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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.

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sprunges der germanischen Städteverfassung im nördlichen Frankreich, westlichen und südlichen Deutschland sind auch zugleich die Heimath der deutschen Baukunst, der Thierfabel, Dichtkunst u. s. w. Zu Rheims z. B., woselbst sich wie zu Toul, Metz, Meaux, Paris, Orleans die römische Städteverfassung erhalten hatte, werden schon im J. 817 und 847 scabini genannt. Die römischen Städte und städtischen Corporationen, wie sie unter den römischen Kaisern namentlich auch in Gallien gegründet und gebildet worden waren, waren blos zunächst im städtischen und gewerblichen Interesse eingerichtet, waren Erwerbs- und Gewerbsvereine und konnten als solche auch von den den Römern nachfolgenden Herrn nicht leicht entbehrt, mussten fortgeduldet, wenn nicht geschützt werden. Politische Freiheit und Bewegung bedurften diese Städte und städtischen Vereine nicht unumgänglich und nicht unbedingt, sondern konnten sie bis auf einen gewissen Grad entbehren und haben sie unter den Bischöfen, Klöstern, Grundherrn, Fürsten und Königen lange entbehrt. Indessen konnten die Städte und ihre Bewohner auch nach Freiheit und Unabhängigkeit streben und dieses Streben, verbunden mit den Mitteln und Wegen es zu verwirklichen und zu sichern, machen das eigenthümliche Wesen der germanischen Städte und Städteverfassung aus, - bilden das germanische Bürgerthum und freie germanische Städteleben. Dass die Germanen den Kampf für die städtische und bürgerliche Freiheit unternehmen und darin endlich obsiegen konnten, verdankten sie zuletzt der von den Römern überkommenen Bildung in den Künsten und Gewerben, in der Einrichtung der Staaten und der Städte, wodurch ihnen zugleich die Möglichkeit des bequemen und reichen Lebens gegeben war; dass sie den Kampf aber unternehmen wollten und unternahmen, lag in dem germanischen freien Genossenschaftstriebe begründet. Die Städte, wenigstens die deutschen Städte waren sich vollkommen ihrer hohen Aufgabe der Erringung und Begründung der bürgerlichen Freiheit bewusst und in diesem Bewusstsein stellten sie gleichsam an die Spitze des ganzen Stadtrechtes den ausserordentlich praktischen und wirksamen Grundsatz, dass die Luft frei mache, d. h.

sprunges der germanischen Städteverfassung im nördlichen Frankreich, westlichen und südlichen Deutschland sind auch zugleich die Heimath der deutschen Baukunst, der Thierfabel, Dichtkunst u. s. w. Zu Rheims z. B., woselbst sich wie zu Toul, Metz, Meaux, Paris, Orleans die römische Städteverfassung erhalten hatte, werden schon im J. 817 und 847 scabini genannt. Die römischen Städte und städtischen Corporationen, wie sie unter den römischen Kaisern namentlich auch in Gallien gegründet und gebildet worden waren, waren blos zunächst im städtischen und gewerblichen Interesse eingerichtet, waren Erwerbs- und Gewerbsvereine und konnten als solche auch von den den Römern nachfolgenden Herrn nicht leicht entbehrt, mussten fortgeduldet, wenn nicht geschützt werden. Politische Freiheit und Bewegung bedurften diese Städte und städtischen Vereine nicht unumgänglich und nicht unbedingt, sondern konnten sie bis auf einen gewissen Grad entbehren und haben sie unter den Bischöfen, Klöstern, Grundherrn, Fürsten und Königen lange entbehrt. Indessen konnten die Städte und ihre Bewohner auch nach Freiheit und Unabhängigkeit streben und dieses Streben, verbunden mit den Mitteln und Wegen es zu verwirklichen und zu sichern, machen das eigenthümliche Wesen der germanischen Städte und Städteverfassung aus, – bilden das germanische Bürgerthum und freie germanische Städteleben. Dass die Germanen den Kampf für die städtische und bürgerliche Freiheit unternehmen und darin endlich obsiegen konnten, verdankten sie zuletzt der von den Römern überkommenen Bildung in den Künsten und Gewerben, in der Einrichtung der Staaten und der Städte, wodurch ihnen zugleich die Möglichkeit des bequemen und reichen Lebens gegeben war; dass sie den Kampf aber unternehmen wollten und unternahmen, lag in dem germanischen freien Genossenschaftstriebe begründet. Die Städte, wenigstens die deutschen Städte waren sich vollkommen ihrer hohen Aufgabe der Erringung und Begründung der bürgerlichen Freiheit bewusst und in diesem Bewusstsein stellten sie gleichsam an die Spitze des ganzen Stadtrechtes den ausserordentlich praktischen und wirksamen Grundsatz, dass die Luft frei mache, d. h.

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sprunges der germanischen Städteverfassung im nördlichen Frankreich, westlichen und südlichen Deutschland sind auch zugleich die Heimath der deutschen Baukunst, der Thierfabel, Dichtkunst u. s. w. Zu Rheims z. B., woselbst sich wie zu Toul, Metz, Meaux, Paris, Orleans die römische Städteverfassung erhalten hatte, werden schon im J. 817 und 847 scabini genannt. Die römischen Städte und städtischen Corporationen, wie sie unter den römischen Kaisern namentlich auch in Gallien gegründet und gebildet worden waren, waren blos zunächst im städtischen und gewerblichen Interesse eingerichtet, waren Erwerbs- und Gewerbsvereine und konnten als solche auch von den den Römern nachfolgenden Herrn nicht leicht entbehrt, mussten fortgeduldet, wenn nicht geschützt werden. Politische Freiheit und Bewegung bedurften diese Städte und städtischen Vereine nicht unumgänglich und nicht unbedingt, sondern konnten sie bis auf einen gewissen Grad entbehren und haben sie unter den Bischöfen, Klöstern, Grundherrn, Fürsten und Königen lange entbehrt. Indessen konnten die Städte und ihre Bewohner auch nach Freiheit und Unabhängigkeit streben und dieses Streben, verbunden mit den Mitteln und Wegen es zu verwirklichen und zu sichern, machen das eigenthümliche Wesen der germanischen Städte und Städteverfassung aus, &#x2013; bilden das germanische Bürgerthum und freie germanische Städteleben. Dass die Germanen den Kampf für die städtische und bürgerliche Freiheit unternehmen und darin endlich obsiegen <hi rendition="#g">konnten</hi>, verdankten sie zuletzt der von den Römern überkommenen Bildung in den Künsten und Gewerben, in der Einrichtung der Staaten und der Städte, wodurch ihnen zugleich die Möglichkeit des bequemen und reichen Lebens gegeben war; dass sie den Kampf aber unternehmen wollten und unternahmen, lag in dem germanischen <hi rendition="#g">freien Genossenschaftstriebe</hi> begründet. Die Städte, wenigstens die deutschen Städte waren sich vollkommen ihrer hohen Aufgabe der Erringung und Begründung der bürgerlichen Freiheit bewusst und in diesem Bewusstsein stellten sie gleichsam an die Spitze des ganzen Stadtrechtes den ausserordentlich praktischen und wirksamen Grundsatz, <hi rendition="#g">dass die Luft frei mache</hi>, d. h.
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[232/0252] sprunges der germanischen Städteverfassung im nördlichen Frankreich, westlichen und südlichen Deutschland sind auch zugleich die Heimath der deutschen Baukunst, der Thierfabel, Dichtkunst u. s. w. Zu Rheims z. B., woselbst sich wie zu Toul, Metz, Meaux, Paris, Orleans die römische Städteverfassung erhalten hatte, werden schon im J. 817 und 847 scabini genannt. Die römischen Städte und städtischen Corporationen, wie sie unter den römischen Kaisern namentlich auch in Gallien gegründet und gebildet worden waren, waren blos zunächst im städtischen und gewerblichen Interesse eingerichtet, waren Erwerbs- und Gewerbsvereine und konnten als solche auch von den den Römern nachfolgenden Herrn nicht leicht entbehrt, mussten fortgeduldet, wenn nicht geschützt werden. Politische Freiheit und Bewegung bedurften diese Städte und städtischen Vereine nicht unumgänglich und nicht unbedingt, sondern konnten sie bis auf einen gewissen Grad entbehren und haben sie unter den Bischöfen, Klöstern, Grundherrn, Fürsten und Königen lange entbehrt. Indessen konnten die Städte und ihre Bewohner auch nach Freiheit und Unabhängigkeit streben und dieses Streben, verbunden mit den Mitteln und Wegen es zu verwirklichen und zu sichern, machen das eigenthümliche Wesen der germanischen Städte und Städteverfassung aus, – bilden das germanische Bürgerthum und freie germanische Städteleben. Dass die Germanen den Kampf für die städtische und bürgerliche Freiheit unternehmen und darin endlich obsiegen konnten, verdankten sie zuletzt der von den Römern überkommenen Bildung in den Künsten und Gewerben, in der Einrichtung der Staaten und der Städte, wodurch ihnen zugleich die Möglichkeit des bequemen und reichen Lebens gegeben war; dass sie den Kampf aber unternehmen wollten und unternahmen, lag in dem germanischen freien Genossenschaftstriebe begründet. Die Städte, wenigstens die deutschen Städte waren sich vollkommen ihrer hohen Aufgabe der Erringung und Begründung der bürgerlichen Freiheit bewusst und in diesem Bewusstsein stellten sie gleichsam an die Spitze des ganzen Stadtrechtes den ausserordentlich praktischen und wirksamen Grundsatz, dass die Luft frei mache, d. h.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/252>, abgerufen am 22.11.2024.