Hauses dies fühlt, und in dieser Hinsicht thut, was er kann, können Sie außer der auf seinen Vorschlag gemachten Einrichtung daraus sehen, daß er sehr dringend darum angehalten hat, ein vierjähriges Kind, welches eine Mutter mit in das Zuchthaus brachte, aus diesem Hause zu ent- fernen. Jch hoffe zu der Menschlichkeit der Obern, daß sein Wunsch itzt schon erfüllt ist.
Der Zuchtmeister Schmalz, ein ehemaliger Freycorporal ist seines edeln Aufsehers nicht un- würdig. Er zeigt so viel Güte und Nachsicht gegen seine Untergebnen, als ein Mensch in dieser Lage zeigen kann. Jch bin Augenzeuge davon ge- wesen, wie liebreich er mit ihnen verfuhr, und welch einen Eindruck seine Gegenwart und ein Wort von ihm auf Gefangne und Verrückte machte. Es hing an jeder Thür der Gefangenstube eine knotige Peitsche, und in einer Ecke stand eine Maschine, in welche Kopf, Hände und Füße der Strafba- ren gesteckt werden. -- Jch fragte ihn, ob er diese Strafmittel oft gebrauchen müßte? -- "O nein, sagte er mit der menschenfreundlichsten Mine, nur sehr selten. Wir regieren am lieb- sten mit Güte." Ganz vorzüglich gefiel mir sein Betragen gegen die Verrückten. Jedem reicht er freundlich die Hand, fragt, wie es gehe, folgt ihrem unordentlichen Jdeengange, sucht ihnen ge-
fähr-
P 4
Hauſes dies fuͤhlt, und in dieſer Hinſicht thut, was er kann, koͤnnen Sie außer der auf ſeinen Vorſchlag gemachten Einrichtung daraus ſehen, daß er ſehr dringend darum angehalten hat, ein vierjaͤhriges Kind, welches eine Mutter mit in das Zuchthaus brachte, aus dieſem Hauſe zu ent- fernen. Jch hoffe zu der Menſchlichkeit der Obern, daß ſein Wunſch itzt ſchon erfuͤllt iſt.
Der Zuchtmeiſter Schmalz, ein ehemaliger Freycorporal iſt ſeines edeln Aufſehers nicht un- wuͤrdig. Er zeigt ſo viel Guͤte und Nachſicht gegen ſeine Untergebnen, als ein Menſch in dieſer Lage zeigen kann. Jch bin Augenzeuge davon ge- weſen, wie liebreich er mit ihnen verfuhr, und welch einen Eindruck ſeine Gegenwart und ein Wort von ihm auf Gefangne und Verruͤckte machte. Es hing an jeder Thuͤr der Gefangenſtube eine knotige Peitſche, und in einer Ecke ſtand eine Maſchine, in welche Kopf, Haͤnde und Fuͤße der Strafba- ren geſteckt werden. — Jch fragte ihn, ob er dieſe Strafmittel oft gebrauchen muͤßte? — „O nein, ſagte er mit der menſchenfreundlichſten Mine, nur ſehr ſelten. Wir regieren am lieb- ſten mit Guͤte.„ Ganz vorzuͤglich gefiel mir ſein Betragen gegen die Verruͤckten. Jedem reicht er freundlich die Hand, fragt, wie es gehe, folgt ihrem unordentlichen Jdeengange, ſucht ihnen ge-
faͤhr-
P 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><floatingText><body><divtype="letter"><p><pbfacs="#f0255"n="231"/>
Hauſes dies fuͤhlt, und in dieſer Hinſicht thut,<lb/>
was er kann, koͤnnen Sie außer der auf ſeinen<lb/>
Vorſchlag gemachten Einrichtung daraus ſehen,<lb/>
daß er ſehr dringend darum angehalten hat, ein<lb/>
vierjaͤhriges Kind, welches eine Mutter mit in<lb/>
das Zuchthaus brachte, aus dieſem Hauſe zu ent-<lb/>
fernen. Jch hoffe zu der Menſchlichkeit der<lb/>
Obern, daß ſein Wunſch itzt ſchon erfuͤllt iſt.</p><lb/><p>Der Zuchtmeiſter Schmalz, ein ehemaliger<lb/>
Freycorporal iſt ſeines edeln Aufſehers nicht un-<lb/>
wuͤrdig. Er zeigt ſo viel Guͤte und Nachſicht<lb/>
gegen ſeine Untergebnen, als ein Menſch in dieſer<lb/>
Lage zeigen kann. Jch bin Augenzeuge davon ge-<lb/>
weſen, wie liebreich er mit ihnen verfuhr, und<lb/>
welch einen Eindruck ſeine Gegenwart und ein Wort<lb/>
von ihm auf Gefangne und Verruͤckte machte. Es<lb/>
hing an jeder Thuͤr der Gefangenſtube eine knotige<lb/>
Peitſche, und in einer Ecke ſtand eine Maſchine,<lb/>
in welche Kopf, Haͤnde und Fuͤße der Strafba-<lb/>
ren geſteckt werden. — Jch fragte ihn, ob er<lb/>
dieſe Strafmittel oft gebrauchen muͤßte? —<lb/>„O nein, ſagte er mit der menſchenfreundlichſten<lb/>
Mine, nur ſehr ſelten. Wir regieren am lieb-<lb/>ſten mit Guͤte.„ Ganz vorzuͤglich gefiel mir ſein<lb/>
Betragen gegen die Verruͤckten. Jedem reicht<lb/>
er freundlich die Hand, fragt, wie es gehe, folgt<lb/>
ihrem unordentlichen Jdeengange, ſucht ihnen ge-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">P 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">faͤhr-</fw><lb/></p></div></body></floatingText></div></div></body></text></TEI>
[231/0255]
Hauſes dies fuͤhlt, und in dieſer Hinſicht thut,
was er kann, koͤnnen Sie außer der auf ſeinen
Vorſchlag gemachten Einrichtung daraus ſehen,
daß er ſehr dringend darum angehalten hat, ein
vierjaͤhriges Kind, welches eine Mutter mit in
das Zuchthaus brachte, aus dieſem Hauſe zu ent-
fernen. Jch hoffe zu der Menſchlichkeit der
Obern, daß ſein Wunſch itzt ſchon erfuͤllt iſt.
Der Zuchtmeiſter Schmalz, ein ehemaliger
Freycorporal iſt ſeines edeln Aufſehers nicht un-
wuͤrdig. Er zeigt ſo viel Guͤte und Nachſicht
gegen ſeine Untergebnen, als ein Menſch in dieſer
Lage zeigen kann. Jch bin Augenzeuge davon ge-
weſen, wie liebreich er mit ihnen verfuhr, und
welch einen Eindruck ſeine Gegenwart und ein Wort
von ihm auf Gefangne und Verruͤckte machte. Es
hing an jeder Thuͤr der Gefangenſtube eine knotige
Peitſche, und in einer Ecke ſtand eine Maſchine,
in welche Kopf, Haͤnde und Fuͤße der Strafba-
ren geſteckt werden. — Jch fragte ihn, ob er
dieſe Strafmittel oft gebrauchen muͤßte? —
„O nein, ſagte er mit der menſchenfreundlichſten
Mine, nur ſehr ſelten. Wir regieren am lieb-
ſten mit Guͤte.„ Ganz vorzuͤglich gefiel mir ſein
Betragen gegen die Verruͤckten. Jedem reicht
er freundlich die Hand, fragt, wie es gehe, folgt
ihrem unordentlichen Jdeengange, ſucht ihnen ge-
faͤhr-
P 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/255>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.