Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

werden dürfen; möglicher Weise es aber sogar auch bei den Mesopotamiern, bei den Babyloniern und Assyriern waren, und wirklich bei den Phöniciern und Griechen es gewesen sind. Dass die griechischen plastischen Künste (arts plastiques) ägptischen Ursprungs seien, hat auch noch neuerlich Charles Blane in der gazette des beaux arts, Paris livraison 69, s. 229, ausgesprochen, während z. B. Overbeck, Gesch. der griechischen Plastik, I. Leipzig 1857, und H. A. Müller im D. Kunstbl. 1857, S. 451 b ff., sich dagegen erklärt haben, sich hierin an Winckelmann, K. O. Müller, Welker, K. F. Herrmann und Brunn anschliessend. Der Hafenbau, der Wasser und Befestigungsbau, der Quaderbau, worin auch nach dem Urtheile Semper's, I. S. 396 ff., die Phönicier vor allen Völkern am Mittelmeere sich hervorthaten, nach den Ausgrabungen von Beule1) namentlich auch bei dem Handels- und Kriegshafen, so wie bei der Burg (Byrsa) zu Carthago,2) gründen sich gewiss auf ägyptische Erfindungen und Techniken, auf ägyptische Lehre und ehe nur die Phönicier an den Gestaden des Mittelmeeres vom persischen Meerbusen her angekommen waren und sich daselbst niedergelassen hatten, übte Aegypten schon vielleicht Jahrtausende lang den Tempel- und besonders Wasserbau, den Stein- oder Quaderbau. Die Priester-, die Kastenverfassung ist zugleich in Aegypten uralt oder primitiv trotz des Wahnwiderspruchs von Semper, I. S. 416,3) weil die Völker-, die Staats- und Rechtsgeschichte

1) Fouilles a Charthage, Paris 1861.
2) Beule, Taf. I. und IV.
3) Semper schreibt: "Es ist ein sehr verbreiteter Wahn, den starren hieratischen Styl Aegyptens als etwas Ursprüngliches, gleichsam als das Windelband der Kunst zu betrachten, aus dessen Fesseln sich Aegypten niemals habe befreien können, aus welchem aber ein Aufschwung zu freier Kunst möglich sei, welchen Schritt die Griechen zuerst gewagt hätten. Die Sache verhält sich aber umgekehrt. Langwirkende tausendjährige Einflüsse vollendeten dieses Werk der Versteinerung; bereits zur Zeit der Pyramidenerbauer war sie weit vorgeschritten und wir erkennen an den ältesten Monumenten nur noch die Spuren einer schon im Erstarrungsprocesse begriffenen frischeren Kunst, die freilich auf früher Entwicklungsstufe bereits

werden dürfen; möglicher Weise es aber sogar auch bei den Mesopotamiern, bei den Babyloniern und Assyriern waren, und wirklich bei den Phöniciern und Griechen es gewesen sind. Dass die griechischen plastischen Künste (arts plastiques) ägptischen Ursprungs seien, hat auch noch neuerlich Charles Blane in der gazette des beaux arts, Paris livraison 69, s. 229, ausgesprochen, während z. B. Overbeck, Gesch. der griechischen Plastik, I. Leipzig 1857, und H. A. Müller im D. Kunstbl. 1857, S. 451 b ff., sich dagegen erklärt haben, sich hierin an Winckelmann, K. O. Müller, Welker, K. F. Herrmann und Brunn anschliessend. Der Hafenbau, der Wasser und Befestigungsbau, der Quaderbau, worin auch nach dem Urtheile Semper’s, I. S. 396 ff., die Phönicier vor allen Völkern am Mittelmeere sich hervorthaten, nach den Ausgrabungen von Beulé1) namentlich auch bei dem Handels- und Kriegshafen, so wie bei der Burg (Byrsa) zu Carthago,2) gründen sich gewiss auf ägyptische Erfindungen und Techniken, auf ägyptische Lehre und ehe nur die Phönicier an den Gestaden des Mittelmeeres vom persischen Meerbusen her angekommen waren und sich daselbst niedergelassen hatten, übte Aegypten schon vielleicht Jahrtausende lang den Tempel- und besonders Wasserbau, den Stein- oder Quaderbau. Die Priester-, die Kastenverfassung ist zugleich in Aegypten uralt oder primitiv trotz des Wahnwiderspruchs von Semper, I. S. 416,3) weil die Völker-, die Staats- und Rechtsgeschichte

1) Fouilles à Charthage, Paris 1861.
2) Beulé, Taf. I. und IV.
3) Semper schreibt: „Es ist ein sehr verbreiteter Wahn, den starren hieratischen Styl Aegyptens als etwas Ursprüngliches, gleichsam als das Windelband der Kunst zu betrachten, aus dessen Fesseln sich Aegypten niemals habe befreien können, aus welchem aber ein Aufschwung zu freier Kunst möglich sei, welchen Schritt die Griechen zuerst gewagt hätten. Die Sache verhält sich aber umgekehrt. Langwirkende tausendjährige Einflüsse vollendeten dieses Werk der Versteinerung; bereits zur Zeit der Pyramidenerbauer war sie weit vorgeschritten und wir erkennen an den ältesten Monumenten nur noch die Spuren einer schon im Erstarrungsprocesse begriffenen frischeren Kunst, die freilich auf früher Entwicklungsstufe bereits
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0325" n="305"/>
werden dürfen; möglicher Weise es aber sogar auch bei den Mesopotamiern, bei den Babyloniern und Assyriern waren, und wirklich bei den Phöniciern und Griechen es gewesen sind. Dass die griechischen plastischen Künste (arts plastiques) ägptischen Ursprungs seien, hat auch noch neuerlich Charles Blane in der gazette des beaux arts, Paris livraison 69, s. 229, ausgesprochen, während z. B. Overbeck, Gesch. der griechischen Plastik, I. Leipzig 1857, und H. A. Müller im D. Kunstbl. 1857, S. 451 b ff., sich dagegen erklärt haben, sich hierin an Winckelmann, K. O. Müller, Welker, K. F. Herrmann und Brunn anschliessend. Der Hafenbau, der Wasser und Befestigungsbau, der Quaderbau, worin auch nach dem Urtheile Semper&#x2019;s, I. S. 396 ff., die Phönicier vor allen Völkern am Mittelmeere sich hervorthaten, nach den Ausgrabungen von Beulé<note place="foot" n="1)">Fouilles à Charthage, Paris 1861.<lb/></note> namentlich auch bei dem Handels- und Kriegshafen, so wie bei der Burg (Byrsa) zu Carthago,<note place="foot" n="2)">Beulé, Taf. I. und IV.<lb/></note> gründen sich gewiss auf ägyptische Erfindungen und Techniken, auf ägyptische Lehre und ehe nur die Phönicier an den Gestaden des Mittelmeeres vom persischen Meerbusen her angekommen waren und sich daselbst niedergelassen hatten, übte Aegypten schon vielleicht Jahrtausende lang den Tempel- und besonders Wasserbau, den Stein- oder Quaderbau. Die Priester-, die Kastenverfassung ist zugleich in Aegypten uralt oder primitiv trotz des Wahnwiderspruchs von Semper, I. S. 416,<note xml:id="ID03" next="#ID04" place="foot" n="3)">Semper schreibt: &#x201E;Es ist ein sehr verbreiteter Wahn, den starren hieratischen Styl Aegyptens als etwas Ursprüngliches, gleichsam als das Windelband der Kunst zu betrachten, aus dessen Fesseln sich Aegypten niemals habe befreien können, aus welchem aber ein Aufschwung zu freier Kunst möglich sei, welchen Schritt die Griechen zuerst gewagt hätten. Die Sache verhält sich aber umgekehrt. Langwirkende tausendjährige Einflüsse vollendeten dieses Werk der Versteinerung; bereits zur Zeit der Pyramidenerbauer war sie weit vorgeschritten und wir erkennen an den ältesten Monumenten nur noch die Spuren einer schon im Erstarrungsprocesse begriffenen frischeren Kunst, die freilich auf früher Entwicklungsstufe bereits</note> weil die Völker-, die Staats- und Rechtsgeschichte
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[305/0325] werden dürfen; möglicher Weise es aber sogar auch bei den Mesopotamiern, bei den Babyloniern und Assyriern waren, und wirklich bei den Phöniciern und Griechen es gewesen sind. Dass die griechischen plastischen Künste (arts plastiques) ägptischen Ursprungs seien, hat auch noch neuerlich Charles Blane in der gazette des beaux arts, Paris livraison 69, s. 229, ausgesprochen, während z. B. Overbeck, Gesch. der griechischen Plastik, I. Leipzig 1857, und H. A. Müller im D. Kunstbl. 1857, S. 451 b ff., sich dagegen erklärt haben, sich hierin an Winckelmann, K. O. Müller, Welker, K. F. Herrmann und Brunn anschliessend. Der Hafenbau, der Wasser und Befestigungsbau, der Quaderbau, worin auch nach dem Urtheile Semper’s, I. S. 396 ff., die Phönicier vor allen Völkern am Mittelmeere sich hervorthaten, nach den Ausgrabungen von Beulé 1) namentlich auch bei dem Handels- und Kriegshafen, so wie bei der Burg (Byrsa) zu Carthago, 2) gründen sich gewiss auf ägyptische Erfindungen und Techniken, auf ägyptische Lehre und ehe nur die Phönicier an den Gestaden des Mittelmeeres vom persischen Meerbusen her angekommen waren und sich daselbst niedergelassen hatten, übte Aegypten schon vielleicht Jahrtausende lang den Tempel- und besonders Wasserbau, den Stein- oder Quaderbau. Die Priester-, die Kastenverfassung ist zugleich in Aegypten uralt oder primitiv trotz des Wahnwiderspruchs von Semper, I. S. 416, 3) weil die Völker-, die Staats- und Rechtsgeschichte 1) Fouilles à Charthage, Paris 1861. 2) Beulé, Taf. I. und IV. 3) Semper schreibt: „Es ist ein sehr verbreiteter Wahn, den starren hieratischen Styl Aegyptens als etwas Ursprüngliches, gleichsam als das Windelband der Kunst zu betrachten, aus dessen Fesseln sich Aegypten niemals habe befreien können, aus welchem aber ein Aufschwung zu freier Kunst möglich sei, welchen Schritt die Griechen zuerst gewagt hätten. Die Sache verhält sich aber umgekehrt. Langwirkende tausendjährige Einflüsse vollendeten dieses Werk der Versteinerung; bereits zur Zeit der Pyramidenerbauer war sie weit vorgeschritten und wir erkennen an den ältesten Monumenten nur noch die Spuren einer schon im Erstarrungsprocesse begriffenen frischeren Kunst, die freilich auf früher Entwicklungsstufe bereits

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-21T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Maxi Grubert: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-21T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/325
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/325>, abgerufen am 24.11.2024.