Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

alter wieder der Neuzeit überliefert worden sei; was aber von der Baukunst, den Künsten und Handwerken an und für sich nicht geleugnet werden kann oder will, muss auch von den Symbolen, Gebräuchen, Ceremonien und Urkunden der Bauleute zugegeben werden. Die Klostermönche und Klosterbauschulen sind in der Ueberlieferungskette blos einzelne verbindende Glieder oder Ringe; sie haben nicht etwa die Baukunst mit allem dazu Gehörigen neu erfunden, sondern nur die erhaltene und vorgefundene übernommen und weiter getragen, so dass sie auch ein vor ihnen Gewesenes und Geübtes, ein Aelteres den Jüngern überliefern mussten und wirklich überliefert haben, wie noch heute aus den Symbolen und Ritualen der Freimaurer erkennbar und nachweisbar ist, wofür auf die Symbolik in ihrem ganzen Umfange verwiesen werden darf. Die Bauverbindungen tragen nicht blos ein architektonisches, sondern zugleich astronomisches und näher solarisches Gewand, indem ihr Glauben, ihre Lehren und Gebräuche, an den Sternenlauf und namentlich an den Tages- und Jahreslauf der Sonne angeknüpft und angelehnt werden. Wenn die Sonne ihren höchsten Standpunkt am Himmel einnimmt, wenn sie über dem Eingange des Tempels steht und leuchtet, dann ist es die rechte und hohe Zeit zum Beginne der Arbeiten, dann ist es Hochmittag, Hochzeit;1) wenn aber die Sonne am tiefsten steht, wenn sie hoch niedergegangen ist, wird es Hochmitternacht und die Arbeit endigt. In der Manessischen Sammlung, II. S. 97, wird Christi Hinabsteigen zu der Hölle ein hoher Niedergang genannt und in gleichem astronomischen Sinne scheint der maurerische Ausdruck der Hochmitternacht verstanden werden zu müssen. Wollte man dieser Auslegung nicht beistimmen, müsste als Hochmitternacht erklärt werden, wenn der Mond hoch am Himmel zieht; jedoch ist die erstere Auslegung unbedingt vorzuziehen und schliesst sich zugleich genau an die Stellung an, welche die drei ersten Vorsteher der Loge am Morgen und am Abend, beziehungsweise auf der Mittags- und auf

1) Vergl. über die Hochzeit Mone, zur teutschen Heldensage, S. 185 ff.; Symbolik, II. S. 665.

alter wieder der Neuzeit überliefert worden sei; was aber von der Baukunst, den Künsten und Handwerken an und für sich nicht geleugnet werden kann oder will, muss auch von den Symbolen, Gebräuchen, Ceremonien und Urkunden der Bauleute zugegeben werden. Die Klostermönche und Klosterbauschulen sind in der Ueberlieferungskette blos einzelne verbindende Glieder oder Ringe; sie haben nicht etwa die Baukunst mit allem dazu Gehörigen neu erfunden, sondern nur die erhaltene und vorgefundene übernommen und weiter getragen, so dass sie auch ein vor ihnen Gewesenes und Geübtes, ein Aelteres den Jüngern überliefern mussten und wirklich überliefert haben, wie noch heute aus den Symbolen und Ritualen der Freimaurer erkennbar und nachweisbar ist, wofür auf die Symbolik in ihrem ganzen Umfange verwiesen werden darf. Die Bauverbindungen tragen nicht blos ein architektonisches, sondern zugleich astronomisches und näher solarisches Gewand, indem ihr Glauben, ihre Lehren und Gebräuche, an den Sternenlauf und namentlich an den Tages- und Jahreslauf der Sonne angeknüpft und angelehnt werden. Wenn die Sonne ihren höchsten Standpunkt am Himmel einnimmt, wenn sie über dem Eingange des Tempels steht und leuchtet, dann ist es die rechte und hohe Zeit zum Beginne der Arbeiten, dann ist es Hochmittag, Hochzeit;1) wenn aber die Sonne am tiefsten steht, wenn sie hoch niedergegangen ist, wird es Hochmitternacht und die Arbeit endigt. In der Manessischen Sammlung, II. S. 97, wird Christi Hinabsteigen zu der Hölle ein hoher Niedergang genannt und in gleichem astronomischen Sinne scheint der maurerische Ausdruck der Hochmitternacht verstanden werden zu müssen. Wollte man dieser Auslegung nicht beistimmen, müsste als Hochmitternacht erklärt werden, wenn der Mond hoch am Himmel zieht; jedoch ist die erstere Auslegung unbedingt vorzuziehen und schliesst sich zugleich genau an die Stellung an, welche die drei ersten Vorsteher der Loge am Morgen und am Abend, beziehungsweise auf der Mittags- und auf

1) Vergl. über die Hochzeit Mone, zur teutschen Heldensage, S. 185 ff.; Symbolik, II. S. 665.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0386" n="366"/>
alter wieder der Neuzeit überliefert worden sei; was aber von der Baukunst, den Künsten und Handwerken an und für sich nicht geleugnet werden kann oder will, muss auch von den Symbolen, Gebräuchen, Ceremonien und Urkunden der Bauleute zugegeben werden. Die Klostermönche und Klosterbauschulen sind in der Ueberlieferungskette blos einzelne verbindende Glieder oder Ringe; sie haben nicht etwa die Baukunst mit allem dazu Gehörigen neu erfunden, sondern nur die erhaltene und vorgefundene übernommen und weiter getragen, so dass sie auch ein vor ihnen Gewesenes und Geübtes, ein Aelteres den Jüngern überliefern mussten und wirklich überliefert haben, wie noch heute aus den Symbolen und Ritualen der Freimaurer erkennbar und nachweisbar ist, wofür auf die Symbolik in ihrem ganzen Umfange verwiesen werden darf. Die Bauverbindungen tragen nicht blos ein architektonisches, sondern zugleich astronomisches und näher solarisches Gewand, indem ihr Glauben, ihre Lehren und Gebräuche, an den Sternenlauf und namentlich an den Tages- und Jahreslauf der Sonne angeknüpft und angelehnt werden. Wenn die Sonne ihren <hi rendition="#g">höchsten</hi> Standpunkt am Himmel einnimmt, wenn sie über dem Eingange des Tempels steht und leuchtet, dann ist es die rechte und hohe Zeit zum Beginne der Arbeiten, dann ist es Hochmittag, Hochzeit;<note place="foot" n="1)">Vergl. über die Hochzeit Mone, zur teutschen Heldensage, S. 185 ff.; Symbolik, II. S. 665.</note> wenn aber die Sonne am tiefsten steht, wenn sie hoch niedergegangen ist, wird es Hochmitternacht und die Arbeit endigt. In der Manessischen Sammlung, II. S. 97, wird Christi Hinabsteigen zu der Hölle <hi rendition="#g">ein hoher Niedergang</hi> genannt und in gleichem astronomischen Sinne scheint der maurerische Ausdruck der Hochmitternacht verstanden werden zu müssen. Wollte man dieser Auslegung nicht beistimmen, müsste als Hochmitternacht erklärt werden, wenn der Mond hoch am Himmel zieht; jedoch ist die erstere Auslegung unbedingt vorzuziehen und schliesst sich zugleich genau an die Stellung an, welche die drei ersten Vorsteher der Loge am Morgen und am Abend, beziehungsweise auf der Mittags- und auf
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[366/0386] alter wieder der Neuzeit überliefert worden sei; was aber von der Baukunst, den Künsten und Handwerken an und für sich nicht geleugnet werden kann oder will, muss auch von den Symbolen, Gebräuchen, Ceremonien und Urkunden der Bauleute zugegeben werden. Die Klostermönche und Klosterbauschulen sind in der Ueberlieferungskette blos einzelne verbindende Glieder oder Ringe; sie haben nicht etwa die Baukunst mit allem dazu Gehörigen neu erfunden, sondern nur die erhaltene und vorgefundene übernommen und weiter getragen, so dass sie auch ein vor ihnen Gewesenes und Geübtes, ein Aelteres den Jüngern überliefern mussten und wirklich überliefert haben, wie noch heute aus den Symbolen und Ritualen der Freimaurer erkennbar und nachweisbar ist, wofür auf die Symbolik in ihrem ganzen Umfange verwiesen werden darf. Die Bauverbindungen tragen nicht blos ein architektonisches, sondern zugleich astronomisches und näher solarisches Gewand, indem ihr Glauben, ihre Lehren und Gebräuche, an den Sternenlauf und namentlich an den Tages- und Jahreslauf der Sonne angeknüpft und angelehnt werden. Wenn die Sonne ihren höchsten Standpunkt am Himmel einnimmt, wenn sie über dem Eingange des Tempels steht und leuchtet, dann ist es die rechte und hohe Zeit zum Beginne der Arbeiten, dann ist es Hochmittag, Hochzeit; 1) wenn aber die Sonne am tiefsten steht, wenn sie hoch niedergegangen ist, wird es Hochmitternacht und die Arbeit endigt. In der Manessischen Sammlung, II. S. 97, wird Christi Hinabsteigen zu der Hölle ein hoher Niedergang genannt und in gleichem astronomischen Sinne scheint der maurerische Ausdruck der Hochmitternacht verstanden werden zu müssen. Wollte man dieser Auslegung nicht beistimmen, müsste als Hochmitternacht erklärt werden, wenn der Mond hoch am Himmel zieht; jedoch ist die erstere Auslegung unbedingt vorzuziehen und schliesst sich zugleich genau an die Stellung an, welche die drei ersten Vorsteher der Loge am Morgen und am Abend, beziehungsweise auf der Mittags- und auf 1) Vergl. über die Hochzeit Mone, zur teutschen Heldensage, S. 185 ff.; Symbolik, II. S. 665.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-21T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Maxi Grubert: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-21T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/386
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/386>, abgerufen am 24.11.2024.