardes findet sich der Löwe, den Stier würgend; 4) auf Münzen von Samos und Messana stehen die Köpfe von Löwe und Stier. Kybele, Astarte, 1)Müller, Mithras, S. 67. 2)Schoemann, II. S. 158. 3) Abgebildet bei Klemm, Taf. XXII. 4) Welker, II. S, 622, Anm. 147.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 630. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/650>, abgerufen am 22.11.2024.