Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.sammlungen der Meistersänger zur Ausübung ihrer Kunst hiessen Schulen (scholae), wobei der Vorstand, die drei Merker, vor welchen jeder Zeit die Bibel aufgeschlagen liegen musste, auf einer Erhöhung, Bühne, Gemerk, sassen. Der bewährte Sängermeister trug eine silberne Kette mit dem Bildnisse Davids um den Hals. Die Versmasse hiessen Gebäude und das Versemachen, das Dichten, war ein Bauen. - In Frankreich wurden zu Paris im Anfange des 15ten Jahrh. mehrere Handwerker und Schreibergesellsehaften als Corporationen oder Brüderschaften, wie es scheint, zur Darstellung von Schauspielen privilegirt und zwar die confrairie de la passion für Mysterien oder geistliche Schauspiele,1) die cleres de la Bazoch für sog. Morälitäten, Stücke allegorischen Inhalts, - und die enfans sans souci für Farcen und Sottisen. Diese Gesellschaften spielten keineswegs regelmässig wie unsere jetzigen Theatergesellschaften, sondern gaben als blosse Liebhaber der Kunst nur bei festlichen Veranlassungen ihre wenig werthvollen Spiele, so dass Schnaase sie den Marionettenspielen vergleicht. Schon im 14ten Jahrh. zog durch die französischen Städte eine Gesellschaft angeblich aus dem gelobten Lande kommender Pilger, welche die Passion darstellten. Es dürfte zwar nicht dem entferntesten Zweifel unterliegen, dass im spätern Mittelalter in Frankreich zuerst und dann auch in Deutschland die weltlichen Schauspiele aus den geistlichen hervorgegangen seien und sich von der ursprünglichen Verbindung mit der Kirche und den Kirchenfesten befreit haben, aber dennoch waren die geistlichen Schauspiele nur als ein Gegensatz und Verdrängungsmittel der frühern heidnischen Schauspiele entstanden,2) mit welcher Ansicht auch Kurz, Leitfaden zur Gesch. der deutschen Literatur, Leipzig 1860, S. 74, übereinstimmt: "Die geistlichen 1) Vergl. Wittich, über die mittelalterlichen Schauspiele Frankreichs, Eisenach 1861 (ein sehr schätzenswerthes Programm des Gymnasiums zu Eisenach); Schnaase, VI. S. 72. Ueber den Hang zu Schauspielen in den ersten christlichen Zeiten berichtet Stäudlin, Gesch. der Sittenlehre Jesu, IV. S. 244 ff. 2) Symbolik, I. S. 620.
sammlungen der Meistersänger zur Ausübung ihrer Kunst hiessen Schulen (scholae), wobei der Vorstand, die drei Merker, vor welchen jeder Zeit die Bibel aufgeschlagen liegen musste, auf einer Erhöhung, Bühne, Gemerk, sassen. Der bewährte Sängermeister trug eine silberne Kette mit dem Bildnisse Davids um den Hals. Die Versmasse hiessen Gebäude und das Versemachen, das Dichten, war ein Bauen. – In Frankreich wurden zu Paris im Anfange des 15ten Jahrh. mehrere Handwerker und Schreibergesellsehaften als Corporationen oder Brüderschaften, wie es scheint, zur Darstellung von Schauspielen privilegirt und zwar die confrairie de la passion für Mysterien oder geistliche Schauspiele,1) die cleres de la Bazoch für sog. Morälitäten, Stücke allegorischen Inhalts, – und die enfans sans souci für Farcen und Sottisen. Diese Gesellschaften spielten keineswegs regelmässig wie unsere jetzigen Theatergesellschaften, sondern gaben als blosse Liebhaber der Kunst nur bei festlichen Veranlassungen ihre wenig werthvollen Spiele, so dass Schnaase sie den Marionettenspielen vergleicht. Schon im 14ten Jahrh. zog durch die französischen Städte eine Gesellschaft angeblich aus dem gelobten Lande kommender Pilger, welche die Passion darstellten. Es dürfte zwar nicht dem entferntesten Zweifel unterliegen, dass im spätern Mittelalter in Frankreich zuerst und dann auch in Deutschland die weltlichen Schauspiele aus den geistlichen hervorgegangen seien und sich von der ursprünglichen Verbindung mit der Kirche und den Kirchenfesten befreit haben, aber dennoch waren die geistlichen Schauspiele nur als ein Gegensatz und Verdrängungsmittel der frühern heidnischen Schauspiele entstanden,2) mit welcher Ansicht auch Kurz, Leitfaden zur Gesch. der deutschen Literatur, Leipzig 1860, S. 74, übereinstimmt: „Die geistlichen 1) Vergl. Wittich, über die mittelalterlichen Schauspiele Frankreichs, Eisenach 1861 (ein sehr schätzenswerthes Programm des Gymnasiums zu Eisenach); Schnaase, VI. S. 72. Ueber den Hang zu Schauspielen in den ersten christlichen Zeiten berichtet Stäudlin, Gesch. der Sittenlehre Jesu, IV. S. 244 ff. 2) Symbolik, I. S. 620.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0351" n="331"/> sammlungen der Meistersänger zur Ausübung ihrer Kunst hiessen Schulen (scholae), wobei der Vorstand, die <hi rendition="#g">drei Merker</hi>, vor welchen jeder Zeit die <hi rendition="#g">Bibel aufgeschlagen</hi> liegen musste, auf einer Erhöhung, Bühne, Gemerk, sassen. Der bewährte Sängermeister trug eine silberne Kette mit dem Bildnisse Davids <hi rendition="#g">um den Hals</hi>. Die Versmasse hiessen <hi rendition="#g">Gebäude</hi> und das Versemachen, das Dichten, war ein <hi rendition="#g">Bauen</hi>. – In Frankreich wurden zu Paris im Anfange des 15ten Jahrh. mehrere Handwerker und Schreibergesellsehaften als Corporationen oder Brüderschaften, wie es scheint, zur Darstellung von Schauspielen privilegirt und zwar die confrairie de la passion für Mysterien oder geistliche Schauspiele,<note place="foot" n="1)">Vergl. Wittich, über die mittelalterlichen Schauspiele Frankreichs, Eisenach 1861 (ein sehr schätzenswerthes Programm des Gymnasiums zu Eisenach); Schnaase, VI. S. 72. Ueber den Hang zu Schauspielen in den ersten christlichen Zeiten berichtet Stäudlin, Gesch. der Sittenlehre Jesu, IV. S. 244 ff.<lb/></note> die cleres de la Bazoch für sog. Morälitäten, Stücke allegorischen Inhalts, – und die enfans sans souci für Farcen und Sottisen. Diese Gesellschaften spielten keineswegs regelmässig wie unsere jetzigen Theatergesellschaften, sondern gaben als blosse Liebhaber der Kunst nur bei festlichen Veranlassungen ihre wenig werthvollen Spiele, so dass Schnaase sie den Marionettenspielen vergleicht. Schon im 14ten Jahrh. zog durch die französischen Städte eine Gesellschaft angeblich aus dem gelobten Lande kommender Pilger, welche die Passion darstellten. Es dürfte zwar nicht dem entferntesten Zweifel unterliegen, dass im spätern Mittelalter in Frankreich zuerst und dann auch in Deutschland die weltlichen Schauspiele aus den geistlichen hervorgegangen seien und sich von der ursprünglichen Verbindung mit der Kirche und den Kirchenfesten befreit haben, aber dennoch waren die geistlichen Schauspiele nur als ein Gegensatz und Verdrängungsmittel der frühern heidnischen Schauspiele entstanden,<note place="foot" n="2)">Symbolik, I. S. 620.</note> mit welcher Ansicht auch Kurz, Leitfaden zur Gesch. der deutschen Literatur, Leipzig 1860, S. 74, übereinstimmt: „<hi rendition="#g">Die geistlichen </hi></p> </div> </body> </text> </TEI> [331/0351]
sammlungen der Meistersänger zur Ausübung ihrer Kunst hiessen Schulen (scholae), wobei der Vorstand, die drei Merker, vor welchen jeder Zeit die Bibel aufgeschlagen liegen musste, auf einer Erhöhung, Bühne, Gemerk, sassen. Der bewährte Sängermeister trug eine silberne Kette mit dem Bildnisse Davids um den Hals. Die Versmasse hiessen Gebäude und das Versemachen, das Dichten, war ein Bauen. – In Frankreich wurden zu Paris im Anfange des 15ten Jahrh. mehrere Handwerker und Schreibergesellsehaften als Corporationen oder Brüderschaften, wie es scheint, zur Darstellung von Schauspielen privilegirt und zwar die confrairie de la passion für Mysterien oder geistliche Schauspiele, 1) die cleres de la Bazoch für sog. Morälitäten, Stücke allegorischen Inhalts, – und die enfans sans souci für Farcen und Sottisen. Diese Gesellschaften spielten keineswegs regelmässig wie unsere jetzigen Theatergesellschaften, sondern gaben als blosse Liebhaber der Kunst nur bei festlichen Veranlassungen ihre wenig werthvollen Spiele, so dass Schnaase sie den Marionettenspielen vergleicht. Schon im 14ten Jahrh. zog durch die französischen Städte eine Gesellschaft angeblich aus dem gelobten Lande kommender Pilger, welche die Passion darstellten. Es dürfte zwar nicht dem entferntesten Zweifel unterliegen, dass im spätern Mittelalter in Frankreich zuerst und dann auch in Deutschland die weltlichen Schauspiele aus den geistlichen hervorgegangen seien und sich von der ursprünglichen Verbindung mit der Kirche und den Kirchenfesten befreit haben, aber dennoch waren die geistlichen Schauspiele nur als ein Gegensatz und Verdrängungsmittel der frühern heidnischen Schauspiele entstanden, 2) mit welcher Ansicht auch Kurz, Leitfaden zur Gesch. der deutschen Literatur, Leipzig 1860, S. 74, übereinstimmt: „Die geistlichen
1) Vergl. Wittich, über die mittelalterlichen Schauspiele Frankreichs, Eisenach 1861 (ein sehr schätzenswerthes Programm des Gymnasiums zu Eisenach); Schnaase, VI. S. 72. Ueber den Hang zu Schauspielen in den ersten christlichen Zeiten berichtet Stäudlin, Gesch. der Sittenlehre Jesu, IV. S. 244 ff.
2) Symbolik, I. S. 620.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/351 |
Zitationshilfe: | Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/351>, abgerufen am 21.06.2024. |