hin, und erfährt, daß wirklich in der letzten Nacht ein von ihm verschriebenes Medikament für den und den auswärtigen Kranken verfertigt worden sey. Aber von seiner Besorgniß, etwas Unzweck- mäßiges oder Schädliches verschrieben zu haben, wird er hier nicht befreyt. Man hatte leider diesmal keine Abschrift von dem Recepte genom- men, und der Bote nahm es mit sich hinweg. Alles, was man zum Trost des äußerst beunru- higten Mannes sagen konnte, war, daß er eine Mixtur verschrieben hätte. Jn der größten Eile kleidet er sich also um, und setzt sich aufs Pferd. Außer Athem kommt er an den Ort, wohin er geladen war. Wie befindet sich der Patient? fragt er, und hört zu seinem Erstaunen: besser als vorher. Besonders that die verordnete Aderlässe gute Dienste. Noch mehr Ursach zur Verwunderung. -- Er geht zu dem Kranken selbst, findet ihn erträglich, sagt also, aus weiser Besorgniß, jemanden zu beunruhigen, von dem äußerst sonderbaren Vorfall nichts. Die Neugier läßt ihn indeß bald einen Vorwand erfinden, sich seinen Brief auszubitten. Er erhält ihn, und bewundert, daß dieser Brief zwar etwas skoptisch, aber doch mit dem vollkommensten Verstande von ihm geschrieben war.
Eine so vollkommne Empfindung, Ueberle- gung und Besonnenheit läßt mich indeß vermu-
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hin, und erfaͤhrt, daß wirklich in der letzten Nacht ein von ihm verſchriebenes Medikament fuͤr den und den auswaͤrtigen Kranken verfertigt worden ſey. Aber von ſeiner Beſorgniß, etwas Unzweck- maͤßiges oder Schaͤdliches verſchrieben zu haben, wird er hier nicht befreyt. Man hatte leider diesmal keine Abſchrift von dem Recepte genom- men, und der Bote nahm es mit ſich hinweg. Alles, was man zum Troſt des aͤußerſt beunru- higten Mannes ſagen konnte, war, daß er eine Mixtur verſchrieben haͤtte. Jn der groͤßten Eile kleidet er ſich alſo um, und ſetzt ſich aufs Pferd. Außer Athem kommt er an den Ort, wohin er geladen war. Wie befindet ſich der Patient? fragt er, und hoͤrt zu ſeinem Erſtaunen: beſſer als vorher. Beſonders that die verordnete Aderlaͤſſe gute Dienſte. Noch mehr Urſach zur Verwunderung. — Er geht zu dem Kranken ſelbſt, findet ihn ertraͤglich, ſagt alſo, aus weiſer Beſorgniß, jemanden zu beunruhigen, von dem aͤußerſt ſonderbaren Vorfall nichts. Die Neugier laͤßt ihn indeß bald einen Vorwand erfinden, ſich ſeinen Brief auszubitten. Er erhaͤlt ihn, und bewundert, daß dieſer Brief zwar etwas ſkoptiſch, aber doch mit dem vollkommenſten Verſtande von ihm geſchrieben war.
Eine ſo vollkommne Empfindung, Ueberle- gung und Beſonnenheit laͤßt mich indeß vermu-
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hin, und erfaͤhrt, daß wirklich in der letzten Nacht
ein von ihm verſchriebenes Medikament fuͤr den
und den auswaͤrtigen Kranken verfertigt worden
ſey. Aber von ſeiner Beſorgniß, etwas Unzweck-
maͤßiges oder Schaͤdliches verſchrieben zu haben,
wird er hier nicht befreyt. Man hatte leider
diesmal keine Abſchrift von dem Recepte genom-
men, und der Bote nahm es mit ſich hinweg.
Alles, was man zum Troſt des aͤußerſt beunru-
higten Mannes ſagen konnte, war, daß er eine
Mixtur verſchrieben haͤtte. Jn der groͤßten Eile
kleidet er ſich alſo um, und ſetzt ſich aufs Pferd.
Außer Athem kommt er an den Ort, wohin er
geladen war. Wie befindet ſich der Patient?
fragt er, und hoͤrt zu ſeinem Erſtaunen: beſſer
als vorher. Beſonders that die verordnete
Aderlaͤſſe gute Dienſte. Noch mehr Urſach zur
Verwunderung. — Er geht zu dem Kranken
ſelbſt, findet ihn ertraͤglich, ſagt alſo, aus weiſer
Beſorgniß, jemanden zu beunruhigen, von dem
aͤußerſt ſonderbaren Vorfall nichts. Die Neugier
laͤßt ihn indeß bald einen Vorwand erfinden, ſich
ſeinen Brief auszubitten. Er erhaͤlt ihn, und
bewundert, daß dieſer Brief zwar etwas ſkoptiſch,
aber doch mit dem vollkommenſten Verſtande von
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/129>, abgerufen am 24.11.2024.
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