Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

Gleich der Verwandtschaft soll auch die Freundschaft auf der Einheit des Blutes ruhen. Ganz denselben Gedanken drückt es auch aus, wenn Freunde und Verbündete sich Brüder und Schwestern nennen, ohne natürliche Brüder und Schwestern zu sein, oder wenn Freunde an Fremden die Stelle des Vaters und der Mutter vertreten. Das reine, von jeder Sinnlichkeit und Eigennutz freie Freundschaftsverhältniss zwischen zwei Personen verschiedenen Geschlechts wissen wir auch nicht anders zu bezeichnen als, dass sie sich gleich Schwester und Bruder lieben oder geliebt haben. Selig Cassel im weimar. Jahrb., II. S. 420 ff., bezieht auch noch hierher, dass nach so vielen seit den Zeiten des christlichen Mittelalters aufgekommenen Sagen Diejenigen, welche mit dem Teufel ein Bündniss oder einen Vertrag abschlossen, sich mit einigen Tropfen (gewöhnlich mit drei) des eigenen Blutes verschreiben mussten; der sich Verschreibende gab mit seiner blutigen Unterschrift, mit seinem Blute sein Leben und seine Seele dem Teufel dahin, - er verfiel der Hölle, er wurde gleichsam selbst ein Teufel. Jedoch wird auch im guten Sinne noch heute gesagt: Jemandem sein Gut und Blut verschreiben, Weihen oder geloben. Eltern werden zum Mitleiden und zu Opfern für ihre Kinder durch die Erinnerung aufgefordert, dass dieselben ihr eigenes Fleisch und Blut seien. Selig Cassel und Simrock, Mythol. S. 502, zufolge entstammt derselben Idee von dem Blute als der Seele des Menschen auch die bekannte Ansicht, dass das Blut eines Erschlagenen zu fliessen anfange, wenn der Mörder die Wunde berühre, als wenn die Sage den Ausdruck der Schrift. "die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zum Himmel" wörtlich genommen hätte;1) in dem Blute lebe noch die, erkennende Kraft Dessen, der gemordet ward; - eigenthümlich sei der Bericht von jenem Schmidt, dem, als er ein Messerheft aus Knochen arbeiten sollte, diese unter der Hand Blut zu schwitzen anfingen, weil es die Gebeine eines Menschen waren, den er erschlagen; so beantworte sich die Volkstradition die Frage des Zusammenhanges von

1) 1) Grimm, Wörterbuch, II. S. 172.

Gleich der Verwandtschaft soll auch die Freundschaft auf der Einheit des Blutes ruhen. Ganz denselben Gedanken drückt es auch aus, wenn Freunde und Verbündete sich Brüder und Schwestern nennen, ohne natürliche Brüder und Schwestern zu sein, oder wenn Freunde an Fremden die Stelle des Vaters und der Mutter vertreten. Das reine, von jeder Sinnlichkeit und Eigennutz freie Freundschaftsverhältniss zwischen zwei Personen verschiedenen Geschlechts wissen wir auch nicht anders zu bezeichnen als, dass sie sich gleich Schwester und Bruder lieben oder geliebt haben. Selig Cassel im weimar. Jahrb., II. S. 420 ff., bezieht auch noch hierher, dass nach so vielen seit den Zeiten des christlichen Mittelalters aufgekommenen Sagen Diejenigen, welche mit dem Teufel ein Bündniss oder einen Vertrag abschlossen, sich mit einigen Tropfen (gewöhnlich mit drei) des eigenen Blutes verschreiben mussten; der sich Verschreibende gab mit seiner blutigen Unterschrift, mit seinem Blute sein Leben und seine Seele dem Teufel dahin, – er verfiel der Hölle, er wurde gleichsam selbst ein Teufel. Jedoch wird auch im guten Sinne noch heute gesagt: Jemandem sein Gut und Blut verschreiben, Weihen oder geloben. Eltern werden zum Mitleiden und zu Opfern für ihre Kinder durch die Erinnerung aufgefordert, dass dieselben ihr eigenes Fleisch und Blut seien. Selig Cassel und Simrock, Mythol. S. 502, zufolge entstammt derselben Idee von dem Blute als der Seele des Menschen auch die bekannte Ansicht, dass das Blut eines Erschlagenen zu fliessen anfange, wenn der Mörder die Wunde berühre, als wenn die Sage den Ausdruck der Schrift. „die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zum Himmel“ wörtlich genommen hätte;1) in dem Blute lebe noch die, erkennende Kraft Dessen, der gemordet ward; – eigenthümlich sei der Bericht von jenem Schmidt, dem, als er ein Messerheft aus Knochen arbeiten sollte, diese unter der Hand Blut zu schwitzen anfingen, weil es die Gebeine eines Menschen waren, den er erschlagen; so beantworte sich die Volkstradition die Frage des Zusammenhanges von

1) 1) Grimm, Wörterbuch, II. S. 172.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0076" n="56"/>
Gleich der Verwandtschaft soll auch die Freundschaft auf der Einheit des Blutes ruhen. Ganz denselben Gedanken drückt es auch aus, wenn Freunde und Verbündete sich Brüder und Schwestern nennen, ohne natürliche Brüder und Schwestern zu sein, oder wenn Freunde an Fremden die Stelle des Vaters und der Mutter vertreten. Das reine, von jeder Sinnlichkeit und Eigennutz freie Freundschaftsverhältniss zwischen zwei Personen verschiedenen Geschlechts wissen wir auch nicht anders zu bezeichnen als, dass sie sich gleich Schwester und Bruder lieben oder geliebt haben. Selig Cassel im weimar. Jahrb., II. S. 420 ff., bezieht auch noch hierher, dass nach so vielen seit den Zeiten des christlichen Mittelalters aufgekommenen Sagen Diejenigen, welche mit dem Teufel ein Bündniss oder einen Vertrag abschlossen, sich mit einigen Tropfen (gewöhnlich mit drei) des eigenen Blutes verschreiben mussten; der sich Verschreibende gab mit seiner blutigen Unterschrift, mit seinem Blute sein Leben und seine Seele dem Teufel dahin, &#x2013; er verfiel der Hölle, er wurde gleichsam selbst ein Teufel. Jedoch wird auch im guten Sinne noch heute gesagt: Jemandem sein Gut und Blut verschreiben, Weihen oder geloben. Eltern werden zum Mitleiden und zu Opfern für ihre Kinder durch die Erinnerung aufgefordert, dass dieselben ihr eigenes Fleisch und Blut seien. Selig Cassel und Simrock, Mythol. S. 502, zufolge entstammt derselben Idee von dem Blute als der Seele des Menschen auch die bekannte Ansicht, dass das Blut eines Erschlagenen zu fliessen anfange, wenn der Mörder die Wunde berühre, als wenn die Sage den Ausdruck der Schrift. &#x201E;die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zum Himmel&#x201C; wörtlich genommen hätte;<note place="foot" n="1)">1) Grimm, Wörterbuch, II. S. 172.</note> in dem Blute lebe noch die, erkennende Kraft Dessen, der gemordet ward; &#x2013; eigenthümlich sei der Bericht von jenem Schmidt, dem, als er ein Messerheft aus Knochen arbeiten sollte, diese unter der Hand Blut zu schwitzen anfingen, weil es die Gebeine eines Menschen waren, den er erschlagen; so beantworte sich die Volkstradition die Frage des Zusammenhanges von
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0076] Gleich der Verwandtschaft soll auch die Freundschaft auf der Einheit des Blutes ruhen. Ganz denselben Gedanken drückt es auch aus, wenn Freunde und Verbündete sich Brüder und Schwestern nennen, ohne natürliche Brüder und Schwestern zu sein, oder wenn Freunde an Fremden die Stelle des Vaters und der Mutter vertreten. Das reine, von jeder Sinnlichkeit und Eigennutz freie Freundschaftsverhältniss zwischen zwei Personen verschiedenen Geschlechts wissen wir auch nicht anders zu bezeichnen als, dass sie sich gleich Schwester und Bruder lieben oder geliebt haben. Selig Cassel im weimar. Jahrb., II. S. 420 ff., bezieht auch noch hierher, dass nach so vielen seit den Zeiten des christlichen Mittelalters aufgekommenen Sagen Diejenigen, welche mit dem Teufel ein Bündniss oder einen Vertrag abschlossen, sich mit einigen Tropfen (gewöhnlich mit drei) des eigenen Blutes verschreiben mussten; der sich Verschreibende gab mit seiner blutigen Unterschrift, mit seinem Blute sein Leben und seine Seele dem Teufel dahin, – er verfiel der Hölle, er wurde gleichsam selbst ein Teufel. Jedoch wird auch im guten Sinne noch heute gesagt: Jemandem sein Gut und Blut verschreiben, Weihen oder geloben. Eltern werden zum Mitleiden und zu Opfern für ihre Kinder durch die Erinnerung aufgefordert, dass dieselben ihr eigenes Fleisch und Blut seien. Selig Cassel und Simrock, Mythol. S. 502, zufolge entstammt derselben Idee von dem Blute als der Seele des Menschen auch die bekannte Ansicht, dass das Blut eines Erschlagenen zu fliessen anfange, wenn der Mörder die Wunde berühre, als wenn die Sage den Ausdruck der Schrift. „die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zum Himmel“ wörtlich genommen hätte; 1) in dem Blute lebe noch die, erkennende Kraft Dessen, der gemordet ward; – eigenthümlich sei der Bericht von jenem Schmidt, dem, als er ein Messerheft aus Knochen arbeiten sollte, diese unter der Hand Blut zu schwitzen anfingen, weil es die Gebeine eines Menschen waren, den er erschlagen; so beantworte sich die Volkstradition die Frage des Zusammenhanges von 1) 1) Grimm, Wörterbuch, II. S. 172.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-21T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Maxi Grubert: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-21T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/76
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/76>, abgerufen am 21.11.2024.