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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.

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ein ganz entgegengesetztes Gebiet und eine umgekehrte Bestimmung; schwere Lasten kann nur der von Natur breite, feste und gleichsam unbeugsame Stein tragen und wird durch diese Lasten selbst niedergedrückt, verkürzt und an der Erde gehalten werden wogegen der unbelastete Baumstamm sich zu der ihm eigenthümlichen Höhe frei und möglichst unverkürzt erheben darf. Auch wo es weite Flächen zu decken gilt, wird und muss man zum längern und leichtern Baumstamme oder hölzernen Balken greifen, weshalb man über steinernen Gebäuden und namentlich auch Kirchen in den ältesten Zeiten bis herab auf die Gegenwart hölzerne Decken und namentlich Dachstühle von Holz findet, zumal so lange der Gewölbebau nicht gefunden ist.1) Auf diese Weise tritt der Holzbau mit dem Steinbaue in eine äussere Verbindung, ohne dass jedoch jemals dieser aus jenem genetisch abgeleitet werden dürfte, indem beide einen durchaus selbstständigen und völlig verschiedenen Ursprung haben; auch können durch den gleichen Zweck und die nämliche Bestimmung, z. B. des Verbindens oder des Stützens und Tragens, das Holz und der Stein und selbst das Eisen oder überhaupt die Metalle in eine gewisse Verwandtschaft der Gestalt und Form mit einander treten, was aber durchaus kein Uebertragen des Holzstyles auf den Stein und das Metall ist, sondern blos die gleichmässige Herrschaft des Menschen über das Holz, den Stein und das Metall beurkundet. Die Holz-, Stein- und Metallsäulen, - die hölzernen, steinernen und eisernen Brücken, - der hölzerne Gartenzaun, die Gartenmauer und das eiserne Gartengeländer u. s. w. vereinigen sich zwar in einer gemeinsamen Zweckbestimmung, aber durch den Stoff und den demselben eigenthümlichen Arbeiter und Bearbeitungsweise gehen sie wieder völlig auseinander und der Zimmermann, der Maurer und der Schmied oder Metallgiesser können so wenig die gegenseitigen Hauptwerkzeuge als die wesentliche Arbeitsweise, den Styl gebrauchen. So lange der Stein nicht mit der Axt gezimmert2) zu werden

1) Klenze, S. 71.
2) Wenn zimmern, zimbaron, zimbarjan, auch bauen, aedificare, struere bezeichnet (vergl. H. Schweizer, Bemerkungen zu Tacitus'

ein ganz entgegengesetztes Gebiet und eine umgekehrte Bestimmung; schwere Lasten kann nur der von Natur breite, feste und gleichsam unbeugsame Stein tragen und wird durch diese Lasten selbst niedergedrückt, verkürzt und an der Erde gehalten werden wogegen der unbelastete Baumstamm sich zu der ihm eigenthümlichen Höhe frei und möglichst unverkürzt erheben darf. Auch wo es weite Flächen zu decken gilt, wird und muss man zum längern und leichtern Baumstamme oder hölzernen Balken greifen, weshalb man über steinernen Gebäuden und namentlich auch Kirchen in den ältesten Zeiten bis herab auf die Gegenwart hölzerne Decken und namentlich Dachstühle von Holz findet, zumal so lange der Gewölbebau nicht gefunden ist.1) Auf diese Weise tritt der Holzbau mit dem Steinbaue in eine äussere Verbindung, ohne dass jedoch jemals dieser aus jenem genetisch abgeleitet werden dürfte, indem beide einen durchaus selbstständigen und völlig verschiedenen Ursprung haben; auch können durch den gleichen Zweck und die nämliche Bestimmung, z. B. des Verbindens oder des Stützens und Tragens, das Holz und der Stein und selbst das Eisen oder überhaupt die Metalle in eine gewisse Verwandtschaft der Gestalt und Form mit einander treten, was aber durchaus kein Uebertragen des Holzstyles auf den Stein und das Metall ist, sondern blos die gleichmässige Herrschaft des Menschen über das Holz, den Stein und das Metall beurkundet. Die Holz-, Stein- und Metallsäulen, – die hölzernen, steinernen und eisernen Brücken, – der hölzerne Gartenzaun, die Gartenmauer und das eiserne Gartengeländer u. s. w. vereinigen sich zwar in einer gemeinsamen Zweckbestimmung, aber durch den Stoff und den demselben eigenthümlichen Arbeiter und Bearbeitungsweise gehen sie wieder völlig auseinander und der Zimmermann, der Maurer und der Schmied oder Metallgiesser können so wenig die gegenseitigen Hauptwerkzeuge als die wesentliche Arbeitsweise, den Styl gebrauchen. So lange der Stein nicht mit der Axt gezimmert2) zu werden

1) Klenze, S. 71.
2) Wenn zimmern, zimbarôn, zimbarjan, auch bauen, aedificare, struere bezeichnet (vergl. H. Schweizer, Bemerkungen zu Tacitus’
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[507/0527] ein ganz entgegengesetztes Gebiet und eine umgekehrte Bestimmung; schwere Lasten kann nur der von Natur breite, feste und gleichsam unbeugsame Stein tragen und wird durch diese Lasten selbst niedergedrückt, verkürzt und an der Erde gehalten werden wogegen der unbelastete Baumstamm sich zu der ihm eigenthümlichen Höhe frei und möglichst unverkürzt erheben darf. Auch wo es weite Flächen zu decken gilt, wird und muss man zum längern und leichtern Baumstamme oder hölzernen Balken greifen, weshalb man über steinernen Gebäuden und namentlich auch Kirchen in den ältesten Zeiten bis herab auf die Gegenwart hölzerne Decken und namentlich Dachstühle von Holz findet, zumal so lange der Gewölbebau nicht gefunden ist. 1) Auf diese Weise tritt der Holzbau mit dem Steinbaue in eine äussere Verbindung, ohne dass jedoch jemals dieser aus jenem genetisch abgeleitet werden dürfte, indem beide einen durchaus selbstständigen und völlig verschiedenen Ursprung haben; auch können durch den gleichen Zweck und die nämliche Bestimmung, z. B. des Verbindens oder des Stützens und Tragens, das Holz und der Stein und selbst das Eisen oder überhaupt die Metalle in eine gewisse Verwandtschaft der Gestalt und Form mit einander treten, was aber durchaus kein Uebertragen des Holzstyles auf den Stein und das Metall ist, sondern blos die gleichmässige Herrschaft des Menschen über das Holz, den Stein und das Metall beurkundet. Die Holz-, Stein- und Metallsäulen, – die hölzernen, steinernen und eisernen Brücken, – der hölzerne Gartenzaun, die Gartenmauer und das eiserne Gartengeländer u. s. w. vereinigen sich zwar in einer gemeinsamen Zweckbestimmung, aber durch den Stoff und den demselben eigenthümlichen Arbeiter und Bearbeitungsweise gehen sie wieder völlig auseinander und der Zimmermann, der Maurer und der Schmied oder Metallgiesser können so wenig die gegenseitigen Hauptwerkzeuge als die wesentliche Arbeitsweise, den Styl gebrauchen. So lange der Stein nicht mit der Axt gezimmert 2) zu werden 1) Klenze, S. 71. 2) Wenn zimmern, zimbarôn, zimbarjan, auch bauen, aedificare, struere bezeichnet (vergl. H. Schweizer, Bemerkungen zu Tacitus’

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/527>, abgerufen am 22.11.2024.