Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.Endlich fällt es ihr einmal ein, Wein zu trinken Auf den Vorschlag des edlen Mannes wird Hauses *) Mein Freund schreibt mir itzo zwey -- ich habe
nur eine gesehen. Endlich faͤllt es ihr einmal ein, Wein zu trinken Auf den Vorſchlag des edlen Mannes wird Hauſes *) Mein Freund ſchreibt mir itzo zwey — ich habe
nur eine geſehen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <floatingText> <body> <div type="letter"> <p><pb facs="#f0254" n="230"/> Endlich faͤllt es ihr einmal ein, Wein zu trinken<lb/> und Kuchen zu eſſen. Sie bittet ſehr angelegent-<lb/> lich darum. Herr von Doͤren verſpricht, ihre<lb/> Bitte zu erfuͤllen, wenn ſie arbeiten wollte, und<lb/> da ſie ſich mit ihrer Ungeſchicklichkeit entſchuldigt,<lb/> laͤßt er ſie von ſeinen Toͤchtern unterrichten. Sie<lb/> lernt arbeiten, arbeitet ſelbſt, und nun bekommt<lb/> ſie Kuchen und Wein.</p><lb/> <p>Auf den Vorſchlag des edlen Mannes wird<lb/> itzt auch eine<note place="foot" n="*)">Mein Freund ſchreibt mir itzo zwey — ich habe<lb/> nur eine geſehen.</note> neue große Stube eingerichtet, die<lb/> eine ſchoͤne Ausſicht hat, und diejenigen beherber-<lb/> gen ſoll, welche nur auf eine kurze Zeit ins Zucht-<lb/> haus gebracht werden. Eine vortrefliche, von<lb/> Menſchenkenntniß und Menſchenliebe zeugende<lb/> Einrichtung! — Denn wie viele Menſchen,<lb/> die ein in moraliſcher Hinſicht vielleicht nicht ſo<lb/> ſtrafbares Verbrechen unter Boͤſewichter fuͤhrte,<lb/> kamen nicht verdorben aus dieſer Geſellſchaft?<lb/> Ueberhaupt, mein Freund, bin ich aufs neue<lb/> wieder von dem Urtheil, das ich Jhnen ſchon<lb/> oͤfter aͤußerte, recht lebhaft uͤberzeugt worden,<lb/> daß die Zuchthaͤuſer nicht mehr <hi rendition="#b">Verbrechen be-<lb/> ſtrafen</hi>, als <hi rendition="#b">Verbrechen lehren</hi>. Das Bey-<lb/> ſpiel iſt allmaͤchtig; und ſelbſt die treuſte Vorſorge<lb/> des redlichſten Mannes kann ſeinen Einfluß nicht<lb/> hindern. Daß der vortrefliche Aufſeher dieſes<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Hauſes</fw><lb/></p> </div> </body> </floatingText> </div> </div> </body> </text> </TEI> [230/0254]
Endlich faͤllt es ihr einmal ein, Wein zu trinken
und Kuchen zu eſſen. Sie bittet ſehr angelegent-
lich darum. Herr von Doͤren verſpricht, ihre
Bitte zu erfuͤllen, wenn ſie arbeiten wollte, und
da ſie ſich mit ihrer Ungeſchicklichkeit entſchuldigt,
laͤßt er ſie von ſeinen Toͤchtern unterrichten. Sie
lernt arbeiten, arbeitet ſelbſt, und nun bekommt
ſie Kuchen und Wein.
Auf den Vorſchlag des edlen Mannes wird
itzt auch eine *) neue große Stube eingerichtet, die
eine ſchoͤne Ausſicht hat, und diejenigen beherber-
gen ſoll, welche nur auf eine kurze Zeit ins Zucht-
haus gebracht werden. Eine vortrefliche, von
Menſchenkenntniß und Menſchenliebe zeugende
Einrichtung! — Denn wie viele Menſchen,
die ein in moraliſcher Hinſicht vielleicht nicht ſo
ſtrafbares Verbrechen unter Boͤſewichter fuͤhrte,
kamen nicht verdorben aus dieſer Geſellſchaft?
Ueberhaupt, mein Freund, bin ich aufs neue
wieder von dem Urtheil, das ich Jhnen ſchon
oͤfter aͤußerte, recht lebhaft uͤberzeugt worden,
daß die Zuchthaͤuſer nicht mehr Verbrechen be-
ſtrafen, als Verbrechen lehren. Das Bey-
ſpiel iſt allmaͤchtig; und ſelbſt die treuſte Vorſorge
des redlichſten Mannes kann ſeinen Einfluß nicht
hindern. Daß der vortrefliche Aufſeher dieſes
Hauſes
*) Mein Freund ſchreibt mir itzo zwey — ich habe
nur eine geſehen.
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