Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

der Mitternachtsseite angewiesen haben. Es darf vielleicht hierher bezogen werden, dass nach dem Volksglauben der Lorraine um Weihnachten oder beim alten keltischen Neujahre die Pferde, Kühe, Stiere und Esel 12 Stunden lang vom Mittag bis Mitternacht reden und die ihnen widerfahrene Behandlung beklagen oder loben.1) Eine auffallend maurerische Färbung hat aber die Sage von den drei im Axenberge schlafenden Tellen, wie Grimm, deutsche Sagen, I. S. 386, dieselbe mittheilt. Als einmal ein Hirte sich in die Schlaf- und Grabeshöhle der 3 Telle verirrt hatte, erhob sich der eigentliche Tell und fragte den Hirten: "Welche Zeit ist's auf der Welt?" worauf er die Antwort empfing: "Es ist hoch am Mittag." Tell jedoch bemerkte, es sei nicht an der Zeit, dass sie kommen, und schlief wieder ein. Es scheint sonach die Hochmitternacht die rechte Zeit, die Zeit der letzten Dinge zu sein. Nach Theokrit wird Herakles, der in seiner Wiege die von der Hera gegen ihn ausgesandten Schlangen erwürgt hatte, von dieser Schuld sodann in der Mitternachtsstunde gereinigt und zwar durch ein von gewissen dazu geeigneten Holzarten angezündetes Feuer, worin die erwürgten Schlangen verbrannt werden, deren Asche am Morgen von einer Dienerin über den Fluss getragen und in alle Winde ausgestreut wird.2) Diese Reinigung des neugeborenen Herakles in der Mitternachtsstunde ist wohl nur die Geburt des Sonnenhelden und Sonnengottes in dem mitternächtlichen Gewitter- und Blitzesfeuer. - Bei den Arabern rufen die Bäckermeister ihren Gesellen zu:

"Munter ihr Knaben, der Morgen ist kurz, der Arbeit viel!"3)

Der Milchverkäufer in Kairo ruft:

"Unser Morgen sei weiss!"

Aus mehrfachen Gründen darf auch hierher bezogen werden, dass einstens zu Zürich von dessen beiden Bürgermeistern der eine mit dem Zwölfuhrschlage der Sommer-

1) Eckermann, III. 1. S. 26; oben S. 163.
2) Schoemann, griech. Alterthümer, II. S. 327.
3) Ausland für 1859, S. 1087 b.

der Mitternachtsseite angewiesen haben. Es darf vielleicht hierher bezogen werden, dass nach dem Volksglauben der Lorraine um Weihnachten oder beim alten keltischen Neujahre die Pferde, Kühe, Stiere und Esel 12 Stunden lang vom Mittag bis Mitternacht reden und die ihnen widerfahrene Behandlung beklagen oder loben.1) Eine auffallend maurerische Färbung hat aber die Sage von den drei im Axenberge schlafenden Tellen, wie Grimm, deutsche Sagen, I. S. 386, dieselbe mittheilt. Als einmal ein Hirte sich in die Schlaf- und Grabeshöhle der 3 Telle verirrt hatte, erhob sich der eigentliche Tell und fragte den Hirten: „Welche Zeit ist’s auf der Welt?“ worauf er die Antwort empfing: „Es ist hoch am Mittag.“ Tell jedoch bemerkte, es sei nicht an der Zeit, dass sie kommen, und schlief wieder ein. Es scheint sonach die Hochmitternacht die rechte Zeit, die Zeit der letzten Dinge zu sein. Nach Theokrit wird Herakles, der in seiner Wiege die von der Hera gegen ihn ausgesandten Schlangen erwürgt hatte, von dieser Schuld sodann in der Mitternachtsstunde gereinigt und zwar durch ein von gewissen dazu geeigneten Holzarten angezündetes Feuer, worin die erwürgten Schlangen verbrannt werden, deren Asche am Morgen von einer Dienerin über den Fluss getragen und in alle Winde ausgestreut wird.2) Diese Reinigung des neugeborenen Herakles in der Mitternachtsstunde ist wohl nur die Geburt des Sonnenhelden und Sonnengottes in dem mitternächtlichen Gewitter- und Blitzesfeuer. – Bei den Arabern rufen die Bäckermeister ihren Gesellen zu:

„Munter ihr Knaben, der Morgen ist kurz, der Arbeit viel!“3)

Der Milchverkäufer in Kairo ruft:

„Unser Morgen sei weiss!“

Aus mehrfachen Gründen darf auch hierher bezogen werden, dass einstens zu Zürich von dessen beiden Bürgermeistern der eine mit dem Zwölfuhrschlage der Sommer-

1) Eckermann, III. 1. S. 26; oben S. 163.
2) Schoemann, griech. Alterthümer, II. S. 327.
3) Ausland für 1859, S. 1087 b.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0387" n="367"/>
der Mitternachtsseite angewiesen haben. Es darf vielleicht hierher bezogen werden, dass nach dem Volksglauben der Lorraine um Weihnachten oder beim alten keltischen Neujahre die Pferde, Kühe, Stiere und Esel 12 Stunden lang vom<hi rendition="#g"> Mittag bis Mitternacht</hi> reden und die ihnen widerfahrene Behandlung beklagen oder loben.<note place="foot" n="1)">Eckermann, III. 1. S. 26; oben S. 163.<lb/></note> Eine auffallend maurerische Färbung hat aber die Sage von den drei im Axenberge schlafenden Tellen, wie Grimm, deutsche Sagen, I. S. 386, dieselbe mittheilt. Als einmal ein Hirte sich in die Schlaf- und Grabeshöhle der 3 Telle verirrt hatte, erhob sich der eigentliche Tell und fragte den Hirten: &#x201E;Welche Zeit ist&#x2019;s auf der Welt?&#x201C; worauf er die Antwort empfing: &#x201E;Es ist hoch am Mittag.&#x201C; Tell jedoch bemerkte, es sei nicht an der Zeit, dass sie kommen, und schlief wieder ein. Es scheint sonach die Hochmitternacht die rechte Zeit, die Zeit der letzten Dinge zu sein. Nach Theokrit wird Herakles, der in seiner Wiege die von der Hera gegen ihn ausgesandten Schlangen erwürgt hatte, von dieser Schuld sodann in der Mitternachtsstunde gereinigt und zwar durch ein von gewissen dazu geeigneten Holzarten angezündetes Feuer, worin die erwürgten Schlangen verbrannt werden, deren Asche am Morgen von einer Dienerin über den Fluss getragen und in alle Winde ausgestreut wird.<note place="foot" n="2)">Schoemann, griech. Alterthümer, II. S. 327.<lb/></note> Diese Reinigung des neugeborenen Herakles in der Mitternachtsstunde ist wohl nur die Geburt des Sonnenhelden und Sonnengottes in dem mitternächtlichen Gewitter- und Blitzesfeuer. &#x2013; Bei den Arabern rufen die Bäckermeister ihren Gesellen zu:</p>
        <cit rendition="#et">
          <quote>
            <p>
     &#x201E;Munter ihr Knaben, der Morgen ist kurz, der Arbeit viel!&#x201C;<note place="foot" n="3)">Ausland für 1859, S. 1087 b.</note></p>
          </quote>
        </cit>
        <p>
 Der Milchverkäufer in Kairo ruft:</p>
        <cit rendition="#et">
          <quote>
            <p>
 &#x201E;Unser Morgen sei weiss!&#x201C;</p>
          </quote>
        </cit>
        <p>
 Aus mehrfachen Gründen darf auch hierher bezogen werden, dass einstens zu Zürich von dessen beiden Bürgermeistern der eine mit dem Zwölfuhrschlage der Sommer-
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[367/0387] der Mitternachtsseite angewiesen haben. Es darf vielleicht hierher bezogen werden, dass nach dem Volksglauben der Lorraine um Weihnachten oder beim alten keltischen Neujahre die Pferde, Kühe, Stiere und Esel 12 Stunden lang vom Mittag bis Mitternacht reden und die ihnen widerfahrene Behandlung beklagen oder loben. 1) Eine auffallend maurerische Färbung hat aber die Sage von den drei im Axenberge schlafenden Tellen, wie Grimm, deutsche Sagen, I. S. 386, dieselbe mittheilt. Als einmal ein Hirte sich in die Schlaf- und Grabeshöhle der 3 Telle verirrt hatte, erhob sich der eigentliche Tell und fragte den Hirten: „Welche Zeit ist’s auf der Welt?“ worauf er die Antwort empfing: „Es ist hoch am Mittag.“ Tell jedoch bemerkte, es sei nicht an der Zeit, dass sie kommen, und schlief wieder ein. Es scheint sonach die Hochmitternacht die rechte Zeit, die Zeit der letzten Dinge zu sein. Nach Theokrit wird Herakles, der in seiner Wiege die von der Hera gegen ihn ausgesandten Schlangen erwürgt hatte, von dieser Schuld sodann in der Mitternachtsstunde gereinigt und zwar durch ein von gewissen dazu geeigneten Holzarten angezündetes Feuer, worin die erwürgten Schlangen verbrannt werden, deren Asche am Morgen von einer Dienerin über den Fluss getragen und in alle Winde ausgestreut wird. 2) Diese Reinigung des neugeborenen Herakles in der Mitternachtsstunde ist wohl nur die Geburt des Sonnenhelden und Sonnengottes in dem mitternächtlichen Gewitter- und Blitzesfeuer. – Bei den Arabern rufen die Bäckermeister ihren Gesellen zu: „Munter ihr Knaben, der Morgen ist kurz, der Arbeit viel!“ 3) Der Milchverkäufer in Kairo ruft: „Unser Morgen sei weiss!“ Aus mehrfachen Gründen darf auch hierher bezogen werden, dass einstens zu Zürich von dessen beiden Bürgermeistern der eine mit dem Zwölfuhrschlage der Sommer- 1) Eckermann, III. 1. S. 26; oben S. 163. 2) Schoemann, griech. Alterthümer, II. S. 327. 3) Ausland für 1859, S. 1087 b.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-21T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Maxi Grubert: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-21T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/387
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/387>, abgerufen am 24.11.2024.