Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.Jene geben die Erzählung eines Andern mit eben Aus dieser Unterscheidung wird nun auch die Wo sich blos eine Fertigkeit zeigt, Gedan- Sach- J 2
Jene geben die Erzaͤhlung eines Andern mit eben Aus dieſer Unterſcheidung wird nun auch die Wo ſich blos eine Fertigkeit zeigt, Gedan- Sach- J 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0155" n="131"/> Jene geben die Erzaͤhlung eines Andern mit eben<lb/> ſo viel Worten wieder, koͤnnen Zahlen und Na-<lb/> men ſehr leicht behalten. Wem es daher darum<lb/> zu thun iſt, etwas genau, ſo wie er es hoͤrte oder<lb/> las, ſich wieder ins Gedaͤchtniß zu rufen, wie<lb/> z. B. dem Hiſtoriker und Chronologen, der muß<lb/> ein Zeichengedaͤchtniß haben. Bey dem Sach-<lb/> gedaͤchtniß iſt ſchon mehr Selbſtthaͤtigkeit des Ver-<lb/> ſtandes; denn man muß ſich, um den Geiſt der<lb/> Vorſtellung zu faſſen, dieſelben nach ihren we-<lb/> ſentlichen Merkmalen verdeutlichen, welches ein<lb/> Geſchaͤft des Verſtandes iſt. Dieſes iſt es, was<lb/> Herr Garve in ſeiner vortreflichen Abhandlung<lb/> uͤber die Pruͤfung der Faͤhigkeiten das raiſonniren-<lb/> de Gedaͤchtniß nennt, und wovon er ſagt, daß es<lb/> ein ſehr ſicher Kennzeichen, oder vielmehr ein<lb/> Theil des Verſtandes ſelbſt ſey.</p><lb/> <p>Aus dieſer Unterſcheidung wird nun auch die<lb/> Frage beantwortet werden koͤnnen, ob es wahr<lb/> ſey, was man ſo haͤufig hoͤren muß, daß ein gu-<lb/> tes Gedaͤchtniß das Zeichen eines ſchlechten, me-<lb/> chaniſchen Kopfes ſey?</p><lb/> <p>Wo ſich <hi rendition="#b">blos</hi> eine Fertigkeit zeigt, <hi rendition="#b">Gedan-<lb/> kenzeichen</hi> zu behalten, die etwas Willkuͤhrliches,<lb/> und einmal Feſtgeſetztes ſind; da kann man aller-<lb/> dings einen ſehr guten Verſtand nicht erwarten;<lb/> denn da hat dieſe keiner Gelegenheit, ſich durch<lb/> Uebung zu ſchaͤrfen. Aber wo ſich ein gutes<lb/> <fw place="bottom" type="sig">J 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Sach-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [131/0155]
Jene geben die Erzaͤhlung eines Andern mit eben
ſo viel Worten wieder, koͤnnen Zahlen und Na-
men ſehr leicht behalten. Wem es daher darum
zu thun iſt, etwas genau, ſo wie er es hoͤrte oder
las, ſich wieder ins Gedaͤchtniß zu rufen, wie
z. B. dem Hiſtoriker und Chronologen, der muß
ein Zeichengedaͤchtniß haben. Bey dem Sach-
gedaͤchtniß iſt ſchon mehr Selbſtthaͤtigkeit des Ver-
ſtandes; denn man muß ſich, um den Geiſt der
Vorſtellung zu faſſen, dieſelben nach ihren we-
ſentlichen Merkmalen verdeutlichen, welches ein
Geſchaͤft des Verſtandes iſt. Dieſes iſt es, was
Herr Garve in ſeiner vortreflichen Abhandlung
uͤber die Pruͤfung der Faͤhigkeiten das raiſonniren-
de Gedaͤchtniß nennt, und wovon er ſagt, daß es
ein ſehr ſicher Kennzeichen, oder vielmehr ein
Theil des Verſtandes ſelbſt ſey.
Aus dieſer Unterſcheidung wird nun auch die
Frage beantwortet werden koͤnnen, ob es wahr
ſey, was man ſo haͤufig hoͤren muß, daß ein gu-
tes Gedaͤchtniß das Zeichen eines ſchlechten, me-
chaniſchen Kopfes ſey?
Wo ſich blos eine Fertigkeit zeigt, Gedan-
kenzeichen zu behalten, die etwas Willkuͤhrliches,
und einmal Feſtgeſetztes ſind; da kann man aller-
dings einen ſehr guten Verſtand nicht erwarten;
denn da hat dieſe keiner Gelegenheit, ſich durch
Uebung zu ſchaͤrfen. Aber wo ſich ein gutes
Sach-
J 2
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