das Licht zum Bette bringen, las den Brief, sagte sogleich: O das hat nichts zu bedeuten! schrieb im Bette die Antwort und ein Recept, und befahl, daß man ihm das eine Pferd am Morgen um sieben Uhr wieder vor das Haus führen sollte. Mit allem diesen vergingen etwa drey Viertelstun- den. Er versank sogleich wieder in den tiefsten Schlaf. Am Morgen beym Aufstehen kam ihm kein Gedanke an das Vorgefallne ein. Und nie hat er sich auf das geringste davon besinnen kön- nen. Er war durch den heilsamen Schlaf gleich- sam neu gebohren, und fühlte keinen Druck über den Augen, den er jedesmal, wenn er die Nacht vorher geweckt war, zu fühlen pflegte. Er klei- dete sich, wie gewöhnlich, das heißt nicht reiter- mäßig, an, und war im Begriff Hut und Stock zu nehmen, um seine Patienten in der Stadt zu besuchen, als sein Bedienter eben hereintrat, und ihm seine Befremdung über den erwähnten Anzug zu erkennen gab, da er doch versprochen hätte, um sieben Uhr auszureiten, und das Pferd so- gleich vor der Thür seyn würde. Der Bediente betheuert, wie sein Herr meynt, daß er ihm et- was vorträume, die Wahrheit seines Vorge- bens, und beruft sich auf den geschriebenen Brief und das Recept. Auf die Frage, wo dieses hin- gekommen sey, antwortet er: Nach der Apo- theke. Ohne Zeitverlust läuft der Arzt zu dieser
hin,
das Licht zum Bette bringen, las den Brief, ſagte ſogleich: O das hat nichts zu bedeuten! ſchrieb im Bette die Antwort und ein Recept, und befahl, daß man ihm das eine Pferd am Morgen um ſieben Uhr wieder vor das Haus fuͤhren ſollte. Mit allem dieſen vergingen etwa drey Viertelſtun- den. Er verſank ſogleich wieder in den tiefſten Schlaf. Am Morgen beym Aufſtehen kam ihm kein Gedanke an das Vorgefallne ein. Und nie hat er ſich auf das geringſte davon beſinnen koͤn- nen. Er war durch den heilſamen Schlaf gleich- ſam neu gebohren, und fuͤhlte keinen Druck uͤber den Augen, den er jedesmal, wenn er die Nacht vorher geweckt war, zu fuͤhlen pflegte. Er klei- dete ſich, wie gewoͤhnlich, das heißt nicht reiter- maͤßig, an, und war im Begriff Hut und Stock zu nehmen, um ſeine Patienten in der Stadt zu beſuchen, als ſein Bedienter eben hereintrat, und ihm ſeine Befremdung uͤber den erwaͤhnten Anzug zu erkennen gab, da er doch verſprochen haͤtte, um ſieben Uhr auszureiten, und das Pferd ſo- gleich vor der Thuͤr ſeyn wuͤrde. Der Bediente betheuert, wie ſein Herr meynt, daß er ihm et- was vortraͤume, die Wahrheit ſeines Vorge- bens, und beruft ſich auf den geſchriebenen Brief und das Recept. Auf die Frage, wo dieſes hin- gekommen ſey, antwortet er: Nach der Apo- theke. Ohne Zeitverluſt laͤuft der Arzt zu dieſer
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das Licht zum Bette bringen, las den Brief, ſagte
ſogleich: O das hat nichts zu bedeuten! ſchrieb im
Bette die Antwort und ein Recept, und befahl,
daß man ihm das eine Pferd am Morgen um
ſieben Uhr wieder vor das Haus fuͤhren ſollte.
Mit allem dieſen vergingen etwa drey Viertelſtun-
den. Er verſank ſogleich wieder in den tiefſten
Schlaf. Am Morgen beym Aufſtehen kam ihm
kein Gedanke an das Vorgefallne ein. Und nie
hat er ſich auf das geringſte davon beſinnen koͤn-
nen. Er war durch den heilſamen Schlaf gleich-
ſam neu gebohren, und fuͤhlte keinen Druck uͤber
den Augen, den er jedesmal, wenn er die Nacht
vorher geweckt war, zu fuͤhlen pflegte. Er klei-
dete ſich, wie gewoͤhnlich, das heißt nicht reiter-
maͤßig, an, und war im Begriff Hut und Stock
zu nehmen, um ſeine Patienten in der Stadt zu
beſuchen, als ſein Bedienter eben hereintrat, und
ihm ſeine Befremdung uͤber den erwaͤhnten Anzug
zu erkennen gab, da er doch verſprochen haͤtte,
um ſieben Uhr auszureiten, und das Pferd ſo-
gleich vor der Thuͤr ſeyn wuͤrde. Der Bediente
betheuert, wie ſein Herr meynt, daß er ihm et-
was vortraͤume, die Wahrheit ſeines Vorge-
bens, und beruft ſich auf den geſchriebenen Brief
und das Recept. Auf die Frage, wo dieſes hin-
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/128>, abgerufen am 21.11.2024.
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