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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.

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len, aber keinen, zu welchem nicht ein vielsäuliger Raum führte." - Dieser vielsäulige Raum, welcher durch die höher ragenden mittleren gedeckten Säulen mit Lichtern an den oberen Seitenwänden zu einem dreischiffigen Gebäude gestaltet wird,1) muss schlechterdings dem gemeinsamen Gottesdienste bestimmt gewesen sein, war der Hauptversammlungsort der Gläubigen. Zu dem Allerheiligsten gelangte man entweder gar nicht (was Schnaase, I. S. 294, auch anzunehmen scheint) und es wurde blos in der Nähe desselben, wie bei dem salomonischen Tempel, gehandelt - oder dann näherte man sich dem Allerheiligsten nur bei besonderen Veranlassungen und nur einzeln, weil das Letztere nicht anders geschehen konnte. Die ägyptischen Gemeindetempel hatten nach dieser ihrer Bestimmung einen viel grösseren Umfang, eine reichere Gliederung und Abstufung als das griechische Säulenhaus für ein einziges Gottesbild, und neigten nicht selten selbst zum Kolossalen hin. Auch das an dem ägyptischen Tempelbaue oft getadelte Unbestimmte und Unbegrenzte, die Anwachsungs- und Einschachtelungsfähigkeit, möchte vielleicht daraus entspringen. Den vorbereitenden Säulensaal vor dem engen und dunklen Allerheiligsten mit dem Götterbilde findet man übrigens auch in einer merkwürdigen und vielleicht nicht blos zufälligen, aber freilich noch nicht zu klärenden Uebereinstimmung bei den Indern, z. B. in der grossen Pagode zu Chalambron bei Pondichery, wofür besonders auf Romberg und Steger, Geschichte der Baukunst, I. S. 48 ff., mit dazu gehörigem Grundrisse, verwiesen wird. Wenigstens zu Chalambron herrscht überhaupt vollkommen der ägyptische Tempelbaustyl, der Säulenbau mit flacher Steindecke über den Säulen. Die Nerba Chabei oder Kapelle der Freude enthält einen Saal von 1000 Säulen, die in der regelmässigsten Ordnung aufgestellt sind; zwischen diesen Saulen liegt in der Mitte gegen die hintere Seite hin in dem dunklen ummauerten Raum mit einem Vorsaale der ehemals mit Goldplatten geschmückte Altar. Zu dem Säulensaal schreitet man durch eine Säulencolonnade von 24, in 4 Reihen von je 6 aufgestellten, Säulen

1) Lübke, S. 53; Schnaase, I. S. 392.

len, aber keinen, zu welchem nicht ein vielsäuliger Raum führte.“ – Dieser vielsäulige Raum, welcher durch die höher ragenden mittleren gedeckten Säulen mit Lichtern an den oberen Seitenwänden zu einem dreischiffigen Gebäude gestaltet wird,1) muss schlechterdings dem gemeinsamen Gottesdienste bestimmt gewesen sein, war der Hauptversammlungsort der Gläubigen. Zu dem Allerheiligsten gelangte man entweder gar nicht (was Schnaase, I. S. 294, auch anzunehmen scheint) und es wurde blos in der Nähe desselben, wie bei dem salomonischen Tempel, gehandelt – oder dann näherte man sich dem Allerheiligsten nur bei besonderen Veranlassungen und nur einzeln, weil das Letztere nicht anders geschehen konnte. Die ägyptischen Gemeindetempel hatten nach dieser ihrer Bestimmung einen viel grösseren Umfang, eine reichere Gliederung und Abstufung als das griechische Säulenhaus für ein einziges Gottesbild, und neigten nicht selten selbst zum Kolossalen hin. Auch das an dem ägyptischen Tempelbaue oft getadelte Unbestimmte und Unbegrenzte, die Anwachsungs- und Einschachtelungsfähigkeit, möchte vielleicht daraus entspringen. Den vorbereitenden Säulensaal vor dem engen und dunklen Allerheiligsten mit dem Götterbilde findet man übrigens auch in einer merkwürdigen und vielleicht nicht blos zufälligen, aber freilich noch nicht zu klärenden Uebereinstimmung bei den Indern, z. B. in der grossen Pagode zu Chalambron bei Pondichery, wofür besonders auf Romberg und Steger, Geschichte der Baukunst, I. S. 48 ff., mit dazu gehörigem Grundrisse, verwiesen wird. Wenigstens zu Chalambron herrscht überhaupt vollkommen der ägyptische Tempelbaustyl, der Säulenbau mit flacher Steindecke über den Säulen. Die Nerba Chabeï oder Kapelle der Freude enthält einen Saal von 1000 Säulen, die in der regelmässigsten Ordnung aufgestellt sind; zwischen diesen Saulen liegt in der Mitte gegen die hintere Seite hin in dem dunklen ummauerten Raum mit einem Vorsaale der ehemals mit Goldplatten geschmückte Altar. Zu dem Säulensaal schreitet man durch eine Säulencolonnade von 24, in 4 Reihen von je 6 aufgestellten, Säulen

1) Lübke, S. 53; Schnaase, I. S. 392.
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[27/0047] len, aber keinen, zu welchem nicht ein vielsäuliger Raum führte.“ – Dieser vielsäulige Raum, welcher durch die höher ragenden mittleren gedeckten Säulen mit Lichtern an den oberen Seitenwänden zu einem dreischiffigen Gebäude gestaltet wird, 1) muss schlechterdings dem gemeinsamen Gottesdienste bestimmt gewesen sein, war der Hauptversammlungsort der Gläubigen. Zu dem Allerheiligsten gelangte man entweder gar nicht (was Schnaase, I. S. 294, auch anzunehmen scheint) und es wurde blos in der Nähe desselben, wie bei dem salomonischen Tempel, gehandelt – oder dann näherte man sich dem Allerheiligsten nur bei besonderen Veranlassungen und nur einzeln, weil das Letztere nicht anders geschehen konnte. Die ägyptischen Gemeindetempel hatten nach dieser ihrer Bestimmung einen viel grösseren Umfang, eine reichere Gliederung und Abstufung als das griechische Säulenhaus für ein einziges Gottesbild, und neigten nicht selten selbst zum Kolossalen hin. Auch das an dem ägyptischen Tempelbaue oft getadelte Unbestimmte und Unbegrenzte, die Anwachsungs- und Einschachtelungsfähigkeit, möchte vielleicht daraus entspringen. Den vorbereitenden Säulensaal vor dem engen und dunklen Allerheiligsten mit dem Götterbilde findet man übrigens auch in einer merkwürdigen und vielleicht nicht blos zufälligen, aber freilich noch nicht zu klärenden Uebereinstimmung bei den Indern, z. B. in der grossen Pagode zu Chalambron bei Pondichery, wofür besonders auf Romberg und Steger, Geschichte der Baukunst, I. S. 48 ff., mit dazu gehörigem Grundrisse, verwiesen wird. Wenigstens zu Chalambron herrscht überhaupt vollkommen der ägyptische Tempelbaustyl, der Säulenbau mit flacher Steindecke über den Säulen. Die Nerba Chabeï oder Kapelle der Freude enthält einen Saal von 1000 Säulen, die in der regelmässigsten Ordnung aufgestellt sind; zwischen diesen Saulen liegt in der Mitte gegen die hintere Seite hin in dem dunklen ummauerten Raum mit einem Vorsaale der ehemals mit Goldplatten geschmückte Altar. Zu dem Säulensaal schreitet man durch eine Säulencolonnade von 24, in 4 Reihen von je 6 aufgestellten, Säulen 1) Lübke, S. 53; Schnaase, I. S. 392.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/47>, abgerufen am 21.11.2024.