Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

sicherte und ihre Vervollkommnung durch lange Fortbetreibung in demselben Gesehlechte und an demselben Orte ermöglichte. Die Geschlechtsverbindung erleichterte ebenso das Unternehmen und die Ausführung grösserer Kunstwerke, wozu es vereinter oder auch, wie bei den Bauten und Erzgüssen, fortgesetzter Kräfte bedurfte, weshalb oft auch Vater und Sohn, z. B. Rökos und Theodoros, oder auch zwei Brüder, wie Theodoros und Telekles, nebeneinander als die Verfertiger eines Kunstwerkes genannt werden. Die Kastenverfassung, die Zunftverfassung war die schützende Schaale, worin die schöne und freie griechische Kunst heranreifte, und welche zerbrach, nachdem die Frucht ihre volle Reife und Höhe erlangt hatte. Kunst und Handwerk, Künstler und Handwerker, Theorie und Praxis waren noch ungetrennt und vereinigt, was wieder die Entwickelung und Vervollkommnung der Handwerke und Künste förderte und in dem Geschlechte, in der Zunft, in der grössern und bleibenden Werkstätte leicht stattfinden konnte, indem alle Fähigkeiten der Glieder, die höhern wie die niedern, zu den gemeinsamen Werken verwandt werden konnten. Die griechische Zunftverfassung tritt hierdurch mit den mittelalterlichen Bauhütten in eine auffallende Uebereinstimmung und selbst die Verschiedenheiten und Abweichungen werden begreiflich und klar. In Griechenland trat neben der Baukunst, neben dem Tempelbau vorzüglich die mit ihren Werken und Götterbildern die Tempel schmückende Sculptur hervor, wie dieses in der Natur und dem Bedürfniss der mannichfachen griechischen vermenschlichten Götter lag; die Architektur und Sculptur erscheinen daher in Griechenland nicht nur in der innigsten Verbindung, sondern zuweilen eilt die Sculptur selbst zur Höhe und zum Gipfelpunkte voraus. Die Sculptur und die Baukunst wetteiferten mit einander, dem Marmor Leben und Gestalt zu verleihen; und um die Marmorbilder in den Marmortempeln reihten sich zugleich die zahllosen Bilder in Holz, Erz, Elfenbein und Gold, d. h. mit der Sculptur vermählten sich die Plastik (das Bildformen), die Statuaria (das Bildgiessen) und die Toreutik (das Ausschmücken der Holzbilder mit Gold und Elfenbein). Das älteste toreutische Werk, welches zu

sicherte und ihre Vervollkommnung durch lange Fortbetreibung in demselben Gesehlechte und an demselben Orte ermöglichte. Die Geschlechtsverbindung erleichterte ebenso das Unternehmen und die Ausführung grösserer Kunstwerke, wozu es vereinter oder auch, wie bei den Bauten und Erzgüssen, fortgesetzter Kräfte bedurfte, weshalb oft auch Vater und Sohn, z. B. Rökos und Theodoros, oder auch zwei Brüder, wie Theodoros und Telekles, nebeneinander als die Verfertiger eines Kunstwerkes genannt werden. Die Kastenverfassung, die Zunftverfassung war die schützende Schaale, worin die schöne und freie griechische Kunst heranreifte, und welche zerbrach, nachdem die Frucht ihre volle Reife und Höhe erlangt hatte. Kunst und Handwerk, Künstler und Handwerker, Theorie und Praxis waren noch ungetrennt und vereinigt, was wieder die Entwickelung und Vervollkommnung der Handwerke und Künste förderte und in dem Geschlechte, in der Zunft, in der grössern und bleibenden Werkstätte leicht stattfinden konnte, indem alle Fähigkeiten der Glieder, die höhern wie die niedern, zu den gemeinsamen Werken verwandt werden konnten. Die griechische Zunftverfassung tritt hierdurch mit den mittelalterlichen Bauhütten in eine auffallende Uebereinstimmung und selbst die Verschiedenheiten und Abweichungen werden begreiflich und klar. In Griechenland trat neben der Baukunst, neben dem Tempelbau vorzüglich die mit ihren Werken und Götterbildern die Tempel schmückende Sculptur hervor, wie dieses in der Natur und dem Bedürfniss der mannichfachen griechischen vermenschlichten Götter lag; die Architektur und Sculptur erscheinen daher in Griechenland nicht nur in der innigsten Verbindung, sondern zuweilen eilt die Sculptur selbst zur Höhe und zum Gipfelpunkte voraus. Die Sculptur und die Baukunst wetteiferten mit einander, dem Marmor Leben und Gestalt zu verleihen; und um die Marmorbilder in den Marmortempeln reihten sich zugleich die zahllosen Bilder in Holz, Erz, Elfenbein und Gold, d. h. mit der Sculptur vermählten sich die Plastik (das Bildformen), die Statuaria (das Bildgiessen) und die Toreutik (das Ausschmücken der Holzbilder mit Gold und Elfenbein). Das älteste toreutische Werk, welches zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0121" n="101"/>
sicherte und ihre Vervollkommnung durch lange Fortbetreibung in demselben Gesehlechte und an demselben Orte ermöglichte. Die Geschlechtsverbindung erleichterte ebenso das Unternehmen und die Ausführung grösserer Kunstwerke, wozu es vereinter oder auch, wie bei den Bauten und Erzgüssen, fortgesetzter Kräfte bedurfte, weshalb oft auch Vater und Sohn, z. B. Rökos und Theodoros, oder auch zwei Brüder, wie Theodoros und Telekles, nebeneinander als die Verfertiger eines Kunstwerkes genannt werden. Die Kastenverfassung, die Zunftverfassung war die schützende Schaale, worin die schöne und freie griechische Kunst heranreifte, und welche zerbrach, nachdem die Frucht ihre volle Reife und Höhe erlangt hatte. Kunst und Handwerk, Künstler und Handwerker, Theorie und Praxis waren noch ungetrennt und vereinigt, was wieder die Entwickelung und Vervollkommnung der Handwerke und Künste förderte und in dem Geschlechte, in der Zunft, in der grössern und bleibenden Werkstätte leicht stattfinden konnte, indem alle Fähigkeiten der Glieder, die höhern wie die niedern, zu den gemeinsamen Werken verwandt werden konnten. Die griechische Zunftverfassung tritt hierdurch mit den mittelalterlichen Bauhütten in eine auffallende Uebereinstimmung und selbst die Verschiedenheiten und Abweichungen werden begreiflich und klar. In Griechenland trat neben der Baukunst, neben dem Tempelbau vorzüglich die mit ihren Werken und Götterbildern die Tempel schmückende Sculptur hervor, wie dieses in der Natur und dem Bedürfniss der mannichfachen griechischen vermenschlichten Götter lag; die Architektur und Sculptur erscheinen daher in Griechenland nicht nur in der innigsten Verbindung, sondern zuweilen eilt die Sculptur selbst zur Höhe und zum Gipfelpunkte voraus. Die Sculptur und die Baukunst wetteiferten mit einander, dem Marmor Leben und Gestalt zu verleihen; und um die Marmorbilder in den Marmortempeln reihten sich zugleich die zahllosen Bilder in Holz, Erz, Elfenbein und Gold, d. h. mit der Sculptur vermählten sich die Plastik (das Bildformen), die Statuaria (das Bildgiessen) und die Toreutik (das Ausschmücken der Holzbilder mit Gold und Elfenbein). Das älteste toreutische Werk, welches zu
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[101/0121] sicherte und ihre Vervollkommnung durch lange Fortbetreibung in demselben Gesehlechte und an demselben Orte ermöglichte. Die Geschlechtsverbindung erleichterte ebenso das Unternehmen und die Ausführung grösserer Kunstwerke, wozu es vereinter oder auch, wie bei den Bauten und Erzgüssen, fortgesetzter Kräfte bedurfte, weshalb oft auch Vater und Sohn, z. B. Rökos und Theodoros, oder auch zwei Brüder, wie Theodoros und Telekles, nebeneinander als die Verfertiger eines Kunstwerkes genannt werden. Die Kastenverfassung, die Zunftverfassung war die schützende Schaale, worin die schöne und freie griechische Kunst heranreifte, und welche zerbrach, nachdem die Frucht ihre volle Reife und Höhe erlangt hatte. Kunst und Handwerk, Künstler und Handwerker, Theorie und Praxis waren noch ungetrennt und vereinigt, was wieder die Entwickelung und Vervollkommnung der Handwerke und Künste förderte und in dem Geschlechte, in der Zunft, in der grössern und bleibenden Werkstätte leicht stattfinden konnte, indem alle Fähigkeiten der Glieder, die höhern wie die niedern, zu den gemeinsamen Werken verwandt werden konnten. Die griechische Zunftverfassung tritt hierdurch mit den mittelalterlichen Bauhütten in eine auffallende Uebereinstimmung und selbst die Verschiedenheiten und Abweichungen werden begreiflich und klar. In Griechenland trat neben der Baukunst, neben dem Tempelbau vorzüglich die mit ihren Werken und Götterbildern die Tempel schmückende Sculptur hervor, wie dieses in der Natur und dem Bedürfniss der mannichfachen griechischen vermenschlichten Götter lag; die Architektur und Sculptur erscheinen daher in Griechenland nicht nur in der innigsten Verbindung, sondern zuweilen eilt die Sculptur selbst zur Höhe und zum Gipfelpunkte voraus. Die Sculptur und die Baukunst wetteiferten mit einander, dem Marmor Leben und Gestalt zu verleihen; und um die Marmorbilder in den Marmortempeln reihten sich zugleich die zahllosen Bilder in Holz, Erz, Elfenbein und Gold, d. h. mit der Sculptur vermählten sich die Plastik (das Bildformen), die Statuaria (das Bildgiessen) und die Toreutik (das Ausschmücken der Holzbilder mit Gold und Elfenbein). Das älteste toreutische Werk, welches zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-21T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Maxi Grubert: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-21T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/121
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/121>, abgerufen am 21.11.2024.